DOJ v. Google – wird Google zerschlagen?

DOJ v. Google – wird Google zerschlagen?

Es ist soweit: Nachdem bereits einige Zeit über eine Klage gegen Google in den USA spekuliert wurde, hat nun das amerikanische Justizministerium („DOJ“) am 20. Oktober 2020 (zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl!) Klage gegen Google wegen Verletzung des Sherman Antitrust Acts eingereicht. Johannes Persch gibt einen ersten Überblick über die 64-seitige Klageschrift.

Das DOJ wirft Google vor, illegal sein Monopol im Markt für allgemeine Suchmaschinen aufrechterhalten zu haben, indem es Wettbewerbern den Zugang zu Vertriebswegen verschlossen hat. Der Klage haben sich elf Bundesstaaten angeschlossen, deren Generalstaatsanwälte („Attorney Generals“) allesamt dem republikanischen Lager zugeordnet werden können.

1. Einleitende Worte des DOJ (Rn. 1-18)

Das DOJ beginnt die Klage mit einem kurzen Überblick über Google – vom „scrappy“ Start-Up zum Monopol-Gatekeeper mit einem Marktwert von über einer Billion Dollar (Rn. 1). Dann erklärt es, wo Suchmaschinen benutzt werden: Auf dem Computer oder – und zwar immer mehr – auf dem Handy. Soweit wenig überraschend. Spannender wird es erst im Anschluss: Der effektivste Vertriebsweg („means of distribution“) für eine Suchmaschine sei es, als Standardsuchmaschine eingestellt zu sein – „defaults are sticky“. Zwar könnten Nutzer theoretisch eine andere Suchmaschinen-App herunterladen oder die Standardsuchmaschine ändern, die meisten Nutzer würden dies aber schlicht nicht tun. Die voreingestellte Standardsuchmaschine genieße eine de facto Exklusivität (Rn. 3). Google habe sich durch ein System von Exklusivitätsabreden und Milliardenzahlungen an Smartphone-Hersteller, Mobilfunkanbieter und Browser-Entwickler zum alleinigen Nutznießer dieser Trägheit der Verbraucher gemacht: Google sei praktisch überall als Standard eingestellt (Rn. 2–6). Es folgen ein paar Absätze dazu, wie dadurch Markteintrittsbarrieren geschaffen und Innovationen gehemmt werden (Rn. 7-9): Eine Suchmaschine zu betreiben sei nicht nur enorm teuer, sondern auch von Skaleneffekten bei den vorhandenen Daten abhängig. Google verhindere durch seine Praxis, dass andere Suchmaschinen ausreichend Skaleneffekte erzielen können, um mit Google zu konkurrieren: Diesen fehle der (skalierte) Zugang zu Nutzern, Werbekunden und Daten.

Ein Blick in die Zukunft weist darauf hin, dass Google dabei ist, die gleiche Praxis auch auf die nächste Generation elektronischer Geräte anzuwenden, also Smart Speakers, intelligente Fahrzeuge etc. (Rn. 12). Das Internet of Things sei also der nächste Bereich, den Google an sich reißen könnte.

Der Schutz der Verbraucher, Werbekunden und aller Unternehmen der Internetwirtschaft verlange, dass Googles Verhalten gestoppt wird (Rn. 13). Hier fällt sogar – für die amerikanische Praxis (noch) eher unüblich – das Stichwort Datenschutz.

