GWB10: The day before

GWB10: The day before

Heute stellt die EU-Kommission die Pläne für den Digital Markets Act vor, mit dem das Kartellrecht ganz neue Instrumente erhält – die man aber dann nicht dem Kartellrecht zuordnen darf. Parallel soll diese Woche die GWB-Novelle substantiell auf die Schiene gebracht werden. Diesem Ereignis widmet sich Rupprecht Podszun hier – und er hat noch eine überraschende Wendung im Facebook-Verfahren im Gepäck…

NACHTRAG am 16.12.2020: Die GWB-Novelle ist von der Tagesordnung des Bundestags wieder verschwunden (siehe auch Kommentar von Andreas Zuber unten) und wird demnach wohl nicht mehr im Dezember verabschiedet.

Der Bundestag hört zu

Der Lauf zu einem reformierten GWB wurde zu einem Marathon. Wir hatten in diesem Blog den Entwurf im Oktober 2020 geleakt, der damals schon länger in Berlin unterwegs war, und es dauerte dann noch einige Monate (danke, BMJV!), bis daraus ein echter Referentenentwurf wurde, der dann – mit einigen Änderungen – zum Regierungsentwurf wurde, der nach 1. Lesung im Parlament in den Wirtschaftsausschuss zu weiteren Beratungen überwiesen wurde. (Ja, wenn Sie bis zum Ende lesen, können Sie noch einen kleinen Schein in Staatsbürgerkunde beim Sekretariat abholen.)

Am 25.11.2020 fand die Anhörung der Sachverständigen im Wirtschaftsausschuss des Bundestags statt. Geladen waren Bundeskartellamts-Chef Andreas Mundt, Daniela Seeliger (Linklaters), Achim Wambach für die Monopolkommission, Anselm Rodenhausen (Zalando), Auto-Lobbyist Ralf Scheibach, Robby Riedel vom DGB, Verbraucherschützer Klaus Müller (vzbv) sowie der Autor dieser Zeilen (D’Kart HHU).

Rodenhausen und Wambach schalteten sich virtuell zu, wir anderen saßen – natürlich auf Abstand – im Paul-Löbe-Haus des Bundestags. Persönliche Anreise war für die rheinische Fraktion (Mundt, Seeliger, Podszun) quasi Ehrensache. Immerhin hatte kurz zuvor der gefallene Wirecard-CEO Markus Braun vergeblich versucht, eine persönliche Anreise zu einem anderen Ausschuss in Berlin zu vermeiden. Er hatte mit diesem Ziel sogar den BGH angerufen, der aber das Risiko einer Reise von einer süddeutschen Justizvollzugsanstalt aus nach Berlin für beherrschbar hielt, „zumal ein gewisses Infektionsrisiko aktuell für die Bevölkerung insgesamt zum allgemeinen Lebensrisiko gehört“ (BGH, 17.11.2020, Az. 3 Ars 14/20). Wir haben die Reise nicht bereut, nach meinen Informationen wurde die Anhörung nicht zum Superspreader-Event.

The new gospel

Gespreadet, wenn ich das mal so sagen darf, wurde vor allem der Gospel, dass es neue Regeln für die Gatekeeper braucht. Hier hat sich im Laufe der Monate eine Einmütigkeit ergeben, die beinah erstaunt: Die politischen Parteien von links bis recht sind dafür. Wahrscheinlich ist das so eine Art Dialektik, die sich Theodor W. Adorno und Max Horkheimer nicht besser hätten ausdenken können: Erst shoppt sich Deutschland online ins Koma, dann wendet es sich der Kritik an den Online-Riesen zu. (Zur Wahrheit gehört ja, dass Amazon in Deutschland erfolgreicher ist als in manchen anderen europäischen Staaten, in denen es einheimische e-Commerce-Anbieter gibt, die Amazon die Stirn bieten können.)

