SSNIPpets (5) zum Wochenende – heute: jamaikanisch
Das Wochenende kommt. Und also haben wir wieder in den Nachrichten der letzten Zeit gestöbert, um unseren geneigten Leserinnen und Lesern den Übergang ins Wochenende zu erleichtern. Heute kommen die SSNIPpets von Rupprecht Podszun, der anlässlich der fortdauernden Sondierungen noch einmal alle Jamaika-Klischees bemüht, die er kennt. Hier sind unsere SSNIPpets – small, but significant news, information and pleasantries – our pet project.
Thunder-Bolt
Die Sondierungen sollen zäh und frustrierend verlaufen, und [aktuell] liegt noch keine Einigung auf die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen vor. Nach Phasen des Erstaunens und der Empörung über das Politiktheater auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft bricht sich nun Mitleid Bahn. Möglicherweise hätte ein Workshop bei erfahrenen Kartellverhandlern gut getan? Bei einer Regierungsbildung tun sich ja auch Wettbewerber zusammen, die sich eigentlich spinnefeind sind, die aber ein gemeinsames Ziel haben. Die „Schienenfreunde“ beispielsweise haben ja mit kreativen Mitteln die Verhandlungsstimmung in ihrer Kartellrunde verbessert. Der Unterschied zwischen einem Kartell und einer Koalition ist aber natürlich, dass das Kartell Verbrauchern das Geld aus der Tasche ziehen will, während eine Koalition das Land besser machen will. Dazu braucht man natürlich auch das Kartellrecht, und aus dem Sondierungspapier Stand 17.11., vormittags, geht hervor, was uns in der neuen Legislaturperiode blüht (siehe Foto): Missbrauchsverfahren sollen schneller werden. Genossenschaften sollen Ausnahmen erhalten. Ministererlaubnis und Entflechtung kommen auf den Prüfstand. Und auch die EU-Fusionskontrolle. Dass Sondierungsverhandlungen etwas länger dauern als ein Sprint von Usain Bolt, wenn man auch noch das EU-Kartellrecht durchverhandelt, glauben wir allerdings gern.
Apropos Ministererlaubnis: Das Bundeswirtschaftsministerium war in der Zwischenzeit nicht untätig. Bevor neue Aufträge aus einem irgendwann mal fertigen Koalitionsvertrag kommen, hat man den Auftrag des Gesetzgebers abgearbeitet und Leitlinien vorgelegt. Das soll das Verfahren transparenter machen. Haken hinter § 42 Abs. 6 GWB!
Competition-Rastafari
Im Sondierungspapier ist auch vorgesehen, dass eine Kommission Vorschläge für den Umgang mit Algorithmen machen soll. Das erinnert mich an eines meiner Lieblingsthemen, die Wettbewerbspolitik außerhalb unseres Zirkels von Competition-Rastafari. In diesen Zusammenhang passt eine Konsultation der EU-Kommission, Generaldirektion CONNECT, zu Fairness in platform to business relations. Welche Maßnahmen soll die Kommission ergreifen, um diejenigen Unternehmen besser zu schützen, die von einer Plattform abhängig sind? Dafür gäbe es natürlich Missbrauchsrecht, aber vielleicht gibt es – je nach Ausgang der weiteren Überlegungen – auch mehr. Gar einen § 20 GWB auf europäischer Ebene?
Stoned, or at least stunned
Manche Gerichtsurteile sind, nun ja, bemerkenswert. Das OLG Celle hatte am 7.4.2016 in einem durchaus Aufsehen erregenden Entscheid festgestellt: „Bei der Frage, ob eine vertikale Preisbindung gegen § 21 Abs. 2, § 1 GWB i.V.m. Art. 101 Abs. 1 AEUV verstößt, ist das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Spürbarkeit zu beachten, und zwar ungeachtet dessen, ob es sich um eine sog. Kernbeschränkung handelt.“ Es war um eine Mindestpreisbindung bei einem Diätmittel gegangen. Das Gericht hatte sich dazu auch auf die BGH-Entscheidung „1 Riegel extra“ berufen, bei der es freilich um eine Höchstpreisbindung gegangen war. Die Celler Entscheidung stand in Widerspruch zur herrschenden allgemeinen Meinung und zur Auffassung des EuGH in Expedia. Dennoch hatte man keine Veranlassung gesehen, die Revision zuzulassen.
