SSNIPpets (40): European Competition Days

SSNIPpets (40): European Competition Days

An manchen Tagen weiß der Kartellrechtler gar nicht, wohin er zuerst schauen soll, so viel passiert. Das geht Rupprecht Podszun nicht anders. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Richtigkeit oder Lustigkeit hat er notiert, was ihm in letzter Zeit in der wunderbaren Welt des Wettbewerbs aufgefallen ist. Hier sind seine SSNIPpets – small but significant news, information and pleasantries – unser pet project!

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen

Ist dies ein guter Tag, um SSNIPpets zu versenden? Vor 60 Jahren gründete sich auf der Erdölkonferenz von Bagdad die OPEC, das berüchtigte Kartell der erdölexportierenden Staaten. Die immer hörenswerte Sendung ZeitZeichen im WDR spießte dieses Jubiläum 15 Minuten lang auf. Und höre da: Das Kartell war die Bildung von Gegenmacht gegen die „Seven Sisters“! Die sieben Schwestern waren die Ölkonzerne, die die Erdöl-Länder ausnahmen, indem sie – so wird es berichtet – in verschlafenen schottischen Dörfern ihre Strategien absprachen „regardless of the antitrust law“, wie der ewige saudische Ölminister Ahmed Zaki Yamani im Beitrag indigniert feststellt. „The oil companies acted like a state within the state”, so Zamani.

Und damit zur Plattformökonomie (ohne dass ich mich hier der verfemten Analogie von „data is the new oil“ schuldig machen will).

Next level competition law

Das neue deutsche Kartellrecht soll ja eine Art „Next-Level-Competition-Law“ werden, und jetzt hat es auch die nächste Stufe in einem wahrlich mühsamen Gesetzgebungsprozess erreicht. Fast acht Monate, nachdem der Referentenentwurf offiziell vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt wurde, und rund ein Jahr, nachdem wir ihn hier bei D’Kart geleakt hatten, wurde selbiger in einen „Kabinettsentwurf“ verwandelt. Das bedeutet: Jetzt trägt das ganze Bundeskabinett diesen Entwurf mit, also neben Peter Altmaier finden auch so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Dr. Andreas Scheuer oder Dr. Franziska Giffey das Ding „dufte“ (wie man wohl in Berlin sagt).

Ist durchs Kanzleramt gegangen: GWB10 macht sich auf Richtung Parlament.

Nicht böse sein, liebe Frau Justizministerin Lambrecht, dass wir Sie in diese Mini-Minister-Liste nicht aufgenommen haben, aber ein klein wenig grollen wir noch, dass dieser wichtige Entwurf vom Bundesjustizministerium offenkundig über Monate hinweg blockiert wurde. Das war umso grotesker, als die Forderungen im #GWB10 großen Forderungen der SPD in ihrer großen nichtganzsokleinen Zeit nahe kommen.

Wes Brot ich ess…

Schwamm drüber. Jetzt brauchen wir die SPD nämlich, um den Entwurf möglichst unfallfrei durchs Parlament zu bringen. Die Lobby-Aktivitäten setzen ein, dem Vernehmen nach sind die GAFA-Konzerne wach geworden und schwärmen zu den Bundestagsabgeordneten aus, um ihnen Gemeinheiten wie § 19a GWB-E noch auszureden.

Schön wäre es, wenn beim einsetzenden Lobbying die Regeln des Anstands gewahrt bleiben. Nur ein Beispiel: Wenn Sie kürzlich in der FAZ einen Standpunkt eines emeritierten Professors namens Degenhart gelesen haben, der bezweifelt, dass § 19a GWB-E verfassungskonform ist, dann sollten Sie auch wissen, dass er für das Vertreten dieser Meinung von Amazon beauftragt wurde. Ich vermute, dass er die 44 Seiten Gutachten, deren Kurzfassung nun in der FAZ stand, eher nicht kostenlos (oder bloß gegen Preisgabe von Daten) erstellt hat. Dagegen ist erst einmal nichts einzuwenden. Aber: Transparenz, bittschön! In der FAZ-Autorenzeile war vom Auftraggeber nichts zu lesen, die Redaktion hatte, so unterstelle ich, keine Ahnung von dieser Zweitverwertung. Nach heutigen Standards in der Wissenschaft ist das ein grobes Foul. Diese Standards wurden im Kartellrecht übrigens etabliert, nachdem die GAFAs in den USA im großen Stil Wissenschaft gekauft hatten. Die Tabakindustrie lässt husten grüßen!

