Conference Debriefing (15): Forum Unternehmensrecht zur 10. GWB Novelle

Conference Debriefing (15): Forum Unternehmensrecht zur 10. GWB Novelle

Die Tournee hat begonnen: In Düsseldorf trat das Bundeswirtschaftsministerium gleich mit drei Vertretern an, um den Referentenentwurf zum GWB-Digitalisierungsgesetz, der 10. GWB-Novelle, vorzustellen und zu diskutieren. Anna-Jacqueline Limprecht und Hans-Markus Wagener berichten, wie der erste große Härtetest in der Düsseldorfer Szene ausgefallen ist. Hier ist ihr Conference Debriefing!

Konferenzname: Forum Unternehmensrecht zur 10. GWB-Novelle

Ort & Zeit: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 29. Oktober 2019

Veranstalter: Institut für Kartellrecht (IKartR) | Institut für Unternehmensrecht

Teilnehmer: Allen voran die Headliner, nämlich drei der Hauptautoren des Entwurfes zur 10. GWB-Novelle aus dem BMWi:

  • Dr. Thorsten Käseberg (Leiter des Referats Wettbewerbs- und Verbraucherpolitik, wettbewerbspolitische Grundsatzfragen)
  • Dr. Maja Murza (Mitarbeiterin ebenda)
  • Dr. Tobias Brenner (Bundeskartellamt, zwischenzeitlich von dort zum BMWi abgeordnet gewesen)

Als Publikum/Diskutanten außerdem um die 130 Kartellrechtsexperten aus Anwaltschaft, Gerichten und der Wissenschaft.


Moment mal, es gibt einen Referentenentwurf?!

Und ob! Nachdem der ursprüngliche Veranstaltungstermin Anfang September noch mit Blick auf andauerndes Feintuning verschoben werden musste, veröffentlichte D’Kart am 14. Oktober eine Version des Gesetzestextes. Die Vertreter des BMWi bestätigten vorweg, dass es sich bei der D’Kart-Version um den nach wie vor aktuellen Arbeitsstand handelt. Auch wenn die offizielle Veröffentlichung des Referentenentwurfs („RefE“) also weiterhin aussteht, wird sie voraussichtlich schon in der kommenden Woche erfolgen. Anhaltende Verzögerungen ergeben sich unter anderem vor dem Hintergrund der Abstimmung mit anderen Ministerien, insbesondere mit dem BMJV, das zeitgleich federführend am Unternehmenssanktionsrecht bastelt. Die Verabschiedung durch das Bundeskabinett soll jedenfalls noch in diesem Jahr über die Bühne gehen, um dann 2020 zeitnah in den parlamentarischen Prozess einsteigen zu können.

Stellten sich der Diskussion: Tobias Brenner, Maja Murza und Thorsten Käseberg (v.l.n.r.).


Für so einen Referentenentwurf setzen sich also die Leute im BMWi hin und schreiben auf, was ihnen so einfällt?

Haha, weit gefehlt (höchstens in ihren Träumen, aber dazu am Ende…)! So erinnerte Thorsten Käseberg als Taktgeber beim „Tourneeauftakt“ des Trios in der Hauptstadt des Kartellrechts das Publikum an die Arbeitsgrundlagen, von denen ausgehend der RefE zu entwickeln war. Zentrale politische Ziele des Vorhabens gibt der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vor.

In diesem hatten die Regierungsparteien bereits Pflöcke parat gelegt, die es einzuschlagen galt. Konkret vorgesehen sind dort (i) Neuerungen im Hinblick auf die wettbewerbsrechtlichen Herausforderungen der Digitalisierung mit besonderem Fokus auf der Entzauberung der Plattformunternehmen (um nicht zu sagen Google, Amazon und Co.) sowie (ii) allgemein die Beschleunigung „wettbewerbsrechtlicher Verfahren“ (eine Differenzierung zwischen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sieht der Koalitionsvertrag nicht vor). Mit Blick auf das EU-Recht galt es darüber hinaus im Rahmen von #GWB10, die Vorgaben der ECN-Plus-Richtlinie (RL 2019/1) in das nationale Recht einzubetten. Deren Zielsetzung ist die Stärkung der nationalen Wettbewerbsbehörden, um auch sie in die Lage zu versetzen, EU-Wettbewerbsrecht vollumfänglich durchzusetzen.


Wie wird die Macht der Großen denn nun gezähmt?