2. Wie beschreibt das DOJ die Branche (Rn. 19-51)?

Daraufhin wird erklärt, wie Suchmaschinen funktionieren: Indem mit einer Software das Internet durchforstet wird – schöner auf Englisch: „to crawl“. Dieses crawling stellt sich als ziemlich kostspielige und aufwendige Angelegenheit heraus: Google unterhält dafür einen über 100.000.000 Gigabyte (= 100 Pentabyte) großen Index. Speicherte man dies auf CDs ab, bräuchte man dafür etwa 133 Millionen Rohlinge! Einen vergleichbaren Index aufzubauen würde „Milliarden von Dollar“ Eingangsinvestitionen und Unterhaltskosten von „hunderten Millionen Dollar“ erfordern (Rn. 22). Es wird im Anschluss kurz der Unterschied zwischen allgemeinen und spezialisierten Suchmaschinen beschrieben (Rn. 23-34): Erstere (Google, Bing, DuckDuckGo, Yahoo) sind ein „one-stop shop“ für den Nutzer, der mit Suchbegriffen das ganze Internet ohne nähere Begrenzung durchforsten kann. Letztere (z.B. Expedia oder Amazon) dagegen liefern fokussierte Ergebnisse.

Wie wohl inzwischen allgemein bekannt ist, ist Google für den Nutzer nicht gratis: Er zahlt mit Daten und Aufmerksamkeit (Rn. 25). Ebenso wenig überraschend: Google verdient Geld mit Werbung (Rn. 26-34). Zusätzlich zu den „Search Engine Result Pages (SERP)“ also den „echten“ (d.h. unbezahlten/originären) Suchergebnissen blendet Google dafür auch bezahlte Ergebnisse ein. Traditionell sind das bezahlte Anzeigen, die bis auf einen Hinweis (in Deutschland: „Anzeige“) den übrigen Ergebnissen ziemlich ähnlichsehen (Rn. 30). Mehr und mehr verkauft Google aber auch speziellere Werbeanzeigen: Dabei geht es um den kleinen Kasten (ebenfalls gekennzeichnet), der bei manchen Suchbegriffen ganz oben auftaucht und in dem dann beispielsweise Schuhe oder Hotels mit Bild und Preis angezeigt werden (Rn. 31). Der aufmerksame Leser wird sich erinnern, dass dieser Kasten beim Google Shopping-Verfahren der EU-Kommission eine gewisse Rolle spielte: Darin untersagte die Kommission Google die Bevorzugung des eigenen Preisvergleichsdienstes auf der Suchergebnisseite.

Weiter führt das DOJ aus: Je mehr Kunden eine Suchmaschine hat, desto attraktiver ist sie für Werbekunden; das nicht nur, weil mit der Werbung mehr potenzielle Kunden erreicht werden können, sondern auch, weil die Werbung zielgenauer platziert werden kann (Rn. 37). Als Suchmaschine erfolgreich operieren kann daher letztlich nur, wer hinreichend ausgeprägte Skaleneffekte erreicht (Rn. 38).

Diese Skaleneffekte erreicht Google vor allem über eins: den „Default Status“ (Rn. 39-87). Computer und mobile Endgeräte werden in aller Regel mit einer Auswahl vorinstallierter Apps mit Suchzugriffspunkten („Search Access Points“) geliefert. Das sind v.a. der Browser mit einer Standardsuchmaschine, Such-Apps und Widgets oder der Voice Assistant.

Besonders wichtig ist dabei der Vertrieb auf mobilen Endgeräten (Rn. 42-47). Rund 60 % aller Suchanfragen in den USA werden mobil durchgeführt, Tendenz steigend. Bei den mobilen Endgeräten gibt es im Wesentlichen solche, die mit iOS (Apple) operieren (60 %), und solche, die mit Android laufen (40 %). Bei den allermeisten Suchzugriffspunkten auf mobilen Geräten beider Systeme ist Google als Standardsuchmaschine eingestellt: Das betrifft Apple Safari und Google Chrome, aber auch die übrigen Zugriffspunkte (Home Button, Suchleiste, Voice-Assistant „OK Google“ …). Wer ein neues Handy in die Hand nimmt und damit etwas im Internet sucht, landet also erst einmal bei Google. Das Schöne an den Verfahren gegen Google ist, dass man mit ein paar Klicks alles am eigenen Gerät nachvollziehen kann. Nach kurzer Überprüfung: Auf meinem Handy lande ich über mindestens vier Wege direkt bei Google (Such-Widget, Chrome, Firefox, Home Button).