Dass ich eine gewisse Sensibilität dafür habe, wie sich Meinungen zur Digitalregulierung entwickeln, liegt an meinem persönlichen Trauma 2020: Im letzten Jahr, also 2019, wurde an mich der Auftrag herangetragen, das Hauptgutachten für die Wirtschaftsrechtliche Abteilung des Deutschen Juristentags 2020 in Hamburg zu schreiben. Ich erhielt den Anruf eines sehr gestandenen Wirtschaftsrechtlers, ob ich mir denn vorstellen könne, für den Deutschen Juristentag ein solches Gutachten zu verfassen. Zu beleuchten gelte es die Frage: „Empfiehlt sich eine stärkere Regulierung von Online-Plattformen und anderen Digitalunternehmen?“

Wird man vom Deutschen Juristentag angefragt, sagt man eher nicht nein, sondern stammelt vor Freude ein Ja, denn es ist Ehrensache. Dass es eine Ehre ist, merkt man schon daran, dass die Ausarbeitung des Gutachtens ehrenamtlich erfolgt. Also unentgeltlich. Dafür ist man frei, die eigenen Überlegungen werden Gegenstand des Juristentags, das Professoren-Ego wird gestreichelt. Nun ist es natürlich so, dass man – wie immer – hart an der Deadline arbeitet. Diese Deadline war für mich Ende Januar, und so gab ich nach intensivem Nachdenken Anfang Februar 100 Seiten Gutachten ab mit Grundlegungen und Vorschlägen zur stärkeren Regulierung von Online-Plattformen. Sie ahnen gar nicht, was ich alles absagte, um das unter Dach und Fach zu kriegen. Was dann passierte…

Wochen verstrichen. Es gab eine Besprechung in einer schönen Anwaltskanzlei in Berlin. Dort sah ich zum ersten Mal große Hinweisschilder, man möge bitte die Hände desinfizieren. Weitere Wochen verstrichen. Druckfahnen trudelten ein. Der Juristentag wurde auf 2022 (!) verschoben. (Daher kommt das Trauma.)

Und: Die Kartellrechtler/innen radikalisierten sich. Sätze, die mir bei Abgabe noch gewagt vorkamen, sind inzwischen Mainstream geworden. Forderungen, die Anfang 2020 unter Sozialismusverdacht standen, werden jetzt von Großkanzleianwälten vorgetragen. Als ich mein Gutachten einreichte (das übrigens hier veröffentlicht ist und das natürlich nicht nur von historischem Wert ist), dachte ich noch: Werden die liberalen Ordnungspolitiker, die in der Wirtschaftsrechtlichen Abteilung des Juristentags aktiv sind, mir eine Vorschrift wie § 19a GWB-E abkaufen? Inzwischen frage ich mich: Werden sie mich als kleinmütig schelten, weil ich nicht gleich die Entflechtung von Google und mehrjährige Kerkerhaft für Mark Zuckerberg forderte?

Dieses Jahr hat den Siegeszug des progressive antitrust movements gesehen, nicht nur in Deutschland, auch in den USA und – wenn nicht alles täuscht – sogar in Brüssel.

Lobbyismus

Manchmal träumt mir sogar, dass selbst die GAFAs sich wünschen, reguliert zu werden, aber vielleicht verwechsle ich ihre freundliche Art mit den Inhalten ihres Lobbyismus. Verwirrend ist es allemal, dass Booking und Zalando und Spotify, alles selbst ja nicht gerade Zwerge der Plattformökonomie, für strengere Regeln eintreten – natürlich für die GAFAs.

(Bei den GAFA-Lobbyisten kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass sie in der Ständigen Vertretung mit einem Hinterbänkler ein paar Kölsch kippen. Wo gehören sie hin, eher in die Monkey Bar über dem Zoo? Mit einem Gin & Tonic?)

Am Preis würd der Gin jedenfalls nicht scheitern. Lobbycontrol berichtete im September:

„Unter den Top 30 Unternehmen nach Lobbyausgaben in Brüssel tauchen alle Techkonzerne auf. Google belegt mit Abstand Platz 1 mit einem Lobbybudget von 8 Mio. Euro, gefolgt von Microsoft auf Platz 2 (5 Mio. Euro) und Facebook auf Platz 5 (4,25 Mio. Euro). Nur der Ölkonzern Shell und der Pharmariese Bayer schaffen es zwischen die Techgiganten auf Platz 3 und 4 mit mehr als 4,295 Mio. Euro Lobbyausgaben. Apple und Amazon sind etwas weiter abgeschlagen auf Platz 16 und 23 zu finden.“

In Berlin sind Ministerium und Parlamentarier bislang allerdings offenbar wacker widerständig geblieben. Die Regeln werden, so mein Eindruck, eher nachgeschärft als verwässert. Wenn ich von „die Regeln“ spreche – dann meine ich natürlich die Missbrauchsvorschriften für digitale Player.

Making 19a fly!