Neues im Regierungsentwurf

Zur Sache: Im Kabinettsentwurf, den Sie hier abrufen können, gibt es – im Vergleich zu den bisher bekannten Entwürfen – einige Neuerungen:

  • Der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten wird als Marktmachtmerkmal eingefügt in § 18 Abs. 3 als Nr. 3 GWB.
  • In § 19a Abs. 2 GWB-E und § 20 Abs. 1 GWB-E werden einige kleinere Korrekturen in den Formulierungen vorgesehen – aus meiner Sicht sprachliche Sachen.
  • In der Fusionskontrolle wird nicht nur – wie vorgesehen – die 2. Inlandsumsatzschwelle von 5 auf 10 Mio. Euro hochgesetzt, sondern auch die 1. Inlandsumsatzschwelle von 25 auf 30 Mio. Euro.
  • Was bislang als § 81o GWB-E (echt! O wie obsessiv!) vorgesehen war, ein Paragraph zu besonderen Ermittlungsbefugnissen, rutscht nach hinten als § 82b.
  • Neugefasst wird die „Remondis“-Klausel in § 39a GWB-E (dazu sogleich).
  • Auch im Wettbewerbsregistergesetz gibt es Änderungen.

Sonst ist uns bei Durchsicht nichts aufgefallen. Sicher? Ach, Moment! Wen haben wir denn da? In § 186 Abs. 9 GWB-E hat die Bundesregierung noch etwas eingefügt. Merke: Wer so weit hinten im Gesetz etwas im 9. Absatz einer Norm unter der Überschrift „Übergangsbestimmungen“ versteckt, hat ein schlechtes Gewissen. Und das mit Recht.

Dort heißt es jetzt:

„(9) Die §§ 35 bis 41 sind nicht anzuwenden auf einen Zusammenschluss im Krankenhausbereich, soweit …“

Die folgenden vier Ziffern fasse ich mal freundlicherweise für Sie wie folgt zusammen:

„…die Landespolitik das will.“

Es ist in Wirklichkeit etwas komplizierter und wird abgewickelt über Bürokratiemonster mit klangvollen Namen wie „Krankenhausfinanzierungsgesetz“ oder „Krankenhausstrukturfonds-Verordnung“, aber effektiv dürfte die Konsolidierung des Krankenhaussektors nun ungebremst von der 3. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts voranschreiten, zumindest bis 2025 und soweit die Landeskrankenhausplaner das für richtig halten.

Vor Corona gab es ja durchaus viele Stimmen, die die Fusionskontrolle im Krankenhaussektor für zu streng hielten und die sich in manchen Bereichen eine Konsolidierung wünschten. Inzwischen hat man gelernt, dass das Aufrechterhalten dezentraler Strukturen im Gesundheitswesen auch seine Vorteile hat. Der Unmut über geplatzte Fusionen ist jedoch wohl weiterhin groß genug, um eine Ausnahme für Krankenhäuser von der Fusionskontrolle einzufügen. Es bedarf keiner Erwähnung, dass ich solche Ausnahmevorschriften wagemutig finde – aus vielen verschiedenen Gründen. Ich bin dabei gar kein Hardliner, die Krankenhausfusionskontrolle scheint mir auch zu weit gegangen zu sein (wenn auch voll auf der Linie von Gesetz und Rechtsprechung). Es hätte aber aus meiner Sicht elegantere Wege gegeben, als diese Ausnahme.