Der Kartellsenat des BGH hat dem Spuk nun ein Ende bereitet und – so zumindest die Pressemitteilung der klagenden Wettbewerbszentrale – die Dinge wieder gerade gerückt. Zwei Aspekte sind daran doch interessant. Zum einen illustriert die Entscheidung, wie inzwischen eine Vielzahl von Zivilgerichten die kartellrechtliche Lehre mitprägen können – man stelle sich nur vor, die Wettbewerbszentrale wäre nicht in Revision gegangen. Zum anderen ist der Fall eine gute Erinnerung daran, warum man bei Hardcore-Beschränkungen hart bleibt: Diese Wettbewerbsverstöße sind so gravierend, dass es einfach nicht in Frage kommt, den Geltungsanspruch des Verbots auch nur in einem einzigen kleinen Fall aufzugeben. Die Ampel war rot.
Sunshine reggae
Über Titisee-Neustadt lacht oft die Sonne, und jetzt lacht auch der Stadtkämmerer. Titisee hatte, worüber ich mit Christoph Palzer in NJW 2015, 1496 ff. geschrieben hatte, bei der Neukonzessionierung des Stromnetzes Kartellrecht verletzt. Dagegen war die Gemeinde bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Erfolglos, natürlich. Erfolgreich war man in den Verhandlungen mit den Rechtsanwälten, die die Stadt bei der Konzessionsvergabe beraten hatten: Laut Badischer Zeitung verzichtete man auf Bezahlung der letzten Rechnung in Höhe von 100.000 Euro und zahlte noch 365.000 Euro Schadensersatz.
Ryder
Durch eine Sanduhr läuft Sand. Und Sand liegt am Strand von Jamaika. Das ist aber auch schon die einzige Verbindung zu dem Honey Ryder meets James Bond–Video, das einfach so ikonisch ist, dass es in dieser Liste der jamaikanischen Klischees nicht fehlen durfte – gedreht wurde in Ocho Rios.
Nun zur Sanduhr: Seit das Bundeskartellamt twittert, beschäftigt uns die Frage, welche Rolle die Sanduhr auf dem Schreibtisch von Andreas Mundt spielt, die auf dem ersten Twitter-Foto des Amtes zu erkennen war. Erste Vermutungen gingen dahin, dass im Amt so die billable hours erfasst werden. Aber beim Präsidenten? Der ist doch ohnehin 24/7 im Dienst. Die Süddeutsche Zeitung klärte auf: Sanduhren trenden derzeit massiv bei Instagram. Ein Präsident auf der Höhe der Zeit. Schönes Wochenende!
3 thoughts on “SSNIPpets (5) zum Wochenende – heute: jamaikanisch”
Zu Preisbindungen: In den USA gilt auch hier die rule of reason, da man gemerkt hat, dass auch Preisbindungen sehr effizient sein können, insbesondere wenn der Interbrand-Wettbewerb funktioniert. Die Ökonomen wissen das übrigens seit langem.
Wenn im Gesetz steht, etwas sei verboten, ist dies nicht gleichbedeutend mit einer vernünftigen Regel. Von wegen “so gravierender Wettbewerbsverstoss”…
Guter Punkt! Wobei es m.E. auch nicht so ausschaut, dass jetzt geradezu das Gegenteil richtig wäre, siehe dazu den Blogpost zum Vortrag von Thomas Cheng. In den USA ist nach meinem Wissen die Leegin-Rechtsprechung auch längst nicht so durchgeschlagen, wie man anfangs gedacht hätte. Aber Ihre Klarstellung finde ich durchaus berechtigt.