Die Fragen der ausgesprochen gut vorbereiteten Parlamentarier im Deutschen Bundestag bei der Sachverständigenanhörung bezogen sich in erster Linie auf § 19a des GWB-Entwurfs. Hier zeichnet sich ab, dass auf den letzten (Zenti-)Metern des Reformprozesses noch Anpassungen vorgenommen werden (es kursierte dazu in Berlin auch schon ein konkreter Vorschlag, den es aber offiziell nicht gibt, ein sog. Non-Paper. Es ist für Menschen wie mich, die nicht jede Folge House of Cards gesehen haben, immer schwer zu verstehen, wie Politik genau funktioniert).

Offenbar hat die DMA-Initiative der Europäischen Kommission, die ja am 15.12.2020 der Öffentlichkeit präsentiert wird, die Lust beflügelt, § 19a GWB-E nachzuschärfen. (Hier finden Sie übrigens einen lesenswerten Text von Thorsten Käseberg aus dem BMWi zum DMA.)

In der Fassung des Regierungsentwurfs ist § 19a GWB-E zu auslegungsoffen. Über jeden Begriff würde lange gestritten. Das eigentliche Ziel der Vorschrift, die Verfahren zu beschleunigen, würde damit verfehlt. In der Folge wird es also präzisere Formulierungen und neue, konkretere Beispielstatbestände geben. Allerdings bleibt – und das ist ein erheblicher Unterschied zur Idee der „Blacklist“ im europäischen Recht – das Bundeskartellamt am Drücker. Die Regeln sollen nicht automatisch als Verbotsnormen ex ante greifen, sondern bedürfen weiterhin eines Kartellbeamten, der den Abzug drückt. Auch die etwas allgemeiner formulierten „Generalklauseln“ sollen wohl erhalten bleiben, wenn auch durch Regelbeispiele präzisiert.

Richtig so. Ex ante-Vorschriften, die automatisch greifen, haben Vorteile, aber auch Nachteile: Sie petrifizieren einen Erkenntnisstand. Die Generalklauseln werden es ermöglichen, die jeweils neueste Idee der Normadressaten zu prüfen, selbst wenn sie sich nicht in einer Blacklist oder einem Regelbeispiel finden. Offen war noch, ob auch die Normadressatenstellung weiter präzisiert wird – bislang war sie ja eher eine vage Vermutung. Klar – man weiß, wer gemeint ist, aber wie beschreibt man das? Sie dürfen hier gern noch einmal an eine Obszönität denken, z.B. an das berühmte Diktum von Justice Potter Stewart im Fall Jacobellis v. Ohio beim US-Supreme Court.

Verfahrensdauer

Jeder Sachverständige hat ja so seine Lieblingsthemen. Hätte man Frau Seeliger gefragt, hätte sie sicher ein emotionales Plädoyer für die Anerkennung der Vortat-Compliance bei der Bußgeldberechnung gehalten. Aber es kriegt nicht jeder seine Lieblingsfrage. (Frau Seeliger, in solchen Anhörungen übrigens durch die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 gestählt, hat das Plädoyer dann in der neuen WuW niedergelegt). Herr Rodenhausen von Zalando pochte auf die auf einer Plattform verbrachte Zeit als wichtiges Kriterium für § 19a Abs. 1 GWB. Wahrscheinlich geht der Einkauf bei Zack-Zack-Zalando schneller als in den strudeligen Gewässern des Amazonas.

Ein Lieblingsthema hatte auch der VDA-Vertreter Herr Scheibach. Er war der einzige Repräsentant der klassischen deutschen Industrie, die sich in diesem Gesetzgebungsverfahren ja mit einer Positionierung reichlich schwer getan hatte. Scheibach lief zu großer Form auf, als es um den Datenzugang ging. Das Thema verfolgt ihn, so bekannte er, immer wieder muss er sich damit auseinandersetzen. Jetzt, so seine Sorge, führen die weiten Datenzugangsansprüche in §§ 19, 20 GWB-E dazu, dass den Automobilkonzernen das Gold der Daten in einer „Klagewelle“ geraubt wird. Scheibach:

„Wir haben aber noch keine konkrete Idee, würden sie gegebenenfalls gerne entwickeln, wie man im § 19 oder im § 20 die Tatbestände möglicherweise so verengen könnte, dass diejenigen adressiert werden, die ja mit diesem Gesetzentwurf adressiert werden sollen.“

Aha, vielleicht liegt dem ein kleines Missverständnis zugrunde. Um die GAFAs geht es in § 19a. In anderen Vorschriften soll es durchaus auch um andere Unternehmen gehen. Sorgen braucht sich die Automobilwirtschaft dennoch nicht zu machen. Weder die GAFAs, noch die deutschen Autobauer müssen ihr Datengold hergeben, solange es kein effizienteres Verfahren für Datenzugangsansprüche gibt als den Weg durch die Instanzen. Bis da Rechtskraft auch hinsichtlich der schwierigen Folgefragen gegeben ist, sind die Daten längst historisch.

