Conference Debriefing (16): Die 10. GWB-Novelle beim 6. Berliner Kolloquium des FIW

Conference Debriefing (16): Die 10. GWB-Novelle beim 6. Berliner Kolloquium des FIW

Während das Team von D’Kart noch Päckchen für die dritte Ausgabe des Antitrust Advent Calendar packt, der am 1.12. beginnen wird, geht andernorts die Diskussion um die 10. GWB-Novelle weiter, z.B. in Berlin, wohin das FIW geladen hat, um die Pläne hochrangig zu diskutieren. Florian Bien war dabei.

Veranstaltung: 6. Berliner Kolloquium des FIW, des Forschungsinstituts für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb.

Anlass und Thema: Die bevorstehende 10. GWB-Novelle.

Diskussionsgrundlage: Die vorläufige Fassung des immer noch nicht offiziell veröffentlichten Referentenentwurfs, den D’Kart der Kartellrechtsgemeinde enthüllt hat und den Bechtold schon einmal ein wenig aufbereitet hat (NZKart 2019, 624 ff.).

Ort & Zeit: Räumlichkeiten des BDA im Haus der Deutschen Wirtschaft, Berlin (nahe dem Roten Rathaus), 27.11.2019

Diskutanten: Dr. Philipp Steinberg (BMWi), Andreas Mundt (BKartA), Prof. Achim Wambach (ZEW, Monopol­kommission, Kommission 4.0), die wettbewerbspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, Dr. Matthias Heider, und Bündnis 90/Grüne, Katharina Dröge, und ein interessiertes Publikum, das sich aus rund 70 Unternehmensvertretern, Rechtsanwälten, ökonomischen Beratern und Wissenschaftlern (m/w/d) zusammensetzte.

Diskussionsleitung: Block 1 (Digitalisierung): Dr. Joachim Lang (BDI); Block 2 (ECN+, Fusionskontrolle, Kooperationen, Schadensersatz): Dr. Angelika Westerwelle (FIW).


Ist mit #GWB10 Deutschland nun in die Hände der Antitrust Hipster gefallen?

In seinem engagierten Eingangsstatement warnte Lang vor zu viel Aktivismus der „Antitrust Hipster“, die sich nach Jahren des ordnungspolitischen Laissez-faire nunmehr an den rabiaten Methoden der 20er Jahre orientieren wollten. (Gemeint war vielleicht das Entflechtungsurteil des US Supreme Court Urteil Standard Oil Co. of New Jersey v. United States, 221 U.S. 1 [1911]). Lang prognostizierte mehr Schaden als Nutzen für die Wirtschaft, die von einem Overkill (den Begriff hat er nicht verwendet) an Regulierung ausgebremst zu werden drohe.


Dabei gab es ja viele „Gesetzgeber“…

Steinberg nannte nicht nur die Vorarbeiten der Kommissionen Schweitzer/Haucap/Kerber/Welcker oder der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 als wichtige Inspirationsquellen des Entwurfs. Darüber hinaus lobte er ausdrücklich auch die gute Zusammenarbeit seiner Abteilung mit dem Bundes­kartellamt. Tatsächlich erweckte der Kartellamtspräsident im Laufe der Diskussion manchmal den Eindruck, Urheber des Entwurfs sei seine Behörde. Wie sich zeigte, haben auf dieser informellen Ebene aber u. a. auch schon die spezialisierten Abgeordneten der Regierungsparteien Einfluss auf den Inhalt genommen. Die verzögerte Veröffentlichung des Referentenentwurfs schob Steinberg den Kollegen vom BMJV in die Schuhe, die sich möglicherweise für die Blockade des Entwurfs für ein Verbandssanktionengesetz („Unternehmensstrafrecht“) durch das BMWi revanchierten.


Zum Inhalt: Revolution oder nur Klarstellungen?

Als Globalziel des „Digitalisierungspakets“ im GWB nannte Steinberg die Verbesserung des Marktzugangs für KMU. Bei den meisten Änderungen, etwa der expliziten Aufnahme von Daten in den Tatbestand der Essential Facilities Doktrin (§ 19 II Nr. 4 GWB), handle es sich eher um Klarstellungen als um echte Revolutionen. Entsprechendes gelte für das nunmehr ausdrücklich normierte Konzept der Intermediationsmacht (neben der Angebots- und Nachfragemacht) als einem zusätzlichen Kriterium für die Feststellung von Marktmacht. Das Bundeskartellamt habe viele der legislativen Neuerungen schon jetzt genutzt. Hervorzuheben sei, dass aufgrund der Streichung des Merkmals „KMU“ in § 20 I GWB zukünftig auch große Unternehmen gegenüber relativer Marktmacht geschützt seien. Gedacht ist hier wohl an Verhaltensweisen wie ein nachteiliges Ranking oder gar De-Listing von missliebigen Anbietern durch starke Plattformen.

Auch Mundt sah in den Neuregelungen weniger einen revolutionären als vielmehr einen evolutionären Schritt. In der Vergangenheit hätten sich manche Klarstellungen allerdings als ausgesprochen hilfreich erwiesen. Wohl in Anspielung auf den Beschluss des OLG Düsseldorf in Sachen Hotelbuchungsplattformen vom 9.1.2015 erinnerte er an die Regelung § 18 IIa GWB 2017 und den im Vorfeld bis zum BGH geführten Streit über die Frage, ob Märkte, auf denen kein monetäres Entgelt fließt, in den Anwendungsbereich des Kartellrechts fallen.

Auch könne man kaum von einem nationalen Alleingang sprechen. Vielmehr handle es sich bei den deutschen Diskussionen um einen wichtigen Beitrag im europäischen und internationalen Konzert vergleichbarer Reformbemühungen. Ideenwettbewerb ist nach Ansicht Mundts hier besonders wichtig. So sei davon auszugehen, dass sich das europäische Kartellrecht in der Zukunft auf der Grundlage verschiedener nationaler Erfahrungen und Experimente fortentwickeln werde.

Das hochkarätig besetzte Podium: Philipp Steinberg, Andreas Mundt, Joachim Lang, Achim Wambach, Katharina Dröge, Matthias Heider (v.l.n.r.)


Wir haben ja nun schon einige Fälle gesehen!

Für Mundt besteht das Kernproblem in der Frage, wie die Kartellbehörden dieser Welt einen echten Impact schaffen können. Trotz „schöner und guter Verfahren“ in Bonn, Paris und anderswo habe sich, das räumte Mundt selbstkritisch ein, noch kein rechter Erfolg eingestellt. Mundt vermied es, mögliche Bremser (1. Kartellsenat in einer für das Kartellrecht wichtigen deutschen Stadt am Rhein?) zu nennen.

Einen wesentlichen Vorteil des Entstehungsprozesses der 10. gegenüber der 9. GWB-Novelle sieht Mundt darin, dass der Gesetzgeber diesmal auf der Erfahrung praktischer Fälle aufbauen könne. Hierauf bezog sich wohl die Warnung Wambachs, wonach eine „Fallzahl 1“ der Empirie nicht zugänglich sei und man sich bewusst sein müsse, dass man bei der Diskussion spezifischer (abstrakt-genereller!) Regelungen stets den einen historischen Fall im Kopf habe.


Revolution: GAFAM wird zu UmümB – Alle lieben den neuen § 19a?

Einigkeit bestand auf dem Podium jedenfalls in diesem Punkt: Wirklich neu, ja vielleicht revolutionär sind die in § 19a GWB-E eingeführte Kategorie des „Unternehmens mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ (im Folgenden: UmümB, auch wenn der Begriff in Berlin nicht gebraucht wurde) und die mit den entsprechenden Feststellungen (Abs. 1) und Anordnungen (Abs. 2) des Bundeskartellamts verbundenen besonderen Verhaltenspflichten. Steinberg und Mundt verwiesen auf entsprechende Überlegungen im Furman-Report und in dem von Crémer/de Montjoye/Schweitzer im Auftrag der Wettbewerbskommissarin erstellten Bericht. Dort wird von Unternehmen mit „strategic market status“ bzw. „platforms as regulators“ gesprochen.

Das Verfahren sei zweistufig ausgestaltet: In einem ersten, selbstverständlich anfechtbaren Verwaltungsakt stellt das Amt anhand von fünf Regelbeispielen die Anwendbarkeit der Norm auf ein bestimmtes Unternehmen – Steinberg denkt an den exklusiven GAFAM-Kreis – fest. In einem zweiten Schritt können dann die besonderen Verhaltenspflichten, etwa das Verbot der Verhinderung von Datenportabilität, greifen. Dafür muss das Bundeskartellamt in einem weiteren Verwaltungsakt entsprechende Untersagungen für die Zukunft (also „ex nunc“) aussprechen. Eine rückwirkende Kontrolle (ex tunc) scheide auf Basis von § 19a GWB aus. Diesen Unterschied zur klassischen Missbrauchsaufsicht hält Mundt für besonders wichtig.

Vermutlich werden die beiden Verfügungen in den meisten Fällen zeitlich zusammenfallen (das gestattet § 19a Abs. 2 S. 4 GWB-E auch ausdrücklich). Es ist schwer vorstellbar, dass das Amt prophylaktisch eine überragende marktübergreifende Markt­stellung feststellt, ohne damit zugleich auch bestimmte Verhaltensvorgaben zu verknüpfen. Das wäre aus Sicht der Behörde wohl allenfalls dann sinnvoll, wenn man sich zunächst vom OLG Düsseldorf bescheinigen lassen möchte, dass man es wirklich mit dem richtigen target zu tun hat.


Finden Heider und Wambach diesen Eingriff eigentlich auch gut?

Mundt sprach von „Kartellrecht Plus“ oder auch „kartellrechtsnaher Regulierung“, ein Begriff, der Heider gut gefiel. Heider betonte in diesem Zusammenhang, dass man sich bewusst für die kartellrechtliche Verankerung und gegen eine Regulierung von Plattformen durch AGB-, Datenschutz- oder Verbraucherschutzrecht entschieden habe. Mundt treibt natürlich die Frage um, wie seine Behörde mit dieser zusätzlichen, regulierungsähnlichen Aufgabe bei unverändertem Personalbestand überhaupt fertigwerden soll.  

Auch Wambach bestätigte Handlungsbedarf angesichts der Marktmacht von GAFAM. Der Hinweis auf ihre Machtstellung bedrohende, jederzeit mögliche disruptive Innovationen („Yahoo-Effekt“) könne heute nicht mehr überzeugen und werde allenfalls noch in der Marketingabteilung von Google propagiert.

Während Heider die den UmümB eingeräumte Möglichkeit betonte, sich mit Verweis auf einen sachlichen Rechtfertigungsgrund gegenüber bestimmten in § 19a II GWB-E aufgezählten Verhaltensanforderungen zu verteidigen, erinnerte Mundt an die in § 19a II 3 GWB-E geregelte Beweislastverteilung: Ein non-liquet geht hier zulasten des UmümB.


In § 19 I GWB soll künftig „Missbrauch“ statt „missbräuchliche Ausnutzung“ stehen.

Das hält Wambach für nicht unproblematisch. Den Entwurfsverfassern geht es augenscheinlich darum, das Erfordernis der Kausalbeziehung zwischen Marktbeherrschung und Missbrauch zu entschärfen, vielleicht ganz entfallen zu lassen. In Anspielung auf die Facebook-Entscheidung des Bundes­kartellamts erinnerte Wambach an das sog. privacy paradox. Wambach folgert, dass das Kartellrecht manchmal gar nichts ausrichten könne. Gemeint ist wohl: Verbraucher, die zwar beteuern, sich um den Schutz ihrer Privatsphäre zu sorgen, sich tatsächlich aber nicht wirklich darum kümmern (die Facebook-AGB nämlich gar nicht zur Kenntnis nehmen), kann auch effektiver Wettbewerb nicht vor Eingriffen in ihre Privatsphäre bewahren. Das glaube ich nicht (siehe schon hier). Wambach jedenfalls plädierte für ein neu einzuführendes „Spürbarkeitskriterium“, mit dem der Anwendungsbereich der Missbrauchsaufsicht eingeschränkt werden könnte.

Dr. Daniel Fülling vom BMWi (als Vertreter Steinbergs, der zwischendurch einen Besprechungstermin mit seinem Minister wahrnehmen musste und mit der Andeutung zurückkam, so schnell werde es Anhörungen zur 10. GWB-Novelle wohl nicht geben) betonte jedenfalls, die ausdrückliche Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf im Facebook-Fall in der Begründung dürfe nicht missverstanden werden. Die Entwurfsverfasser hätten sich schon vor Bekanntwerden der Entscheidung dafür ausgesprochen, den Wortlaut zu ändern. Ihnen sei es um eine Angleichung an das EU-Recht gegangen. Damit muss wohl die Praxis der Luxemburger Gerichte gemeint sein, weil Art. 102 AEUV genauso wie die aktuelle Fassung von § 19 I GWB von „missbräuchlicher Ausnützung“ und nicht lediglich von „Missbrauch“ spricht.


Die unerfüllten Wünsche der Antitrust Hipster

Heider leitete sein Statement (wohl mit dem Ziel, die anwesenden Unternehmensvertreter zu beruhigen) mit der vielsagenden Bemerkung ein, man habe „viele der Vorschläge, die in der Diskussion gewesen seien“, aus dem Referentenentwurf herausgehalten, blieb hier nähere Angaben aber schuldig. Man kann leicht vermuten, dass sich auf der Wunschliste der von Lang eingangs zitierten Antitrust Hipster u. a. ein Verbot sog. Killer Acquisitions und ein Enflechtungsinstrument befunden hatte. Mundt gab zu Protokoll, dass er Sympathien für eine nachträgliche Fusionskontrolle in bestimmten Fällen hege, räumte zugleich ein, mit dieser Ansicht ziemlich allein im Amt dazustehen.


„Digitalisiertes“ GWB als neuer deutscher Exportschlager?

Um die Notwendigkeit der deutschen Kartellrechtsnovelle mit ihren Neuerungen im Bereich der digitalen Ökonomie zu unterstreichen, bemühte Heider das Bild des „Transrapid-Effekts“: Um im Ausland Erfolg haben zu können, müsse sich ein neues Produkt zunächst einmal im Inland bewähren.

Darüber hinaus verwies Heider (wiederum fällt mir keine bessere Charakterisierung ein als: vielsagend) auf die Möglichkeit zukünftiger Handelskonflikte mit den USA und bemerkte, es sei ein „interessanter Nebeneffekt“, dass die neu geschaffenen Instrumente es dem Amt ermöglichten, gerade auch gegen US-amerikanische Unternehmen vorzugehen.

Der Ort des Kolloquiums war das Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin.


Eijeijei,

murmelt mein Kollege Rupprecht Podszun und will wissen: 

Gab es auch Kritik am Entwurf? Immerhin war doch eine Oppositionspolitikerin auf dem Podium?

Katharina Dröge von den Grünen zeigt sich angenehm überrascht von dem (unveröffentlichten) Entwurf aus dem Hause eines Ministers, den sie bislang nicht gerade als „Freund des Kartellrechts“ kennengelernt habe. Der Text gehe in die „richtige Richtung“, ja sei „grundsätzlich brauchbar“.