Bei Computern ergibt sich ein ähnliches Bild (Rn. 48-49): Bei den meisten Browsern ist Google als Standardsuchmaschine eingestellt und erscheint als Startseite beim Öffnen des Browsers.

So langsam geht es auf das Herzstück der Klage zu…

3. Wie stellt es Google an, überall als Standard voreingestellt zu sein (Rn. 52-87)?  

Google schließt zum einen Ausschließlichkeitsvereinbarungen („exclusionary agreements“) mit Herstellern und Mobilfunkanbietern. Diese erfassen 60 % aller Suchanfragen (mobil sogar 80 %). Zum anderen gehören einige Suchzugriffspunkte Google selbst – so etwa Google Chrome. Die Google-eigenen Suchzugriffspunkte erfassen noch einmal 20 % der Suchanfragen.

Im Kern geht es um folgende Praktiken Googles (Rn. 54-56): (1) „Anti-forking Agreements“, die Android-Versionen verbieten, wenn sie nicht mit Googles Standards übereinstimmen; (2) Google gewährt Zugang zu APIs (Programmierschnittstellen) und wichtigen proprietären Anwendungen (Google App Store!) nur, wenn auch andere Google Apps vorinstalliert werden und Google der beste Platz auf dem Standard Home Screen eingeräumt wird; (3) Google bezahlt Hersteller, Mobilfunkanbieter und Browser-Entwickler ganz einfach dafür, dass diese Google als Standard einstellen („Revenue Sharing Agreements“).

a) Anti-forking Agreements (Rn. 58-75)

Android ist Open Source, d.h. der Quellcode ist frei verfügbar und kann von jedem Hersteller auf ein Gerät aufgespielt werden. Theoretisch kann Android daher auch ohne größere technische Schwierigkeiten abgeändert werden – dadurch entsteht ein „Android Fork“ (Rn. 60). Der bekannteste: FireOS von Amazon. Android Forks sind laut DOJ aber praktisch durch „Anti-forking Agreement (AFAs)“ (Anti-Fragmentierungsvereinbarungen) verboten.

Bis 2017 mussten Hersteller diese AFAs unterzeichnen: Sie durften kein einziges mit einem Android-Fork betriebenes Gerät verkaufen oder entwickeln. Dann trat die Europäische Kommission auf den Plan und untersagte Google dieses Verhalten. Seitdem heißen die Vereinbarungen „Android Compatibility Commitments (ACCs)“ und lassen den Herstellern (ein kleines bisschen) mehr Freiheit: Sie dürfen jetzt zwar Geräte mit Android Forks für Dritte herstellen, dürfen aber weiterhin nicht selbst Android Forks entwickeln, entsprechende Geräte verkaufen, vertreiben oder bewerben (Rn. 70).

Warum lassen sich Hersteller auf diese Vereinbarung ein? Zwar ist Android Open Source, das gilt aber nicht für alle Google Apps, v.a. nicht für den Google Play Store. Wollen Hersteller diese Apps vorinstallieren, dann müssen sie die AFAs (oder heute ACCs) unterzeichnen (Rn. 73). Auch der Zugang zu Programmierschnittstellen (APIs) wird nur Unterzeichnern der Vereinbarungen gewährt (Rn. 74). Ohne diesen Zugang kann eine App zum Beispiel keine Push-Nachrichten senden. Wer sich an die Debatte um die Corona-App in Deutschland erinnert, weiß, wie wichtig der API-Zugang für App-Entwickler ist.

b) Vorinstallation aller wichtigen Google Apps (Rn. 76-77)

Um Zugang zum Google Play Store und den APIs zu erhalten, müssen Hersteller außerdem zustimmen, eine Reihe anderer Apps vorzuinstallieren: Chrome, Google Search App, Google Search Widget und Google Assistant. Bei all diesen Apps ist Google die als Standard eingestellt Suchmaschine. Bis 2017 mussten die Hersteller auch auf allen anderen Apps, die als Suchzugriffspunkt genutzt werden können, Google als Standard einstellen.

c) Revenue Sharing Agreements (Rn. 78-87)

Googles dritte Vertriebsstrategie ist die wohl einfachste: Google bezahlt für seine Platzierung als Standardsuchmaschine. Die Höhe richtet sich nach dem über den jeweiligen Suchzugriffspunkt erzielten Einkommen, daher der Begriff Revenue Sharing. Diese Zahlungen werden dabei von einer Reihe von Bedingungen abhängig gemacht, die über die Zeit und je nach Hersteller variieren. Im Kern geht es aber stets darum, dass sich der Hersteller verpflichtet, Google auf allen Suchzugriffspunkten als Standard einzustellen. Solche Vereinbarungen bestehen mit Geräteherstellern (einschließlich Apple), Browserentwicklern und Mobilfunkanbietern. In einigen Fällen zahlt Google nur, wenn alle Modelle eines Herstellers gebunden sind, in anderen Fällen geht es nur um bestimmte Gerätemodelle (Rn. 79). Zur Vorstellung der Größenordnungen: An Apple zahlt Google jährlich zwischen 8 und 12 Milliarden Dollar (Rn. 118).

4. Welche Märkte sind betroffen (Rn. 88-110)?

Das DOJ geht davon aus, dass die folgenden Märkte betroffen sind: 1. Der Markt für allgemeine Suchmaschinen; 2. Der Markt für Suchmaschinenwerbung und allgemeine Suchtextwerbung. Geographisch relevanter Markt seien jeweils die USA. In allen betroffenen Märkten habe Google ein Monopol inne.

Den gesonderten Markt für Suchmaschinenwerbung in Abgrenzung zu anderer Werbung offline (z.B. Plakate, TV und Radio) und online (z.B. Social Media-Werbung!) begründet das DOJ damit, dass Suchmaschinenwerbung dadurch nicht substituiert werden könne (Rn. 99). Die Suchmaschinenwerbung sei besonders nah an der Kaufentscheidung („point of purchase“) des Verbrauchers. Jedenfalls die Abgrenzung zur offline-Werbung dürfte dabei unbestritten bleiben.

Googles Marktposition ist in beiden Märkten beeindruckend: im allgemeinen Suchmaschinenmarkt hat Google bei Computersuchen einen Marktanteil von 82 %, bei mobilen Suchen sogar von 94 % (Rn. 93). Der Unterschied dürfte hier vor allem darauf zurückzuführen sein, dass Bing bei Computersuchen noch einen Anteil von 12 % hat – und das wohl nur, weil Bing auf Microsoft-Browsern voreingestellt ist. Das zeigt einmal mehr, dass die Grundannahme des DOJ – „defaults are sticky“ – im Ansatz zutreffen muss.

Im Markt für Suchmaschinenwerbung hat Google berechnet anhand der Gesamtausgaben für solche Werbung einen Marktanteil von mindestens 70 % (Rn. 108). Jedenfalls nach der vom DOJ vorgenommenen Marktabgrenzung liegt eine beherrschende Stellung Googles also in allen Märkten auf der Hand.

5. Was wirft das DOJ Google vor (Rn. 111-165)?

Kern des Vorwurfs gegen Google ist, dass Google durch die oben bereits beschriebenen Praktiken den Vertrieb („distribution“) von konkurrierenden Suchmaschinen behindert hat. Dadurch seien diese gehindert worden, genügend zu skalieren, um mit Google unter anderem hinsichtlich der Qualität ihrer Leistung konkurrieren zu können (Rn. 113). Google habe „den Konkurrenten die Qualität, die Reichweite und die finanzielle Position vorenthalten, die notwendig sind, um eine sinnvolle Konkurrenz zu Googles langjährigen Monopolen aufzubauen“ (Rn. 115).

a) Revenue Sharing Agreements

Kein Wettbewerber Googles sei in der Lage, an die Hersteller (v.a. Apple!), Mobilfunkanbieter etc. vergleichbare Summen zu zahlen, um als Standardsuchmaschine eingestellt zu werden. Andere Suchmaschinen verfügten eben über keine Monopolrendite. Darüber hinaus sei keine andere Suchmaschine in der Lage, eine vergleichbare Qualität und Marke wie Google anzubieten (Rn. 122). Mit anderen Worten: Google ist größer, besser und reicher als jeder Wettbewerber. Damit kann es aufgrund von Googles Verhaltensweisen niemand sonst als Standard in die Apps und Browser schaffen.