Facebook-Verfahren: Außergewöhnlich

Das Problem der länglichen Verfahren bleibt. In dieser Hinsicht gibt es etwas Außergewöhnliches und außergewöhnlich Interessantes zu berichten, was in einer Pressemitteilung des Bundeskartellamts dieser Tage angeklungen ist. Facebook hat ja das Eilverfahren vor dem BGH verloren. (Werbung: Dazu hat mich übrigens Michal Gal für ihre Studentinnen und Studenten interviewt, siehe hier, und ich habe über den Beschluss des BGH in der GRUR geschrieben (GRUR 2020, 1268). Ende der Werbung). Wie berichtet dürfte das Bundeskartellamt seine Verfügung nun eigentlich vollziehen. Die Verhandlung in der Hauptsache vor dem OLG Düsseldorf ist in den März verschoben. In dem an spektakulären Wendungen reichen Verfahren ist nun eine neue Volte hinzugekommen:

Hängebeschluss, Hängebrücke…

Facebook hat einen neuerlichen Eilantrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Ja, das geht. Der Eilbeschluss des BGH entfaltet keine entgegenstehende Rechtskraft. Und das OLG Düsseldorf, Senat Kühnen, hat nun Folgendes gemacht: einen „Hängebeschluss“. Mit einem solchen wird im einstweiligen Verfahren der Zustand gesichert, bis über den Eilantrag entschieden ist. Und für den OLG-Senat heißt das: Da über den Eilantrag nicht so rasch entschieden werden könne, wird erst einmal zwischenverfügt, dass bis zur Entscheidung über den Eilantrag der Vollzug ausgesetzt wird. Das Bundeskartellamt ist also erneut gestoppt worden. Die Parteien dürfen sich jetzt noch einmal äußern und meine wahrscheinlich nicht allzu gewagte Prognose ist: Vor der für März angesetzten Verhandlung wird über den Eilantrag womöglich gar nicht entschieden. Das Amt hat bereits Beschwerde zum BGH eingelegt.

Wenn Sie sich jetzt gerade fragen, ob das wirklich wahr ist, versichere ich Ihnen: Ja.

Das OLG begründet seine Auffassung damit, dass es erst einmal genauer prüfen müsse, ob das, was der BGH da so entschieden habe, überhaupt rechtmäßig sei. Ich hatte hier letztes Mal geschrieben, Folgsamkeit sei keine richterliche Tugend und schon gar keine dieses OLG-Senats.

So schleppt sich das Facebook-Verfahren vorerst dahin. Im Hängebeschluss des OLG wird die Verfahrensdauer nun sogar zur self-fulfilling prophecy: Dass sich durch den Hängebeschluss das Verfahren noch einmal verzögert,…

„fällt nicht nachteilig ins Gewicht, nachdem das Verfahren des Bundeskartellamts nunmehr seit dem Jahr 2016 andauert und die Antragstellerinnen die beanstandeten Nutzungsbedingungen bereits seit vielen Jahren verwenden.“

Hier ist der Soundtrack zu diesem Fall! Ich freue mich schon jetzt wie ein kleiner Junge auf die nächsten Spiele.

Spannung, Spaß und Spiel

Andere Themen, die in der Anhörung zum GWB angesprochen wurden: Neue Aufgreifkriterien in der Fusionskontrolle, Killer Acquisitions, Ausnahmen für die Medien, Ministererlaubnis. Für Letztere hegen Parlamentarier ja eine besondere Vorliebe, da kann ich noch so oft sagen, dass aus diesem krummen § 42 noch nie etwas Gutes erwachsen ist. Die mal wieder traumatischen Erfahrungen der letzten Jahre (Sie erinnern sich, und wenn nicht: siehe hier) hatten dazu geführt, dass noch einmal erwogen wurde, die Zugangshürden zur Ministererlaubnis zu erhöhen. So richtig konsistent wirkten die letzten Vorschläge allerdings nicht.

