SSNIPpets (6) – heute mit Five Artists

SSNIPpets (6) – heute mit Five Artists

Das Wochenende kommt. Und also haben wir wieder in den Nachrichten der letzten Zeit gestöbert, um unseren geneigten Leserinnen und Lesern den Übergang ins Wochenende zu erleichtern. Heute kommen die SSNIPpets von Rupprecht Podszun, der letzte Woche noch glaubte, es gebe bald Jamaikanisches zu verkünden. Diese Woche verlässt er sich lieber auf ex-post-Überschriften, genauer: die Angebotsliste eines kartellrechtlich in den Fokus geratenen Unternehmens. Hier sind unsere SSNIPpets – small, but significant news, information and pleasantries – our pet project.

 

Mise En Scene

Andreas Schwab hat sich als Rapporteur des Europäischen Parlaments den ECNplus-Vorschlag vorgenommen. Tenor seines Berichts: Gute Ziele, aber. Er hat zahlreiche Detail-Vorschläge gemacht, die insbesondere die Verteidigungsrechte von Unternehmen rechtsstaatlich stärken sollen. Bei erster Durchsicht schaut das alles sehr vernünftig aus.

Interessant auch eine Einfügung zu Verpflichtungszusagen: „Solche Entscheidungen über Verpflichtungszusagen sind bei ernsthaften Zuwiderhandlungen und geheimen Kartellen grundsätzlich nicht geeignet. In diesen Fällen sollten NWB [Nationale Wettbewerbsbehörden] eine Sanktion verhängen.“ Diesen Satz kann man auch mal als Kommentar stehen lassen zur jüngsten Entscheidung des EuGH in Sachen Gasorba/Repsol (C-547/16): Wenn die Kommission einen Fall mit Verpflichtungszusagen abgeschlossen hat, heißt das nicht, dass ein nationales Gericht nicht die Sache durchentscheiden kann. Das Gericht kann dann auch die zugrundeliegenden Vereinbarungen für nichtig erklären.

 

Selig

Hat gar keinen Hipster-Bart: Louis Brandeis

Louis Brandeis, den Namen sollten Sie sich merken. Wenn ich in meiner Vorlesung zum Kartellrecht die Theoriegeschichte des Kartellrechts durchgehe, starte ich mit Adam Smith und ende mit dem „more economic approach“. Dazwischen liegen die Freiburger Schule, die Harvard School, Hayek, die Chicago School und so weiter. Ab sofort ergänze ich eine Folie, um die New Brandeis School zu integrieren. Als ich diesen Begriff zum ersten Mal hörte, dachte ich zunächst, ich würde wieder ein Ivy League College nicht kennen, aber der Name geht zurück auf Louis Brandeis. Und der Name ist gut gewählt. Brandeis lebte von 1856 bis 1941, war Richter am U.S. Supreme Court und setzte sich für so viele gute Sachen ein, dass er auch mal den Beinamen „The People’s Lawyer“ erhielt; er ist also sozusagen die Princess Diana des Rechts. Der New Brandeis School geht es um eine stärkere Durchsetzung des Kartellrechts („more intervention“), gerade angesichts der Wettbewerbsentwicklungen im Internet. Brandeis ist dafür ein guter Patron, da er nicht nur das Kartellrecht ernst genommen hat, sondern auch – gemeinsam mit Samuel Warren – das Recht auf Privatsphäre erfunden hat. (Das gibt mir Gelegenheit auf einen fast zehn Jahre alten Text von mir zu verweisen.)

Ob die New Brandeis School tatsächlich eine neue Theorie hat oder ob sie eher eine politische Beschwörung ist, bleibt abzuwarten. Ich habe aber den Eindruck, dass es vermehrt Stimmen gibt, die mehr Mut zur Intervention fordern – und mehr Bewusstsein dafür, dass es im Kartellrecht um mehr geht als um eine Optimierung von statischen Effizienzen.

 

Youth of Today

Wenn man eine neue Schule begründen will, muss man ja die Jugend für sich gewinnen. Das ist dem Bundeskartellamt diese Woche gelungen. Als die Nachricht bei uns tickerte, dass die Übernahme von Four Artists durch CTS Eventim untersagt wird, meinte einer meiner Mitarbeiter: „Endlich!“  Er gehört offenbar zu den angesprochenen Verkehrskreisen, die sich über die Marktmacht von CTS Eventim schon einmal geärgert hatten. Um den Hörgewohnheiten meiner Mitarbeiter auf die Spur zu kommen, Um den sachlich relevanten Markt näher kennenzulernen, habe ich die Liste der von Four Artists vertretenen Künstler angesehen und festgestellt, dass mir die meisten Namen einfach gar nichts sagten (siehe die Überschriften dieser SSNIPpets). Schnell zum Fall, bevor ich in verfrühtes Altersgejammer verfalle. Der ist nämlich spannend. Die Entscheidung liegt noch nicht vor, aber schon im Vorgängerverfahren CTS Eventim/FKP Scorpio hatte ich die Ausführungen zur Mehrseitigkeit des Ticketingmarkts mit großem Interesse verfolgt. In der aktuellen Pressemitteilung stellt das Amt explizit auf indirekte Netzwerkeffekte und den Zugang zu Daten ab. Damit kommt § 18 Abs. 3a GWB schön zur Geltung – und zwar in einem Geschäftsfeld, das es auch schon vor Amazon und Facebook gab.

 

Rival Schools

In den USA hat die auch bei uns gelegentlich geführte Diskussion um Netzneutralität eine neue Wendung bekommen. Die Federal Communications Commission will die von der Obama-Administration durchgesetzte Verpflichtung zur neutralen Durchleitung von Daten zurückdrehen. Der Kernsatz der Mitteilung dazu: “Under Chairman Pai’s leadership, the FCC has proposed returning to the longstanding light-touch regulatory framework for the Internet and restoring the market-based policies necessary to preserve the future of Internet Freedom.” Diese Sprachregelung sollte man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wahrscheinlich ist es aber wirklich die Schlüsselfrage, die in Zukunft beantwortet werden muss: Welche Leistungen des Netzes sind essential facilities? Michael Hanfeld ordnet in der FAZ den Konflikt ein.

 

The Courteeners

“Ja, auch die Justiz steht im Wettbewerb”, so beginnt mein Düsseldorfer Kollege Ulrich Noack in seinem unternehmensrechtlichen Blog den Bericht über ein Arbeitspapier, das an meinem Lehrstuhl entstanden ist. Darin fordern Tristan Rohner und ich, staatliche Gerichte für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten zu stärken. Handlungsbedarf besteht: In anderen EU-Staaten wird längst an “Commercial Courts” gebastelt, um diejenigen Verfahren aufzufangen, die nach dem Brexit aus London abwandern. Das LG Düsseldorf ist im Patentrecht ein weltweit anerkanntes Gericht. Warum sollte das in anderen Feldern nicht möglich sein? Falls das klappt, wäre das nicht nur ein Gewinn für den Standort, sondern auch für die Rechtsstaatlichkeit.

Und was den Wettbewerb angeht: Den first-mover-advantage gönnen wir Ulrich Noack gern. Allen Wettbewerbs-Fans ein schönes Wochenende!

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