Revenue Sharing Agreements bestehen außerdem mit den meisten Browsern (Rn. 156-159). Das betrifft v.a. Apple Safari und Mozilla Firefox. Nur Microsoft wird nicht dafür bezahlt, auf seinen Browsern Google als Standardsuchmaschine einzustellen – stattdessen ist dort Bing voreingestellt. In einem Wettbewerbsmarkt würden laut DOJ Wettbewerber darum konkurrieren, als Standardsuchmaschine eingestellt zu werden (Rn. 159).

Diese Argumentation dürfte im Verfahren noch besonders spannend werden, schließlich drängt sich die Frage auf, inwieweit Google hätte anders handeln können/müssen. Angenommen, Apple startete eine Auktion um den Default in Safari, so könnte – jedenfalls nach den Ausführungen des DOJ – gegenwärtig praktisch nur Google diese Auktion gewinnen. Selbst wenn dabei noch qualitative Kriterien eine Rolle spielen würden, könnte wohl nur Google diese erfüllen. Das Gleiche scheint auch bei einem Wettbewerb um den Standard bei Browsern zu gelten. Es ist daher wenig überraschend, dass Google vorträgt, hier schlicht im Leistungswettbewerb (z.B. mit Bing) zu stehen.

Hier kann ein Blick nach Europa helfen: Die Kommission hat in Google (Android) in den Revenue Sharing Agreements für Android Geräte bereits eine rechtswidrige Ausschließlichkeitsbindung gesehen (dort Rn. 1188-1336). In der EU kann der Nutzer inzwischen zumindest bei neuen Android-Geräten im sog. Choice Screen selbst zwischen mehreren Suchmaschinen als Standard für Chrome und die Home Screen Search Box wählen. Andere Anbieter können dafür bieten, dort – neben Google – angezeigt zu werden. Vor allem Bing schafft es meistens auf die Liste der Choice Screen Gewinner. DuckDuckGo ging dagegen meistens leer aus, weshalb deren Betreiber das Auktionsmodell kritisieren.

Der Vorwurf des DOJ geht hier aber noch weiter, da wohl auch solche Revenue Sharing Agreements beanstandet werden, die zumindest auf dem Papier keine Exklusivität verlangen. Außerdem richtet er sich explizit auch gegen die Revenue Sharing Agreements mit Apple. Anders als Android Gerätehersteller dürfte Apple kaum von Google abhängig sein. Google wird daher nur schwer zum Vorwurf gemacht werden können, dass Apple keinen Choice Screen anbietet.

b. Vorinstallation der Google Apps und Anti Forking Agreements/Android Compatibility Commitments

Auf Android Smartphones kommen zu den Zahlungen noch die verpflichtende Vorinstallation der Google Apps und die ACCs oder AFFs. Die Revenue Sharing Agreements sind dabei davon abhängig, dass auch die Google Apps (Google Search!) vorinstalliert werden und ein AFF oder ACC abgeschlossen wird. In den meisten Fällen wird dabei verboten, Suchzugriffspunkte mit anderen voreingestellten Suchmaschinen als Google vorzuinstallieren (Rn. 124).

Ohne AFFs und ACCs könnte nach dem DOJ relativ günstig auf Basis von Android (Open Source!) ein neues Smartphone-Betriebssystem entwickelt werden, auf dem dann auch ohne größere Umstellungen andere Android Apps funktionieren würden (Rn. 127). Ein alternatives Betriebssystem wiederum könnte als Weg für die Verbreitung anderer Suchmaschinen als Google genutzt werden (Rn. 126). Dies habe Google durch seine Praxis verhindert (Rn. 130-132). Nicht einmal Amazon konnte mit FireOS – dort war Bing als Standardsuchmaschine eingestellt – gegen Googles Android Version ankommen (Rn. 131).