Besonders munter wurde es an zwei Punkten: Erstens wurden Achim Wambach und Andreas Mundt dazu befragt, ob die Monopolkommission Einsicht in laufende Verfahren des Bundeskartellamts nehmen können sollte, ein Wunsch, den das Amt der Mopoko ungern erfüllen möchte. Wie sich die beiden Protagonisten dazu verhielten, sehen Sie in dieser Aufzeichnung der Anhörung ab Minute 50.

(Hier finden Sie übrigens auch die Anträge von Regierung und Fraktionen sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen).

Verbraucherschutz

Zweitens gab es einen spannenden Moment gegen Ende der Anhörung. Falko Mohrs (SPD) fragte mich, wie ich zu erweiterten Verbraucherschutzbefugnissen für das Bundeskartellamt stehe. Sie wissen, dass das Amt seit der 9. GWB-Novelle zwar UWG-Verstöße ermitteln darf, aber keine Untersagungsbefugnisse oder ähnliches hat. Seither macht ein Kartellamts-Team um Carsten Becker immer wieder mit Sektoruntersuchungen Furore. Ich habe mit Christoph Busch und Frauke Henning-Bodewig zur Frage der behördlichen Befugnisse ein (etwas zu) langes Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium verfasst und bin seither überzeugt, dass eine moderate Erweiterung der Kompetenzen sinnvoll ist – freilich in enger Verzahnung mit der privaten Rechtsdurchsetzung, die in Deutschland ja im UWG gut funktioniert.

Falko Mohrs, SPD-Berichterstatter für die GWB-Novelle und einer der drei Chefunterhändler der Regierungskoalition (gemeinsam mit den Unions-MdBs Heider und Durz).

Ich sprach mich in der Antwort auf Mohrs dafür aus, dem BKartA hier etwas mehr zuzugestehen als bislang, ganz im Einklang mit der sonstigen europäischen Handhabung der lauterkeitsrechtlichen Durchsetzung. Katharina Dröge (Grüne) stellte die gleiche Frage dann noch an Chef-Verbraucherschützer Klaus Müller, der dem Verbraucherzentrale Bundesverband vorsteht (einer privaten Organisation). Ich war gespannt: Als Verbraucherschutz-Advokat muss es Müller ein Anliegen sein, dass es mehr Verbraucherschutz in Germany gibt. Dazu würde selbstverständlich eine erweiterte Instrumentenpalette einen Beitrag leisten. Allerdings: Das Bundeskartellamt wäre eine Art Wettbewerber für die Verbraucherzentrale. Ein Hecht im Karpfenteich der UWG-Durchsetzung – in diesem Bassin tummeln sich bislang vor allem Organisationen wie vzbv, Wettbewerbszentrale oder Deutsche Umwelthilfe.

Wie würde sich Müller entscheiden? Für den Verbraucherschutz? Oder für seine Institution? Das sehen Sie bei 01:46:45.

Der Bundesrat hatte sich in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf für mehr Verbraucherschutz stark gemacht. Die Bundesregierung hat das in ihrer Gegenäußerung abgelehnt – wie übrigens alle anderen Wünsche des Bundesrats auch.

Wer wie was?

Mohrs und Dröge, das sind Namen, die Sie kennen müssen, wenn Sie das politische Geschehen im Wettbewerbsrecht verfolgen wollen. Wer das ist – gleich.

Wenn ich es richtig sehe, behält das Bundeswirtschaftsministerium eine zentrale Rolle auch im parlamentarischen Prozess, jetzt aber vor allem als Dienstleister. Hat man bis zum Regierungsentwurf das Heft des Handelns in der Hand, gibt man selbiges mit der Überweisung von der Regierung ins Parlament ab und ordnet sich der Legislative unter. (Schon zuvor wird aber wohl auch sichergestellt, dass man an den Wünschen der Parlamentarier nicht vorbeidraftet.)

Matthias Heider fungierte bei der Anhörung als Vorsitzender des Ausschusses – ist aber auch wettbewerbspolitischer Verhandlungsführer der CDU.