Das und nicht weniger ist die Kernfrage, auf die #GWB10 im Rahmen der Missbrauchsaufsicht abschließende umfassende Antworten liefern soll. Passenden Input bot sich den #GWB10-Autoren insbesondere in Form des Berichts von Heike Schweitzer, Justus Haucap, Wolfgang Kerber und Robert Welker (zur Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, dazu auch hier) sowie dem der Wettbewerbskommission 4.0 (Ein neuer Wettbewerbsrahmen für die Digitalwirtschaft). Auch wenn letztere speziell mit einem Mandat im Hinblick auf die europäische Ebene ausgestattet war, betonten die Vertreter des BMWi, dass die Probleme, die im Bereich der Missbrauchsaufsicht gelöst werden müssen, letztlich auf europäischer und deutscher Ebene konzeptionell gleichgelagert sind. Die Ergebnisse der Studien haben somit durchaus Eingang in den RefE gefunden (vgl. bspw. die geplanten §§ 18 Abs. 3b, 20 Abs. 1 S. 2 GWB zur Intermediationsmacht).

Der Charakter der geplanten Änderungen reicht von reiner Klarstellung bis zur Revolution. Rein deklaratorischen Zweck hat die Aufnahme des Zugangs zu wettbewerbsrelevanten Daten als Kriterium zur Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens. Dadurch soll der zentralen Bedeutung von Daten auch im Umfeld nicht-digitaler Märkten Rechnung getragen werden. Dahinter steht letztlich der Gedanke der essential facilities-Doktrin, die für nicht-physische Infrastrukturen entsprechend weitergedacht werden muss. In diesem Sinne konsequent wird § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB um den Zugang zu Daten und Netzen ergänzt. Außerdem soll dem „Kippen“ von Märkten (sog. Tipping) vorgebeugt werden können. Dazu ist die Einführung eines Gefährdungstatbestandes als Variante des Behinderungsmissbrauchs geplant, der sich speziell auf die Verhinderung von positiven Netzwerkeffekten auf mehrseitigen Märkten i.S.v. § 18 Abs. 3a GWB beziehen soll.


Wo ist die versprochene Revolution?

Die bringt womöglich die Einführung des § 19a GWB, der „Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung“ („UmümB“) adressiert. Diese sind von marktbeherrschenden Unternehmen strikt zu unterscheiden. In dogmatischer Hinsicht ungeklärt blieb, ob die UmümB – wie von Petra Pohlmann aufgeworfen – im Verhältnis zu marktbeherrschenden Unternehmen ein aliud oder doch ein „wesensgleiches Mehr“ darstellen. Nichtsdestotrotz wurde deutlich, dass der Kreis der potentiellen Adressaten der Vorschrift zumindest nach den Vorstellungen der #GWB10-Autoren ein elitärer und damit äußerst kleiner ist. So ließe sich vorsichtig präzisieren, dass der UmümB‑Eigenschaft zumindest ein Hauch von Systemrelevanz anhaftet.

Viele bekannte Gesichter von nah und fern im Publikum.

§ 19a GWB ermächtigt das BKartA zum Einschreiten gegen bestimmte Verhaltensweisen eines UmümB. Auf Grundlage der im RefE angelegten zweistufigen Systematik kann die Behörde zunächst nach Abs. 1 feststellen, dass es sich bei einem Unternehmen um ein UmümB handelt, um diesem unter Rückgriff auf Abs. 2 eine wettbewerbsschädigende Praxis zu untersagen. Dazu stellt der geplante § 19a Abs. 2 GWB einen abschließenden Katalog von Zuwiderhandlungen auf (u.a. Selbstbegünstigung durch Ausnutzung der eigenen Intermeditationsmacht sowie das „Hebeln“ von Märkten). Maja Murza betonte, dass es aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit in der Praxis wohl stets erforderlich sei, die Verfügung zu befristen.

Prinzipiell ist die Untersagungsverfügung nur zulässig, sofern das konkrete Verhalten nicht sachlich gerechtfertigt ist. Ist die Verfügung jedoch erst einmal erlassen, so liegt die Beweislast für eine vermeintliche Rechtfertigung bei dem betroffenen UmümB.

Hans Jürgen Meyer-Lindemann meinte mit Blick auf § 19a, hier handele es sich nicht mehr nur um eine „kleine Revolution“, wie ein hochrangiger Vertreter des Bundeskartellamts es mal genannt haben soll – sondern um eine richtige.


Das ist dann doch ein Paukenschlag! Blieb dem Publikum da die Luft weg?

Keineswegs! Vielmehr hätte es sicherlich mehr als einen Abend gebraucht, um allein den Diskursdurst zum Komplex der Missbrauchsaufsicht auch nur annähernd stillen zu können. So wurde aus dem Publikum vorweg gewisse Besorgnis im Hinblick darauf geäußert, dass die Identifikation des Adressaten und die Untersagungsverfügung konzeptionell zusammenfallen können. Mithin habe ein Unternehmen erst dann Klarheit über seine UmümB-Eigenschaft, wenn die Post aus Bonn bereits im Briefkasten liegt.

Thorsten Käseberg unterstrich allerdings im Zusammenhang mit der Vorschrift, dass damit ein Weg gewählt wurde, der eng am klassischen Kartellrecht orientiert ist. Letztlich buchstabiere § 19a GWB den Bericht der von Margrethe Vestager eingesetzten Sonderberater für das deutsche Rechtsumfeld aus. Zusammen mit Maja Murza prognostizierte er aber, dass in der nahen Zukunft nicht nur in den Mitgliedstaaten, sondern auch auf EU-Ebene dahingehend gesetz(/richtlinien-)geberische Bestrebungen zeigen werden, die deutlich weniger an klassisch wettbewerbsrechtlichen Ansätzen orientiert sein werden.


Kann ich da auch mitmachen? Stichwort Private Enforcement.

Im Publikum fand sich nicht nur eine Stimme, die diese Möglichkeit nach derzeitigem Stand für eröffnet ansah. So sei zumindest eine einmal ergangene Untersagungsverfügung ein tauglicher Anknüpfungspunkt für einen Unterlassungsanspruch nach § 33 Abs. 1 GWB. Tobias Brenner entgegnete, dass die private Rechtsdurchsetzung im Rahmen von § 19a GWB zumindest nicht im Sinne eines initiativen Aufgreifens vorgesehen sei. So passe § 33 GWB – wenn überhaupt – eben lediglich auf den Fall, dass das BKartA bereits eine entsprechende Verfügung erlassen hat, jedenfalls aber nicht auf eine Konstellation, in der nicht einmal die UmümB-Eigenschaft durch das BKartA festgestellt wurde.

Die geplanten Neuerungen der Missbrauchsaufsicht erfuhren mitunter auch Lob von Michael Baron und Wolfgang Kerber, die den #GWB10-Autoren gerade auch im Hinblick auf den neuen § 19a GWB durchaus gute Arbeit wegen äußerst sorgfältiger Umsetzung bescheinigten.


Und wie steht es mit der Zufriedenheit über die Umsetzung von ECN+?

Auch wenn alle offiziell vom „GWB-Digitalisierungsgesetz“ sprechen, ist die ECN+ Richtlinie eigentlich Ursprung der Novelle. Die Mitgliedstaaten haben zum Glück noch bis zum 4. Februar 2021 Zeit für die Umsetzung ins nationale Recht. Zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten konnten die Beteiligten kaum von den Vorgaben aus Brüssel abweichen, Stichwort Vollharmonisierung.

Getreu dem Grundsatz „Eltern haften für ihre Kinder“ wird das Unternehmen in der Novelle als wirtschaftliche Einheit verstanden. Neben dem zukünftig neuen Fragerecht der Wettbewerbsbehörden im Rahmen von Durchsuchungen richtet sich nach Aussage von Maja Murza insbesondere Artikel 8 der Richtlinie mehr oder weniger direkt an Deutschland. Dank der Richtlinie gibt es jetzt nämlich ein neues „Ermittlungstool“, das in der Toolbox der deutschen Wettbewerbsbehörde bislang noch fehlt. Gemeint ist die Befugnis der Kartellbehörden, Auskunftsverlangen an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zu richten, die nunmehr in § 59 und § 81m für Verwaltungs- und Bußgeldverfahren geregelt ist.


Also können die Wettbewerbsbehörden jetzt in ihrem Werkzeugkasten kramen und in ausführlichen Fragestunden Auskünfte einholen. Gibt es denn nicht so etwas wie nemo tenetur?

Natürliche Personen sollen vor Selbstbelastung geschützt werden. Einerseits soll ein Beweisverwertungsverbot eingeführt werden. Und andererseits kann die Kartellbehörde aktiv tätig werden und eine Nichtverfolgungszusage aussprechen.


Na dann sollte ja alles klar und alle umfassend geschützt sein.

Hans Jürgen Meyer-Lindemann: Revolution.

Ganz anders sahen das aber einige Gäste, die sich aktiv an der Diskussion beteiligten. Beispielsweise war Hans Jürgen Meyer-Lindemann der Überzeugung, dass dem nemo tenetur-Grundsatz nicht genug Beachtung geschenkt werde und die Doppelgleisigkeit von Betroffenen und Nebenbetroffenen im deutschen Recht unberücksichtigt bleibe. Die neuen Regelungen schützten zwar natürliche Personen, aber keinesfalls die dahinterstehenden Unternehmen. Diese müssten damit rechnen, dass Mitarbeitern als natürlichen Personen Schutz durch eine Nichtverfolgungszusage gegeben werde und diese Mitarbeiter dann in weiterem Umfang gegen das Unternehmen aussagen, wodurch dessen Schutz durch die Orkem-Standards ausgehebelt werde. Dieses „Spiel über die Bande“ könne nicht Fairplay verfassungsgemäß sein. Auch unter Hinweis auf die erfolgte umfassende verfassungsrechtliche Prüfung wurde dieser Einwand von Maja Murza weitgehend zurückgewiesen. Nichtsdestotrotz haben die Referenten darauf verwiesen, dass der RefE schließlich noch „work in progress“ sei.


Über die Stellung des Bundeskartellamts im gerichtlichen Verfahren wurde auch gesprochen?

Die Rechtsprechung in VEBIC soll kodifiziert und so für die Wettbewerbsbehörden ein aktiver Part im Rechtsmittelverfahren sichergestellt werden (vgl. Artikel 30 der Richtlinie). Die bislang bestehende alleinige Kompetenz der Staatsanwalt ist daher nicht mehr richtlinienkonform. Der Entwurf führt jetzt eine Doppelzuständigkeit ein. Welche Folgen das in der Praxis hat, kann sich wohl jeder vorstellen. Insoweit wird (insgeheim) die Hoffnung auf abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen den Behörden gesetzt. Wohl nicht ganz unrealistisch erscheint, dass die Staatsanwaltschaft zu gegebener Zeit von ihrem pflichtgemäßen Ermessen aus § 75 OWiG Gebrauch machen wird, um sich aus dem Verfahren zurückzuziehen.


Nun zu den wirklich wichtigen Themen. Jeder will es, keiner hat es und erst recht will es keiner abgeben: das Geld!

Natürlich durfte das Thema der Bußgeldzumessung bei der Diskussion über die neuen Kartellrechtsvorschriften nicht fehlen. Nach dem Grauzement I Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) soll nun kodifiziert werden, dass der tatbezogene Umsatz als Bußgeldbemessungskriterium berücksichtigt werden muss. Doch auch hier wurde im Publikum angemerkt, dass das OLG anschließend nicht an die Zumessung der Wettbewerbsbehörde gebunden ist. Der aktuelle Trend, die Bußgelder auch mal zu verfünf- oder versechsfachen könne damit also nicht gestoppt werden.

Die Referenten stimmten zu. Man habe aber versucht, allen Interessen bestmöglich gerecht zu werden und dabei insbesondere das Verbot mathematischer Vorgaben berücksichtigt, um die richterliche Unabhängigkeit zu wahren.

Wie es sich mit der Berücksichtigung des Nachtatverhaltens des Unternehmens verhält, ist wohl noch nicht ganz klar, daran „schraube“ man gerade noch. Auf jeden Fall haben die Referenten versichert, dass man die Thematik Compliance gesehen hat und sich diesbezüglich bemüht.


Kurz ein paar Worte zur Fusionskontrolle…

Die zweite Inlandsumsatzschwelle soll von 5 auf 10 Millionen erhöht werden, die Frist im Hauptprüfverfahren wird von 4 auf 5 Monate verlängert und die Ministererlaubnis setzt in Zukunft voraus, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet abgelehnt oder die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen worden ist.


Zum Verbraucherschutz gibt es keine neuen Befugnisse für das BKartA im Referentenentwurf.

Ganz klare Ansage der Referenten: „Diesen Schritt wollte man jetzt nicht gehen.“ Der Misserfolg Die Entscheidung des Bundeskartellamts zu Facebook konnte daran bislang auch nichts ändern. Tobias Brenner prognostiziert dafür, dass man in 5 Jahren sicherlich auf einem anderen Stand ist. Ganz nach dem Motto „Wer bietet mehr?“ steht diese Änderung durch den New Deal For Consumers regelrecht schon vor Maja Murzas Tür.


Gibt es denn vielleicht auch noch ein paar Goodies in der Novelle?

Zunächst soll mehr Rechtssicherheit für Kooperationen geschaffen werden. Unter anderem haben die Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen zukünftig innerhalb einer Soll-Frist von 6 Monaten einen Anspruch auf eine Entscheidung, dass für die Kartellbehörde kein Anlass zum Tätigwerden besteht. Als Grenze für diese Frist diente die VO 1/2003. Nach eigenen Angaben der Referenten habe man sich also europarechtlich wirklich Gedanken gemacht.


Nach einmaliger Verhängung durch die Kommission sind einstweilige Maßnahmen mittlerweile ja quasi bekannt und bewährt.

Die Eingriffsvoraussetzungen im GWB für die Gefährdungslage und an den Nachweis werden maßvoll abgesenkt. Neu ist daher vor allem, dass bei der Beurteilung die Beeinträchtigung anderer Unternehmen einbezogen wird. Damit diese Regelung ihre Adressaten nicht in voller Härte trifft, erfolgt glücklicherweise ein Ausgleich über Satz 2 des neuen § 32 a im Sinne einer Rückausnahme. Dafür sind Tatsachen glaubhaft zu machen, nach denen die Anordnung eine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gebotene Härte zur Folge hat. Ziel ist eine bessere Operabilität vor allem in den Digitalfällen. Abgeschrieben Entnommen wurden diese Änderungen von anderen nationalen Regelungen (u.a. Frankreich, UK).


Wenn es um Private Enforcement geht, vermuten wir im wahrsten Sinne des Wortes schon, was jetzt kommt…

… ganz genau: die Vermutung der Kartellbetroffenheit. Auch wenn man die im Bundeswirtschaftsministerium anfangs „gar nicht so auf dem Schirm hatte“, scheint sie ja doch wichtig genug zu sein, um in der Novelle Erwähnung zu finden. Es wird eine widerlegliche Vermutung für direkte und mittelbare Abnehmer eingeführt.

Harald Kahlenberg at the mic.

Auf Grund der Entscheidungen des OLG Düsseldorf war außerdem noch eine Klarstellung bezüglich der Eilbedürftigkeit erforderlich. Auf die wird in Zukunft schlichtweg verzichtet. Das sei wohl „keine dogmatisch saubere Regelung, aber eine praktisch operable Lösung.“


Warum wird denn dann nicht gleich noch eine Schadensvermutung eingeführt?

Tobias Brenner entgegnete spontan, ob nicht jemand einen Vorschlag zur Höhe hätte.

Der geneigte Kläger Leser sollte sich spätestens an dieser Stelle dazu berufen fühlen, noch ein paar Vorschläge ans Ministerium zu mailen…


Und die nächsten Tourdaten?

Die offizielle Veröffentlichung des Referentenentwurfs wird für die kommende Woche erhofft. Doch damit ist noch nicht aller Tage Abend. Zu der Frage, wann genau der Kabinettsbeschluss zu erwarten sei, haben die Referenten zu ihrem Selbstschutz von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Es wurde aber angekündigt, dass das parlamentarische Verfahren für #GWB10 (wahrscheinlich) in der ersten Jahreshälfte 2020 abgeschlossen sein soll.

v.l.n.r. Jannik Otto, Tobias Brenner, Christian Kersting, Maja Murza, Thorsten Käseberg, Patrick Hauser)
Erfolgreicher Tourneeauftakt in Düsseldorf: V.l.n.r. Jannik Otto, Tobias Brenner, Christian Kersting, Maja Murza, Thorsten Käseberg, Patrick Hauser.

Do say: „Wir machen alles möglich, was geht…“

Don’t say: „… aber wir arbeiten in einem politischen Kontext.“

Anna-Jacqueline Limprecht und Hans-Markus Wagener sind Wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktoranden am Lehrstuhl von Prof. Dr. Christian Kersting an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Fotos: Sarah Langenstein.

5 Gedanken zu „Conference Debriefing (15): Forum Unternehmensrecht zur 10. GWB Novelle

  1. Vielen Dank für diese informative und gleichzeitig humorvolle Vorausschau auf den neuen Referentenentwurf. Ein sehr interessantes Debriefing!

    1. Bei den vergangenen Novellen war es so, dass Vertreter/innen des Ministeriums auf vielen Podien die Grundzüge der Novelle vorgestellt und diskutiert haben. Ich gehe davon aus, dass es diesmal nicht anders ist. Das FIW hat beispielsweise für den 27.11.2019 in Berlin eine Veranstaltung angekündigt (siehe http://www.fiw-online.de/de/veranstaltungen/berliner-kolloquium). Die „Tourdaten“ für diese Novelle kenne ich aber nicht – und an den Auftakt wird natürlich kein „Gig“ herankommen…

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