Die Argumentation kommt nicht ohne Grund bekannt vor: Das Gleiche hat die EU-Kommission Google in Google (Android) bereits 2018 vorgeworfen (dort Rn. 1038-1145, insbesondere Rn. 1140).

Auch die Vorinstallation der Google Apps verstärke Googles Monopol im Suchmaschinenmarkt (Rn. 133-143). Um Zugang zu Googles API-Schnittstellen zu erhalten und Google und den Google Play Store (sowie damit zusammenhängende Apps) vorinstallieren zu dürfen, müssen alle sechs „core Apps“ von Google vorinstalliert werden: Google Play, Chrome, Google Search, Gmail, Maps, Youtube (Rn. 134). Auch dadurch würden Wettbewerbern Kanäle für die Verbreitung ihrer Suchmaschine verschlossen (Rn. 135). Insbesondere deshalb, weil auf diesen vorinstallierten Apps Google als Standardsuchmaschine eingestellt werden muss (Rn. 137) und diese bevorzugt auf dem Handydisplay positioniert werden müssen (Rn. 138). Das Google Search Widget muss z.B. auf dem Standard Home Screen platziert werden – damit macht es naturgemäß wenig Sinn für den Nutzer, an gleicher (vermutlich aber auch nicht an anderer) Stelle ein weiteres Search Widget zu installieren. Auch der Google Assistant werde gegenüber anderen Voice Assistants (z.B. Amazon Alexa) bevorzugt (Rn. 141).

Auch hier entspricht der Vorwurf im Wesentlichen dem der Kommission in Google (Android) (dort Rn. 752-1010).

c. Die nächste Generation: das Internet der Dinge

Außerdem sei Google bereits dabei mit im Wesentlichen den gleichen Verhaltensweisen die Kontrolle über die Standards auf Geräten der nächsten Generation (Smart Watches, Smart TVS, intelligente Fahrzeuge) zu übernehmen (Rn. 160-165). Auch für die Zukunft drohe daher eine Unterwanderung des Wettbewerbs durch Google:

„Google is poised to ensure that history repeats itself, and that all search access points funnel users in one direction: toward Google.” (Rn. 165)

6. Worin liegt der Wettbewerbsschaden (Rn. 166-172)?

Kaum überraschend legt das DOJ hier den Schwerpunkt darauf, dass Wettbewerbern der Zugang zu Vertriebskanälen für ihre Suchmaschine verschlossen würde. Weil Kunden die Standardeinstellungen nicht ändern, sondern deshalb bei Google bleiben, hätten Wettbewerber keine Chance.

Verbraucher würden geschädigt durch eine Reduzierung der Qualität (hier schon wieder: Datenschutz!) und weniger Auswahl bei Suchmaschinen (Rn. 167). Werbekunden würden zu viel (Geld) für zu wenig (Qualität) zahlen (Rn. 168).

Außerdem beschreibt das DOJ eine Entwicklung Googles, die wohl jeder Leser schon beobachten konnte: Die organischen Ergebnisse (also der eigentliche Grund für den Nutzer, Google aufzurufen) werden mehr und mehr durch bezahlte Ergebnisse nach unten gedrängt. Um überhaupt noch in relevanter Weise wahrgenommen zu werden, müssen Webseitenbetreiber mehr und mehr Suchmaschinenwerbung bei Google einkaufen (Rn. 170).

Als kleine Lesepause können Sie sich das auch hier im Video der Washington Post anschauen oder – noch besser – mit ein paar Suchbegriffen selbst ausprobieren.

Dass die Google-Suchmaschine sich über die Jahre verändert hat, liegt auf der Hand. Bei einigen Suchbegriffen wird es immer mühsamer, zu den organischen Ergebnissen zu scrollen. Inwiefern hier ein Zusammenhang mit einem wettbewerbswidrigen Verhalten steht, wird sich zeigen müssen. Schließlich könnte darin auch einfach die – für sich genommen nicht verbotene – Erhebung eines Monopolpreises liegen. Die Schadenstheorie erscheint daher noch etwas dünn.

7. Wird Google zerschlagen?

Wohl eher nicht. Konkrete „Remedies“ hat das DOJ – bis auf die Abstellung des Verhaltens – noch nicht gefordert. Allerdings werden „structural reliefs“ („strukturelle Maßnahmen“) verlangt (Rn. 194 lit. b). Zwar berichtet das Wall Street Journal, dass nach Angaben eines DOJ Mitarbeiters nichts vom Tisch sei. Ob eine Zerschlagung kommt oder wie sie aussehen könnte (Chrome abspalten?) und ob das dem Wettbewerb überhaupt nutzen würde, darüber lässt sich gegenwärtig wohl nur spekulieren. Zumindest für Android-Geräte bleibt natürlich auch eine Choice Screen Lösung denkbar, wie sie in der EU bereits praktiziert wird (siehe oben unter 5.a.).

8. Was sagt Google?

Google kämpft um die öffentliche Meinung und hat sich in einem Post zur Klage des DOJ geäußert. Darin vergleicht es den Home Screen mit einem Supermarktregal: Auch dort könne der Müslihersteller den Supermarktbetreiber dafür bezahlen, sein Müsli auf Augenhöhe zu platzieren. Der Narrativ ist klar: Digitale Märkte seien gar nicht so außergewöhnlich, wie das DOJ glauben machen will und Google sei letztlich nicht anders zu beurteilen als ein Müslihersteller. Dass dieser in aller Regel nicht marktbeherrschend ist, erwähnt Google dabei naturgemäß nicht.

Außerdem erklärt Google (mit Videoanleitung) wie einfach es sei, andere Suchmaschinen auf allen möglichen Geräten und in Apps einzustellen. Die Leute benutzten Google nicht, weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen. Bei allem Zugeständnis zur Qualität Googles (hier eine Einladung zum Vergleich mit anderen Suchmaschinen: Versuchen Sie einmal diesen Blog mit dem Suchbegriff „DKART“ auf einer anderen Suchmaschine zu finden) erklärt dies doch nicht, weshalb Google so viel Geld in die Hand nimmt, um sich überall als Standardsuchmaschine einstellen zu lassen. Das klingt doch alles sehr nach Googles altem Mantra „competition is just one click away“. Diesen einen Klick scheint nur in den letzten Jahren (oder gar Jahrzehnten?) niemand getan zu haben und nichts spricht dafür, dass sich dies in Zukunft ändert.

9. Wie geht es weiter?

Das DOJ selbst sieht das Verfahren bereits in einer Liste mit den großen amerikanischen Antitrust-Fällen AT&T und Microsoft. Viel Neues bringt die Klage jedoch zumindest im Vergleich zu den bereits in Europa geführten Fällen nicht. In den USA ist sie allerdings praktisch seit Microsoft das erste große Antitrust-Verfahren gegen einen Technologiekonzern. Google steht (wie auch Apple, Amazon und Facebook) seit geraumer Zeit im Fokus der amerikanischen Politik. Daher darf das weitere Verfahren mit Spannung erwartet werden.

Voraussichtlich werden sich zudem noch weitere (auch demokratische) State Attorney Generals dem Verfahren anschließen. Wer weiß, vielleicht kann ja das Kartellrecht sogar dazu beitragen, dieses so tief gespaltene Land wieder zu einen.

Bis zu einem Urteil (oder einer Einigung) müssen wir uns allerdings wohl noch etwas gedulden. Im Fall Microsoft dauert es von Einreichen der Klage bis zur Einigung etwa drei Jahre, bei AT&T waren es vier.

Johannes Persch, LL.M. (Chicago) ist Rechtsreferendar am Landgericht Düsseldorf und wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Wirtschafts- und Arbeitsrecht (Professor Kainer) an der Universität Mannheim.

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