Entscheidend sind dann die Berichterstatter der Fraktionen, die den Gesetzentwurf in die Hand nehmen und gemeinsam darüber beraten. Selbstverständlich kommt es vor allem auf die Regierungsfraktionen an, die am Ende die Mehrheit benötigen. Hier sind Dr. Matthias Heider (CDU), Hansjörg Durz (CSU) und Falko Mohrs (SPD) diejenigen, die sich mit ihren Referenten und den Fraktionsreferenten über die Formulierungen beugen. Geht es um Gesetzestechnik, Verweise, konkrete Formulierungen, die Gesetzesbegründung wird offenbar auch immer mal wieder das Referat des BMWi um Rat gebeten, das mit den Fachexperten besetzt ist. Referatsleiter Dr. Thorsten Käseberg saß denn natürlich auch in der Anhörung, aber – wie es sich gehört – in zweiter Reihe. Die Bundesregierung wurde durch die Parlamentarische Staatssekretärin Elisabeth Winkelmeier-Becker repräsentiert. Heider, Durz und Mohrs verhandeln dann offenbar die Änderungen, sie müssen es am Ende ihren Fraktionen zwecks Stimmenmehrheit verkaufen. Aus den Fraktionen heraus erhalten sie Anregungen, Anfragen, Bedenken. Die drei parlamentarischen Musketiere des Kartellrechts sind übrigens gestählt – sie saßen in der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0.

Bei einem Gesetz wie dem GWB kann sich aber auch die Opposition profilieren, was sie in diesem Fall getan hat. Mit Katharina Dröge (Grüne) und Michael Theurer (FDP) stehen zwei profilierte Wettbewerbsexperten parat. Dröge hat schon oft mit Anträgen die wettbewerbspolitische Debatte belebt. Manches davon ist heute Mainstream, was gestern noch radikal war. Für ihr konservatives Pendant bei der CDU, Matthias Heider, ist es übrigens die letzte GWB-Novelle: Er scheidet zum Ende der Legislaturperiode aus freien Stücken aus dem Bundestag aus und will wieder als Rechtsanwalt tätig werden.

Terminplan – und ein Lesetipp

Tagesordnung des Deutschen Bundestags für die 202. Sitzung 2020.

Wenn Sie dies lesen, hat Margrethe Vestager wahrscheinlich schon ihre Pläne für den Digital Markets Act bekannt gegeben. Die Medien werden sich darauf stürzen, die GWB-Novelle wird im Windschatten segeln und verabschiedet werden, während dem DMA erst noch das Feuer der Brüsseler Verhandlungen bevorsteht. Mit der Novelle könnte es jetzt schnell gehen, wenn die Parlamentarier ihre Willensbildung abgeschlossen haben. Das GWB ist Tagesordnungspunkt 2 bei der 99. Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 16.12.2020, es kommt nach Corona und vor der Nationalen Wasserstoffstrategie dran. Am nächsten Tag schon, dem 17.12.2020, soll das Parlament in 2. und 3. Lesung beraten. Ab 11.20 Uhr sollen die Reden live aus dem Plenum übertragen werden. Es wird ein Fest der Demokratie, wenn das Grundgesetz der Marktwirtschaft zur Abstimmung steht! Im Ministerium und im Parlament hat man jedenfalls mit einer solchen Sachkunde und Ernsthaftigkeit um die richtigen Lösungen gerungen, dass allen Politikverächtern durchaus der Einblick aus der Nähe gegönnt sei.  Stellen Sie auch ruhig Sekt, Prosecco, Champagner oder Selters kalt. Sie können im Home Office ja ganz entspannt die Debatte im Bundestag verfolgen, während Sie auf dem anderen Bildschirm in einem Zoom hängen.

Und noch ein Tipp: Schauen Sie sich unseren – in aller Bescheidenheit – grandiosen Antitrust Advent Calendar 2020 an! Wir sind mit dem Blog auf Weltreise! Heute, am 15.12.2020, haben wir wieder eine renommierte Head of Agency als Fremdenführerin engagiert (nicht die erste, nicht die letzte). Wir haben sie, wie alle Adventskalendergäste, nicht nur nach dem wichtigsten kartellrechtlichen Ereignis in ihrer Jurisdiktion gefragt, sondern auch nach einem Reiseziel für die Zeit nach Covid19. Fangen Sie bitte schon jetzt an zu träumen!

Disclosure: Es wurden einige Formulierungen im Nachhinein verbessert.

6 Gedanken zu „GWB10: The day before

  1. Die GWB-Novelle ist anscheinend wieder von der Tagesordnung des BT für 17.12. genommen worden. Mal abwarten, wann sie wieder auftaucht; vielleicht ist auch die Meinungsbildung im Ausschuss komplizierter als gedacht.

    1. In der Tat, das ist auch meine Information! Danke für den Hinweis, Herr Zuber. Zu den Gründen können wir derzeit nur spekulieren.

  2. Pingback: Offline | D'Kart

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert