The Coty Case: First Comments by Haucap and Orth
The CJEU just released its long awaited decision on the Coty case. As we did with the Google case earlier this year, we asked two antitrust experts to share their first impressions about the Coty decision with us: Justus Haucap, the DICE economist, and Mark Orth, the MEO lawyer, explain a case that defines online distribution.
Justus Haucap
“A supplier of luxury goods can prohibit its authorised distributors from selling those goods on a third-party internet platform such as Amazon”. This is the headline of the EU’s Court of Justice’s Santa Claus press release of 6 December 2017 on the long awaited judgement on the Coty case. In an interesting footnote the Court also points out that its famous Pierre Fabre ruling “did not intend to set out a statement of principle according to which the preservation of a luxury image can no longer be such as to justify a restriction of competition.” From an economist’s perspective both the Court’s ruling and its clarification of the Pierre Fabre case are a relief.
Luxury products are strange beasts for economists. Consumers tend to receive their utility from consuming or using them not so much from a luxury product’s functionalities – e.g., that a Rolex watch shows the time in a particularly accurate fashion or that a luxury car is especially safe or fast – but, at least to a major extent, from other people knowing how expensive these products are. Luxury products tend to be status symbols that people use to signal something about themselves to others or that may be used as presents – as in the case of perfumes – in order to send a signal about one’s appreciation of another person. In these cases, the product becomes actually worth less for consumers if either the actual price or the perceived price of the product decreases.
Actually, for some prices ranges demand for these products may even fall with decreasing prices or even with the perception of lower prices. In these (strange) cases, consumers do not even benefit from decreasing prices, but may even be harmed. The value of the product is actually derived from the product’s high price in these cases, while typically causation runs just the other way: High consumer valuation may induce high prices. For luxury products though it is just the opposite direction of causation: High prices induce a high valuation. Hence, protecting a luxury product’s high price image is actually a form of consumer protection. Lower prices or the perception thereof, in contrast, would devalue the product for consumers.
Whether certain internet retail channels lead to a changing price image for luxury products is a question that cannot simply be answered by hard thinking. Instead, empirical evidence is key. However, it is not implausible that certain retail channels may – due to their price image – dilute a product’s (high) price image. In such a case, excluding this distribution channel actually preserves not only the product’s value, but also consumer benefits that stem from the product’s image and its signalling value.
Under which circumstances this is the case is not self-evident. For producers that are not dominant in a given market the burden of proof should rest with competition agencies though and the contractual exclusion of certain internet channels should not be seen as a hard-core restriction. Luckily, the court has clarified this now.
On a more general level, the judgement opens the door again towards a more effects-based approach to vertical restraints – something desperately needed from an economist’s viewpoint.
Mark E. Orth
“Es gibt keinen Luxus ohne Parfüm”
– Karl Lagerfeld
Mit dem Coty Urteil hat der EuGH klargestellt, dass jedenfalls Hersteller von Luxusgütern ihren Händlern im selektiven Vertrieb die Benutzung von sog. erkennbaren Dritt-Onlineplattformen untersagen dürfen und zwar unabhängig davon, ob diese Drittplattformen die Qualitätsanforderungen des Herstellers erfüllen.
Luxusimage als Rechtfertigung für selektiven Vertrieb – Klarstellung
Vorgelagert war die Frage, ob das Luxusimage dieser Waren die Einführung eines selektiven Vertriebs rechtfertigt, was der EuGH ebenfalls bejaht hat. Die gegenteilige Auffassung, die erst kürzlich vom EuG erneut geäußert worden war, bezog sich auf ein isoliertes Zitat aus der Pierre-Fabre Entscheidung. Der EuGH stellt nun klar, dass man auch dieses Zitat im Kontext der Entscheidung sehen muss und somit kein Zweifel daran bestehen kann, dass allein die Aufrechterhaltung eines Luxusimages die Einführung eines selektiven Vertriebssystems rechtfertigt. Der Grund für das selektive Vertriebssystem ist dabei, dass „ die Qualität solcher Waren nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften beruht, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht.“ (wie es der EuGH formuliert). Es geht also darum, dass diese Produkte im Auge des Verbrauchers nicht nur durch ihre materiellen Eigenschaften bestimmt werden, sondern durch die immaterielle Aufladung, die ihnen etwa durch Marketingmaßnahmen des Herstellers verliehen wird.
Sowohl Gerichtshof als auch Generalanwalt beziehen sich bei ihrer Argumentation wiederholt auf Entscheidungen aus dem Markenrecht zur Rechtfertigung ihrer Ansicht.
Das Plattformverbot an sich
Nach der Auffassung des EuGH stellen solche Klauseln, die generell die Einschaltung einer nach außen erkennbaren Onlineplattform verbieten, schon keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV dar. Maßgebliches Argument ist, dass der Hersteller die Einhaltung von Qualitätsanforderungen nicht verbindlich überprüfen kann, weil er zum Plattformbetreiber keine direkte vertragliche Beziehung hat, mittels derer er die Einhaltung der Qualitätsvorgaben verbindlich überprüfen könnte. Höchst vorsorglich führt das Gericht aus, dass auch keine Kernbeschränkung vorliegt. Überhaupt fällt auf, dass der EuGH beinahe wie in einem Rechtsgutachten eine Vielzahl von Fragen beantwortet, die eigentlich bei Befolgung seiner Rechtsauffassung entbehrlich sind. Das mag sich daraus erklären, dass sowohl deutsche Gerichts als auch das Bundeskartellamt sich in Fragen des Internetvertriebs sehr eigensinnig gezeigt haben und die zum Teil auch nicht verbindlichen Vorgaben der Kommission in diesem Bereich ausdrücklich abgelehnt haben. Dieses Risiko will der EuGH nun offensichtlich minimieren. Für die Industrie ist dieser Zugewinn an Rechtssicherheit sehr erfreulich und mag auch manchem deutschen Gericht angeraten sein. Gerade in solch dynamischen Industrien wie dem Internethandel ist die Rechtsicherheit wichtig und vor allem eine schnelle Rechtsicherheit. Es kann nicht sein, dass man wie bei der Frage des Onlineplattformverbots beinahe zehn Jahre auf eine Klärung warten musste.
Übertragung auf „Markenware“ bzw. „Qualitätsware“
Das Bundeskartellamt und auch Teile der deutschen Rechtsprechung hatten im Hinblick auf den pauschalen Ausschluss von erkennbaren Drittplattformen die Meinung vertreten, dass eine solche nicht zulässig sei, weil sie vor allem kleinen Händlern den Vertrieb über das Internet de facto unmöglich mache. Bei den Produkten über deren Vertrieb entschieden wurde, ging es vor allem um Marken-Sportartikel und gebrandete Schulrucksäcke. Während das Amt in der Sache Adidas noch auf den Hersteller einwirken konnte, dass er das Onlineplattformverbot „freiwillig“ zurücknimmt, zeigte sich ein anderer Sportartikler nämlich Asics deutlich unwilliger und das Amt entschied sich dann ein wenig überraschend dafür, genau dieses Plattformverbot bei Asics nicht mehr zu untersagen. Allerdings nicht weil es nun durch Kommissionseingaben auf den rechten Weg gebracht worden war, sondern um die „Diskussion in diesem Bereich nicht vorzeitig durch eine Entscheidung abzuwürgen“.
Kurz nach Erlass der Coty Entscheidung stellte der Präsident des Amtes nochmal klar, dass diese nur auf Luxusgüter anwendbar sei und keineswegs auf die vom Amt behandelten Fälle übertragbar sei. Das OLG Düsseldorf sah in seiner Asics Entscheidung übrigens auch kein Bedürfnis quasi rechtsgutachterlich zur Frage der Internetplattformverbote Stellung zu nehmen. Folgt man der Auffassung des Präsidenten des Bundeskartellamtes, so sind für Markenhersteller außerhalb des Luxusgüterbereichs pauschale Onlineplattformverbote also unzulässig.
Nach meinem Verständnis von der EuGH Entscheidung lässt sich dieser nicht zwingend eine Beschränkung auf den Luxusgüterbereich entnehmen. Vielmehr gilt die Aussage des EuGH bezüglich Onlineplattformverbote für sämtliche Markenprodukte oder sogar noch weitergehender für „Qualitätswaren“ (wie der Generalanwalt sie nennt) oder für sämtliche Produkte, die der Hersteller durch immaterielle Werte auflädt und sie dadurch zusätzlich bereichert. Wollte man die Entscheidung auf Luxusgüter beschränken, würde sich schon die Frage stellen, was denn Luxusgüter im Vergleich zu Nicht-Luxus Gütern ausmacht und genau diese Frage wird nirgendwo im Urteil oder in den Schlussanträgen erwähnt. Auch in der mündlichen Verhandlung hat sie keine Rolle gespielt.
Der EuGH spricht in der Entscheidung unter Berufung auf die Copad/Dior Entscheidung davon, dass die „Qualität solcher Waren nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften beruht, sondern auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht“. In den Augen der Verbraucher sei genau diese „Ausstrahlung“ das zentrale Element, was dieses Produkt von anderen unterscheidet und die Schädigung dieser Ausstrahlung sei geeignet die Qualität dieser Produkte zu beeinträchtigen.
Nach den Worten von Marilyn Monroe, wonach sie zum Schlafen nur ein Paar Tropfen Chanel N° 5 trage, erlebte das Parfüm einen sensationellen Markterfolg. Dieser wurde vom Hersteller immer wieder durch die Verknüpfung mit anderen Ikonen, wie etwa Catherine Deneuve aufgeladen. Der Verbraucher will also genau den Duft, der Marilyn Monroe so unwiderstehlich macht. Es geht also gerade um die Assoziation beim Kauf des Produkts. Dann kann aber für den Fußballschuh von Thomas Müller oder den Torwarthandschuh von Manuel Neuer nichts anderes gelten. Auch diese Produkte werden vom Kunden nicht nur wegen ihrer materiellen Eigenschaften, sondern gerade wegen ihrer „Ausstrahlung“ gekauft, die der Hersteller ihnen durch Marketingmaßnahmen verleiht. Sollte nun der Fußballschuh von Thomas Müller auf einer Onlineplattform direkt neben einem namenlosen Produkt angeboten werden, was beim Verbraucher den Eindruck erwecken könnte, dass die Ausstrahlung des Thomas-Müller-Schuh sich auch auf das namenlose Produkt erstreckt, so wäre die Qualität des Produkts beschädigt und damit auch die Kundenerwartung enttäuscht. Er will eben nicht nur einen Schuh mit bestimmten materiellen Eigenschaften, sondern auch die Ausstrahlung dazu kaufen.
Fazit zum Coty-Fall
Im Ergebnis kann somit kein Zweifel daran sein, dass die EuGH Entscheidung auch auf sämtliche Hersteller von Markenwaren oder Qualitätswaren anwendbar ist. Der Hersteller entscheidet letztlich, wie er sein Produkt positionieren will. Hält er sich dabei an die Metro-Kriterien, kann ihm das Kartellrecht diesen Weg auch nicht unmöglich machen.
Der Generalanwalt hat sich in seinen Schlussanträgen deutlich ausführlicher mit der Anwendung auf „Qualitätswaren“ beschäftigt als das Gericht, aber daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass sich das Gericht inhaltlich vom Generalanwalt absetzen wollte. Das Gericht übernimmt die maßgeblichen Gerichtszitate des Generalanwalts und seine Bezugnahme auf die Markenrechtsprechung, die übrigens auf dem brillanten Vortrag des Coty Anwalts beruhen.
Mit Karl Lagerfeld gibt es zwar keinen Luxus ohne Parfüm, aber zulässige Onlineplattformverbote auch ohne Luxus, aber eben mit Marilyn Monroe oder Thomas Müller.
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