Fusionskontrolle (oder auch nicht)

Als der Referentenentwurf im Januar herauskam, war die Überraschung groß, dass ein neuer Aufgreiftatbestand für die Fusionskontrolle geschaffen wurde. Anlass für diese sog. „Remondis-Klausel“ war, dass es offenbar in der Entsorgungswirtschaft in manchen Branchen zum flächendeckenden Aufkauf kleiner Wettbewerber kommt. Die Umsatzschwellen des § 35 GWB werden regelmäßig nicht erreicht. Sehenden Auges muss das BKartA bei einer derartigen Marktstruktur hinnehmen, dass sich Monopolisten bilden, ohne dass die präventive Fusionskontrolle greift. Die Lösung sollte ein Aufgreiftatbestand sein, nach dem das Amt einzelne Unternehmen verpflichten kann, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen alle Zusammenschlüsse anzumelden.

Remondis at work.

Diese Voraussetzungen sind nun erheblich verschärft worden.

Alt (RefE):

  • weltweite Umsatzerlöse von 250 Mio. Euro;
  • Anhaltspunkte, dass durch weitere Zukäufe der Wettbewerb im Inland eingeschränkt werden kann.

Neu (RegE):

  • weltweite Umsatzerlöse von 500 Mio. Euro;
  • objektive Anhaltspunkte, dass durch weitere Zukäufe der Wettbewerb im Inland erheblich behindert werden könnte;
  • Anteil des betroffenen Unternehmens an Angebot oder Nachfrage in den relevanten Wirtschaftszweigen von 15 %;
  • zuvor Durchführung einer Sektoruntersuchung.

Der Unterschied zwischen f (RefE) und g (RegE) ist wie der Unterschied zwischen fastalles und garnichts. Eine vorherige Sektoruntersuchung? Dann warten wir erst einmal drei Jahre bis zum Fall 1 – oder ist für den case in point Remondis die 2012 abgeschlossene Prüfung zum Dualen System noch im Rahmen von „zuvor“? [Später ergänzt: Siehe dazu den Kommentar unten!] Der andere für § 39a GWB-E gelegentlich angeführte Beispielsfall Flixbus/Postbus, den das Kartellamt zu seinem Verdruss nicht prüfen konnte, wäre womöglich schon an der Umsatzschwelle gescheitert, von einer vorherigen Sektoruntersuchung ganz zu schweigen.

Gespannt bin ich auf die neuartige Feststellung des Anteils in den betroffenen Wirtschaftszweigen. Das ist der Durchbruch (und ich weiß noch gar nicht, ob ich das ironisch meine oder nicht): Bye-bye Marktabgrenzung! Ich freue mich schon auf den ersten § 39a-Fall – so es je einen geben wird.

Fusionskontrolle (jetzt aber echt)

Margrethe Vestager, deren Generaldirektion Wettbewerb derzeit um Reformvorschläge ja nicht verlegen ist, hat sich für die Fusionskontrolle auch etwas Neues ausgedacht. Die KOM leidet ja darunter, dass sie an manche Fälle nicht herankommt. Das ließe sich wohl mit einer Transaktionsvolumenschwelle beheben, die etwa den ein oder anderen GAFA-merger ins Blickfeld rücken würde.

Margrethe Vestager will Fälle.

Problem: Dazu müsste man die FKVO ändern. Folgeproblem: Dann kommt noch jemand auf die Idee, etwas in diese Verordnung zu schreiben, was da nun wirklich nicht hereingehört, z.B. eine Art Ministererlaubnis für European Champions (horribile dictu).

Ausweg: Vestager hat noch einmal durch die FKVO blättern lassen und man ist an Art. 22 hängengeblieben. Es geht darin, as you will surely remember, um die Verweisung von den Mitgliedsstaaten an die Kommission, damit im Rahmen der „Feinsteuerung“ der Fallverteilung auch mal Fälle von Brüssel geprüft werden, die nicht die Schwellen des Art. 1 FKVO erreichen, aber halt besser zentral geprüft werden. Soweit, so vernünftig.