Brauchen wir wirklich eine lex GAFA?

Grundsätzliche Zweifel äußerte Dröge an der Notwendigkeit einer „lex GAFA“ in § 19a GWB. Aus ihrer Sicht sollten sich die in Abs. 2 genannten Verbote betreffend die (unerwünschte) Verhinderung von Interoperabilität, die (ebenfalls unerwünschte) Diskriminierung oder die (vielleicht weniger teuflische) Selbstbevorzugung auf sämtliche marktbeherrschenden Unternehmen erstrecken und sich nicht auf die kleine Zahl von Internetgiganten beschränken.

Meine Befürchtung lautet: „Normale“ Marktbeherrscher, die nicht in die Kategorie der UmümB fallen oder jedenfalls vom Amt noch nicht dazu erklärt wurden, könnten sich in Zukunft womöglich für befugt halten, diejenigen Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die in § 19a II GWB-E als (nur) durch VA und (nur) für die Zukunft untersagbar aufgelistet sind („Ich bin doch nicht GAFA, ich darf das.“). Juristen sprechen in solchem Fall von einem argumentum e contrario. Fülling wollte das nicht gelten lassen. Ich würde dem Ministerium hier mindestens eine Klarstellung in der Begründung empfehlen.


Wettbewerbs- vs. Datenschutz? – Es gibt also noch etwas zu tun!

Vorbehalte äußerte Dröge auch im Hinblick auf eine erweiterte Verpflichtung zum Datenteilen: Bei aller wettbewerbspolitischen Sympathie für entsprechende Vorschläge sollte die Bedeutung des Datenschutzes doch noch einmal besonders klargestellt werden, so ihre Forderung. Zu bedenken sei insbesondere, dass auch Anonymisierungen durch Kombination mit weiteren Datenbeständen nicht selten rückgängig gemacht werden können. (Ich musste bei diesem Hinweis an das Experiment der New York Times denken, der es mit Hilfe eines Telefonbuchs ziemlich mühelos gelungen war, aus den von AOL frei im Internet zur Verfügung gestellten (anonymen) Suchanfragen die exakte Identität samt Anschrift der Userin 4417749 zu rekonstruieren.) Nach Ansicht von Dröge kommen unproblematisch allein Maschinendaten für eine Offenlegung gegenüber Dritten in Betracht. (Ich vermute, dass man auch hier in vielen Fällen Rückschlüsse auf bestimmte Eigenschaften derjenigen Person ziehen kann, die die Maschine bedient).


Man könnte ja auch denken, die Grünen dächten an Entflechtung, zum Beispiel.

In der Tat! Dröge kündigte einen Antrag ihrer Fraktion zur Einführung einer missbrauchs­unab­hängigen Entflechtung an und erinnerte an das vergleichbare (und später aufgegebene) Vorhaben unter dem Rainer Brüderle (FDP) vor etwa 10 Jahren. Steinberg, Mundt und Heider winkten (im Ton höflich, in der Sache aber deutlich) ab oder hatten das schon prophylaktisch getan.

Immerhin: Mundt sprach von einer ultima ratio und erinnerte an die Feststellung seines britischen Kollegen von der CMA, Andrea Coscelli, wonach viele unserer heutigen Probleme mit dem Wettbewerb auf digitalen Märkten auf vergangene Genehmigungen großer Tech-Mergers zurückzuführen. Namentlich nannte er Google/Double Click, Facebook/Instagram und Facebook/WhatsApp. Deren wettbewerbliches Potential sei damals schlicht unterschätzt worden.  


Wurde auch etwas zum Verbraucherschutz gesagt? Frage für einen Freund…

Dröge bedauerte die fehlende Stärkung der Kompetenzen des Bundeskartellamts zur Durchsetzung von Verbraucherrechten. Nach ihrer Darstellung waren sich BMWi und BMJV in dieser Hinsicht bereits einig geworden, seien hier aber „von CDU-Wettbewerbspolitikern“ ausgebremst worden. Der damit offenbar angesprochene Heider verteidigte seine Überzeugung in der Diskussion. Es sei besser, Verbraucherschutzangelegenheiten einer eigenen Behörde auf Bundesebene zuzuordnen anstatt neben BaFin, Bundesamt für Justiz etc. auch noch das Bundeskartellamt mit dieser Aufgabe zu betrauen. Es gelte, die „ordnungspolitische Zentrierung des Bundeskartellamts mit dem scharfen Schwert des Kartellrechts nicht anzutasten“. Auch mir erscheint es schon im Hinblick auf das Ziel möglichst weitgehender Unabhängigkeit des Amtes von politischen Einzelweisungen nicht ungefährlich, wenn ein und dieselbe Behörde nicht nur für die Gewährleistung freien Wettbewerbs, sondern zusätzlich auch für Verbraucherschutz zuständig wäre. Im Einzelfall dürfte es hier zu Zielkonflikten mit dem Erfordernis politischer Abwägungs­entscheidungen kommen.

Auf die u. a. von Dröge aufgeworfene Frage, weshalb man sich gegen eine Regelung zu Killer Acquisitions entschieden habe, wies Heider auf das Bedürfnis hin, die Gründung von Start-ups attraktiv zu halten. Fülling ergänzte, es sei gerade im Fall von Start-ups leicht möglich, anstelle des Unternehmens den Gründer „zu kaufen“ und ein etwaiges Fusionsverbot auf diese Weise zu umgehen.


Jetzt haben wir nur über Digitalisierung gesprochen…

Der zweite Teil des Nachmittags lässt sich unter dem Stichwort „Verschiedenes“ zusammenfassen. Das Spektrum der angesprochenen Themen reichte vom Änderungsbedarf aufgrund der ECN+-Richtlinie (sie ist ja der eigentliche Grund, weshalb die Novelle im Laufe des nächsten Jahres über die Bühne gehen sollte), gesetztlich normierte Bußgeldbemessungsfaktoren in § 81 I (kartellbefangener Umsatz!), erleichterte Anforderungen an den Erlass einstweiliger Anordnungen in § 32a GWB-E für eine schnellere Kartellrechtsdurchsetzung und den Anspruch auf ein „Negativattest“ durch das Amt betreffend Kooperationen zwischen Wettbewerbern in § 32c Abs. 4 GWB-E über die Anhebung der Inlandsumsatzschwelle von 5 auf 10 Mio. € in § 35 I GWB-E (Mundt rechnet mit einem Rückgang der Fusionsanmeldungen um „gerade mal“ 20 %), der Anhebung der Bagatellmarktschwelle von 15 auf 20 Mio. € in einem neu gefassten § 36 I Nr. 2 GWB-E (keine echte Entlastung für das Amt, das dennoch prüfen muss) und den (fehlenden) Drittschutz im Fall der Ministererlaubnis bis hin zur Einführung der Vermutung der Kartellbefangenheit (nicht des Eintritts eines Schadens, das haben wir schon in § 33a II 1 GWB 2017) in § 33a V GWB-E und erleichterte Einsicht in die Behördenakten zugunsten von Dritten (insbes. Kartellgeschädigten) gemäß § 65 V GWB-E (die dem Amt viel zusätzliche Arbeit beschweren könnte, wofür sich auf dem Podium aber niemand mehr zu interessieren schien). Die Luft schien ein wenig raus zu sein, der Diskussionseifer verflachte, obwohl hier in manchem Detail noch einiger Sprengstoff liegen dürfte. Davon aber ein andermal.


Prof. Dr. Florian Bien ist Inhaber des Lehrstuhls für globales Wirtschaftsrecht, internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Bürgerliches Recht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Die Fotos wurden dankenswerterweise von Florian Bien und der Monopolkommission bereitgestellt!

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