Der Clou dieser Vorschrift steckt in Abs. 1 Satz 2: Der Fall muss im Mitgliedsstaat gar nicht anmeldepflichtig sein. Wie bitte? Ja, genau. Mitgliedsstaaten können Fälle an die Kommission schicken, die weder auf EU-Ebene, noch auf nationaler Ebene anmeldepflichtig sind. Hintergrund dieser sog. „niederländischen Klausel“ ist, dass es bei Einführung der FKVO noch Länder gab, die keine eigenen Fusionskontroll-Regimes hatten und damit quasi auf Brüsseler Amtshilfe angewiesen waren. Das trifft heute nur noch auf Luxemburg zu. Sogar Markus Wagemann, führender Kartellbeamter im BKartA, der die Vorschrift in Wiedemanns Handbuch des Kartellrechts kommentiert, schreibt dazu:

„Darüber hinaus Fälle einzubeziehen, die unterhalb bestehender nationalen Eingriffsschwellen liegen, überzeugt nicht, da sowohl die Entstehungsgeschichte als auch der Zweck der Norm – eine „Feinsteuerung“ der Zuständigkeitsverteilung zwischen Kommission und Mitgliedsstaaten in einem System mit grundsätzlich festen Umsatzschwellen (Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO) – dagegen sprechen.“ (§ 17 Rn. 163)

Vestager sieht das jetzt wohl anders, und sie wird den „small issue“ (ihre Diktion) aus der Welt schaffen, dass die Kommission bislang derartigen Verweisen abweisend gegenüber stand. Bis Mitte nächsten Jahres soll es guidance geben, welche Fälle die Kommission gern vorgelegt bekäme auf Antrag annehmen würde.

Wettbewerb der Wettbewerbskonferenzen

Andreas Mundt eröffnet die ICN-Konferenz 2020.

Während ich dies schreibe, höre ich mit einem Ohr der ICN-Konferenz zu, die als globales Meeting der Wettbewerbsbehörden online übertragen wird. ICN steht für International Competition Network, ein Forum, in dem sich Andreas Mundt und seine Kolleginnen und Kollegen treffen. Hier finden Sie den Link zur virtuellen Konferenz, die noch bis Donnerstag, 17.9.2020, Show bietet.

Und da ich gerade bei den Veranstaltungshinweisen bin: Am Donnerstagvormittag spreche ich im WuW-Dialog mit Peter Meier-Beck, dem Vorsitzenden des BGH-Kartellsenats über Facebook, das FRAND-Urteil und andere Aktualitäten. Besonders nett: Die Online-Teilnahme (a) kostet kein monetäres Entgelt und (b) Sie dürfen Fragen stellen, die ich dann vorlese. Den Link zur Registrierung finden Sie hier.

Soll ich jetzt auch noch auf den European Data Summit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin hinweisen? Da gibt es auch ein „packed programme“, bei dem sich z.B. Oliver Bethell (Google) und Andreas Schwab (EU-Parlament), Ben Schroeter (Booking) und Silke Hossenfelder (Bundeskartellamt) treffen. (Ich bin auch am Start, im Team mit Philip Marsden, daher ist das hier ein weiterer Fall von self-preferencing). Leider überschneidet sich der European Data Summit teilweise mit der Professorentagung des Bundeskartellamts. Manchmal ist dieser Wettbewerb anstrengend.

European Competition Day

Der European Data Summit ist nicht zu verwechseln mit dem European Competition Day, den das Bundeswirtschaftsministerium kürzlich als Teil der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ausrichtete (Videos hier, Programm zum Danebenlegen und Vorspulen hier). Beim #ECD2020 trafen sich Peter Altmaier und Margrethe Vestager, als Puffer zwischen beiden war meine Wenigkeit vorgesehen. Seit der Siemens/Alstom-Geschichte hat Altmaier in Brüssel offenbar nicht das Image, ein Champion des freien Wettbewerbs zu sein. Das Image wurde durch die intensiven Verhandlungen zu den Lufthansa-Slots, die Staatssekretär Ulrich Nussbaum und Generaldirektor Olivier Guersent führten, nicht besser. In Berlin blieb der für Wettbewerb zuständige Minister mit der für Wettbewerb zuständigen Kommissarin auf Distanz, trotz meiner Annäherungsversuche. Aber in Corona-Zeiten ist für engere Schulterschlüsse eben kein Platz. Die Abstände in der Sitzgruppe wurden eigens mit einem harten Holzstock vermessen, nachdem wir gewagt hatten, die Stühle etwas versöhnlicher auf der Bühne auszurichten.

Corona-Sicherung im Ludwig-Erhard-Saal des Bundeswirtschaftsministeriums.

In einem weiteren, kaum minder prominent besetzten Panel ging es um das Anti-China-Tool der Kommission, also genauer: um das White Paper, das Maßnahmen gegen solche Unternehmen vorschlägt, die staatlich gepampert sind (Stichwort: „level playing field“ für europäische Unternehmen mit chinesischen Unternehmen). Das Panel mit Carles Esteva Mosso von der KOM, dem Chef-Policymaker Philipp Steinberg aus dem BMWi, Michiel Boots, Chief Economist des niederländischen Wirtschaftsministeriums, und Alicia Garcia-Herrero, Bruegel-Expertin für Asien war sich einig: Wir müssen etwas tun. Die practicalities eines solchen Instruments scheinen jedoch noch nicht klar – wer prüft, nach welchen Maßstäben, mit welchen Sanktionen?

Der Aufschlag der Kommission im White Paper wirkt wie eine große Familienzusammenführung nach all den Divergenzen rund um die Siemens/Alstom-Untersagung. Alle Europäer mögen es, wenn die Zügel für die Vertreter des chinesischen Staatskapitalismus angezogen werden. Im Raum saßen passenderweise auf schön auseinander gestaffelten Stühlen u.a. die Chefin der portugiesischen Autoridade da Concorrência, Margarida Matos Rosa, und ihr Kollege vom rumänischen Consiliul Concurenţei, Chiriţoiu Bogdan. Ob diese Familie noch zusammenhält, wenn China im Gegenzug zurückschlägt, wird sich zeigen.

Platform Panel, Corona Panel, Decken-Paneel

Dem Panel zu Plattformen (Cambridge-Ökonomin Diane Coyle, Facebook-Anwalt Michael Esser, Anti-Big-Tech-Anwalt Damien Geradin und Apple-Anwältin Kristina Nordlander als Moderatorin) gingen drei bemerkenswerte Ansprachen voraus: Zunächst beschwor Bruno Le Mair, der französische Wirtschaftsminister, in harten, wohlgesetzten Worten den Kampf gegen die „Gatekeeper“ aus dem Silicon Valley und leider auch die Notwendigkeit von „industrial champions“. Obwohl das nur via Video kam, war das très énergique. Außerdem traten Tim Milde und Jörg Hellwig auf, zwei „Chiefs“ aus den Unternehmen XOM und Lanxess. Sie stellten ihre B2B-Handelsplattformen vor. Gefiel mir sehr gut. Überhaupt bräuchten wir mehr Vorträge aus der Business Community auf unseren Konferenzen!

Klare Ansage: Wenn diese B2B-Marktplätze Erfolg haben sollen, dann müssen kartellrechtliche Prüfungen schnell gehen und rechtssicher sein (so übersetzte es Michael Esser für uns Juristen). Einer der beiden Digitalos sagte sinngemäß: Es wäre einfach super, wenn wir eine klare Checkliste hätten, die wir abarbeiten könnten. Ich fürchte, es wird ihnen jemand sagen müssen, dass Jura anders ist…

Hängen blieb insbesondere der Satz von Diane Coyle, die etwas sagte, was Michael Esser (und ich) so verstanden: Werbung als Geschäftsmodell ist nicht per se gut, wir müssten unsere wettbewerbliche Neutralität aufgeben. Als Esser Diane Coyle damit konfrontierte, dass die Agnostik des Kartellrechts erhalten bleiben müsse, meinte sie, das habe sie so nicht gemeint. Ich hatte den Eindruck, dass in diesem Punkt Musik drin steckt. Jedenfalls mehr Musik als in der alten Platte, dass wir auch einmal dachten, dass AOL… Michael Esser legte diesen Evergreen der GAFA-Verteidigung noch einmal auf, aber Damien Geradins Blick in diesem Moment war auch meiner: Er ging zur Decke.

Dort sah ich das Logo der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Es ist ein Möbiusband. Darüber dachte ich viel nach, auch als im letzten Panel zu „Wettbewerb und die Pandemie-Bekämpfung“ die Behördenleiter Olivier Guersent (EU), Andreas Mundt und Cani Fernández (Spanien) sprachen. Bekenntnisse zur guten, aber schwierigen Arbeit in den Wettbewerbsbehörden, Bekenntnisse zur Rückkehr zur Marktwirtschaft, zu eher strengerem als lässigerem Enforcement und zur Rückkehr der Dawn Raids.

Warum nun hatte sich Deutschland dieses Möbiusband-Logo gegeben? Solche Fragen überlasse ich gern dem genialen Designtagebuch.

Personalien

Der Kartellrechtler Daniel Zimmer hatte das Möbiusband für seinen Krimi verwendet, den wir hier mal besprochen hatten. Im selben Posting hatten wir ein Buch von Achim Wambach und Hans Christian Müller rezensiert. Wambach teilt mit Zimmer nun auch die Eigenschaft, dass er einmal Vorsitzender der Monopolkommission war. Wambachs Amtszeit als Chef der Mopoko ist regulär geendet (das hat er nicht gemein mit Daniel Zimmer, der sein Amt niederlegte aus Protest gegen eine Ministererlaubnis). Von Wambach übernimmt Jürgen Kühling, der als Professor in Regensburg vor allem das Regulierungsrecht beackert, und der schon bislang Stellvertreter von Wambach war (der wiederum weiterhin in der Mopoko bleibt). Wambach nimmt seinen Abschied zum Anlass, um in mehreren Stationen auf Twitter zurückzublicken.

Genug für heute. Halten Sie Abstand – und zusammen. Bis demnächst!

Rupprecht Podszun, der Autor der SSNIPpets, ist einer der Direktoren des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht. Soeben ist von ihm das Gutachten zum Deutschen Juristentag 2020/2022 erschienen: „Empfiehlt sich eine stärkere Regulierung von Online-Plattformen und anderen Digitalunternehmen?“

5 Gedanken zu „SSNIPpets (40): European Competition Days

  1. Zu dem neuen § 39 a: Das Amt hat ja vor ziemlich genau zwei Jahren die Sektoruntersuchung Hausmüllentsorgung begonnen. Auch wenn nicht so richtig klar ist, wie lange es noch bis zum Abschluss dauert, ist die Notwendigkeit einer vorherigen Sektoruntersuchung vielleicht doch nicht so eine hohe Hürde….

  2. Zum Degenhardt-Artikel in der FAZ: Leidlich gerechte Empörung, wobei es ja nicht unzulässig ist, sich auch mit einem bezahlten Gutachten inhaltlich auseinanderzusetzen.

  3. Vielen Dank für die schöne Zusammenfassung der aktuellen Ereignisse!
    Und vielen Dank auch, dass Sie hier Transparenz zum Artikel von Professor Degenhart schaffen. Laxer Umgang mit Transparenz scheint leider unter Rechtswissenschaftlern zuzunehmen. Im Cum-Ex-Komplex gab es offenbar reihenweise Fälle, in denen Professoren Auftragsartikel verfasst haben, ohne dies offenzulegen. Auch im Dieselgate-Komplex gab es wohl viele solcher Fälle. Und ich denke hier auch an den Aufsatz von Professor Rixen zur Impfpflicht nach dem Masernschutzgesetz (NJW 2020, 647). Dort hält Professor Rixen die Impfpflicht für verfassungsrechtlich bedenklich, aber es wird nirgends erwähnt, dass er Impfgegner vor dem Bundesverfassungsgericht in eben dieser Sache vertritt.
    Insgesamt finde ich es recht bedenklich, Auftragsgutachten von Professoren zu veröffentlichen. Denn es wird dem betreffenden Professor schwer fallen, von dieser Auffassung in späteren Veröffentlichungen wieder Abstand zu nehmen, wenn ihn nicht mehr der Auftraggeber, sondern der Staat bezahlt — und Wissenschaftsfreiheit gewährt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert