OLG Düsseldorf: Booking braucht Bestpreisklauseln

OLG Düsseldorf: Booking braucht Bestpreisklauseln

Bestpreisklauseln sind seit Jahren ein kartellrechtliches Schlachtfeld mit Auseinandersetzungen in vielen europäischen Staaten. Jetzt hat das OLG Düsseldorf in seiner Booking-Entscheidung zugunsten des Hotelportals entschieden. In dem Fall geht es um die Kartellrechtswidrigkeit von engen Bestpreisklauseln in Vermittlungsverträgen zwischen Hotelportalen und Hotelunternehmen. Adrian Deuschle ordnet ein.


Enge und weite Bestpreisklauseln

Die Vermittlungsportale vermitteln Hotelzimmer an Endkunden. Für jede erfolgreiche Buchung über die Plattform erhalten die Betreiber eine Provision, sie liegt (so heißt es in der Entscheidung) bei 10-15 %. Wenn die Kunden ihre Buchung direkt bei dem Hotel abschließen, gehen die Plattformen leer aus, auch wenn die Verbraucher zuvor über die Plattform auf das Hotel gestoßen sind. Das ist die sogenannte Trittbrettfahrerproblematik. Zur Verhinderung des free-ridings wollen die Portalbetreiber möglichst die besten Preise auf ihrer Plattform anbieten. Bei der weiten Bestpreisklausel verpflichtet sich das Hotel, auf keinem anderen Vetriebsweg Hotelzimmer zu günstigeren Konditionen anzubieten. Bei den engen Bestpreisklauseln ist es den Hotels zumindest erlaubt, günstigere Konditionen auf anderen Online-Reservierungsportalen und auf Offline-Vertriebswegen anzubieten – nicht aber auf der eigenen Website.


Uneinheitliche Beurteilung von Bestpreisklauseln auf europäischer Ebene

Die Verwendung von Bestpreisklauseln ist schon seit Jahren ein kartellrechtlicher Dauerbrenner. Die Beurteilung der Klauseln erfolgt dabei auf europäischer Ebene nicht einheitlich. Die Kartellbehörden in Frankreich, Italien und Schweden haben jeweils Ermittlungen gegen die weite Bestpreisklausel von Booking.com eingeleitet. Diese Ermittlungen wurden wieder eingestellt, nachdem sich Booking verpflichtet hatte, in Zukunft nur noch enge Bestpreisklauseln zu verwenden. Somit wurden enge Bestpreisklauseln von diesen Kartellbehörden gebilligt. Das Bundeskartellamt hat sich nicht auf Verpflichtungszusagen eingelassen und die weiten Bestpreisklauseln von HRS in einem Beschluss für kartellrechtswidrig erklärt. Diese Entscheidung wurde vom OLG Düsseldorf bestätigt und ist mittlerweile rechtskräftig. In der Folge dieser Entscheidung hat HRS-Rivale Booking seine Verträge auf enge Bestpreisklauseln umgestellt. Im Einzelnen heißt es in den AGB:

„Die Unterkunft gewährt Booking.com Raten- und Bedingungsparität. […]

Raten- und Bedingungsparität gilt nicht für Preise und Bedingungen:

die auf anderen Online-Reservierungsportalen angeboten werden;

die auf Offline-Vertriebswegen angeboten werden, vorausgesetzt, dass diese Zimmerpreise weder online veröffentlicht noch vermarktet werden, und/oder die nicht veröffentlicht sind, vorausgesetzt, dass die Zimmerpreise nicht online vermarktet werden.“

Auch diese enge Bestpreisklausel wurde vom Bundeskartellamt in seinem Booking Beschluss für kartellrechtswidrig erklärt – in Bonn war man strenger als sonst in Europa. Die Plattform wurde verpflichtet, die engen Bestpreisklauseln aus ihren Verträgen zu entfernen. Booking ist der Verpflichtung nachgekommen, und in einer Auswertung des Amtes unterboten tatsächlich 72 % der Hotels in der Stichprobe auf ihrer Website die Booking-Preise und/oder -Konditionen. Ingo Brinker,  Christian Steinle und Ines Bodenstein von Gleiss Lutz legten für die Plattform Beschwerde zum OLG ein. Es geht um was – das OLG setzte den Streitwert immerhin auf schlappe 5 Mio. Euro fest. Mitgemacht bei der Saga haben nach D’Kart-Infos auch HRS mit Christoph Stadler (Hengeler Müller), Expedia mit Tilman Siebert (Reed Smith) und der Hotelverband mit Volker Soyez (Haver Mailänder). Aber das möge Juve verifizieren.


Wettbewerbsbeschränkung durch enge Bestpreisklauseln

Der Düsseldorfer Senat unter Vorsitz von Jürgen Kühnen mit den Richterinnen Lohse und Poling-Fleuß hat sich in seiner Entscheidung vollumfänglich zu Gunsten der Hotelvermittlungsplattformen entschieden (Beschluss vom 4.6.2019, Az. VI-Kart 2/16 (V)). Nach Ansicht des Gerichts bewirken enge Bestpreisklauseln eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 AEUV und § 1 GWB. Sie beschränken nämlich die Handlungsfreiheit der Hotelunternehmen bei der Preisbildung und beeinträchtigen dadurch den Wettbewerb auf dem Hotelportalmarkt wie auch auf dem Markt für Hotelzimmer. Durch das Verbot, die Preise auf dem Hotelportal auf ihren eigenen Online-Vertriebswegen zu unterbieten, werden Hotels in der Regel auch anderen Plattformen keine günstigeren Preise anbieten. Dieses Verhalten würde ja den eigenen Online-Vertrieb schwächen und provisionspflichtige Abschlüsse auf anderen Plattformen fördern. Zudem wird auch der Markt für Hotelzimmer geschwächt. Die Möglichkeiten der Hotels, „Maßnahmen des Kapazitätsmanagements“ einzusetzen, werden durch die enge Bestpreisklausel eingeschränkt. Das Anbieten von günstigen Restkontingenten für einen kurzen Zeitraum nur auf der eigenen Webseite ist den Hotels durch die Klausel verboten.


Wettbewerbsbeschränkende Nebenabrede in einem kartellrechtsneutralen Vertrag

Trotz der geschilderten wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der engen Bestpreisklauseln nimmt der Senat die engen Bestpreisklauseln vom Anwendungsbereich des Kartellverbots aus: Hoch lebe die Immanenztheorie! Nach wie vor gelten in der Rechtsprechung solche wettbewerbsbeschränkende Nebenabreden als vom Kartellverbot ausgenommen, die zur Durchführung eines kartellrechtsneutralen Vertrages erforderlich und zeitlich, räumlich sowie sachlich auf das notwendige Maß beschränkt sind. (Andere Stimmen sagen, diese Konstellationen könnte man auch mit § 2 GWB bzw. Art. 101 Abs. 3 AEUV lösen, statt auf eine ungeschriebene Tatbestandsrestriktion zu rekurrieren, aber gut. Immerhin bietet das OLG in seiner Entscheidung eine hervorragende Zusammenfassung der Anwendungsfälle der Immanenztheorie.)

Die Voraussetzungen hat das OLG bei engen Bestpreisklauseln angenommen:

„Die Vereinbarung zur Raten- und Bedingungsparität ist notwendig, um einen fairen und ausgewogenen Leistungsaustausch zwischen den Beteiligten als Portalbetreiber und den vertragsgebundenen Hotels als Abnehmer der Vermittlungsdienstleistung zu gewährleisten, und sie geht weder zeitlich noch räumlich oder sachlich über das zur Zielerreichung Erforderliche hinaus.“

Die Portalbetreiber gehen durch die Einrichtung der Webseite und die Listung der Hotelunternehmen in Vorleistung. Diese Vorleistung würde konterkariert, wenn Anreize geschaffen würden, provisionsfreie Buchungen auf der Hotelwebseite abzuschließen. Das Anbieten von günstigeren Konditionen auf der eigenen Webseite entfalte eine erhebliche Sogwirkung auf die Verbraucher gegen die sich die Portalbetreiber absichern müssen. Ob diese Sogwirkung tatsächlich entsteht, ist nach Ansicht des Gerichts irrelevant. Würde die Preisunterbietung keine nennenswerte Sogwirkung entfalten, wären enge Bestpreisklauseln konsequenterweise schon keine spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Besteht diese Sogwirkung hingegen, müssen sich die Vermittlungsplattformen dagegen absichern. Das OLG nennt das potentielle free-riding ein „illoyales, treuwidriges Ausnutzen der Vertragsanstrengungen von Booking“.

Das ist zumindest insofern eine Überraschung, als das Gericht in diesem Verfahren im März 2017 umfangreiche Nachermittlungen „zu der Bedeutung und den Auswirkungen der engen Bestpreisklausel“ erbeten hatte – das Amt hat daraufhin noch einmal kräftig ermittelt.


Kein milderes Mittel

Eine den Wettbewerb weniger belastende Gestaltung des Hotelportalvertrags ist nach Ansicht des Gericht nicht möglich. Geprüft wurden dazu die von Metasuchmaschinen praktizierte Abrechnung per Klick und die Einführung einer Listungsgebühr. Hier handelt es sich aber um erfolgsunabhängige Gebühren. Diese würden die Zahl der bei Booking gelisteten Hotels reduzieren und somit letztlich den Wettbewerb zwischen den Hotels, sowie die Markttransparenz für den Kunden erheblich einschränken.


Ausblick

Sollte etwa mit diesem Entscheid aus der Cecilienallee das letzte Wort in Sachen Preisparität gesprochen sein? Keine Sorge – die Klauseln werden ein Thema bleiben. Zunächst ist abzuwarten, ob das Bundeskartellamt gegen die Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde einlegt. Sollte die Entscheidung rechtskräftig werden, müssen sich die Hotelunternehmen in Zukunft auf dem deutschen Markt mit engen Bestpreisklauseln abfinden.

Auf europäischer Ebene ist die Sache längst nicht durch:  In einigen Mitgliedstaaten ist der Gesetzgeber schon tätig geworden und hat Bestpreisklauseln insgesamt für unwirksam erklärt. Die Kommission hat sich zu Bestpreisklauseln bisher nicht eindeutig positioniert. Weder der Monitoring report noch die Ausführungen im Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel haben zur Klarheit beigetragen. Bestpreisklauseln sind auch ein Thema der Platform-to-business-Regulation der EU.

Allemal bietet der Beschluss spannende Lektüre für diejenigen, die sich mit der digitalen Ökonomie befassen. Wer profitiert eigentlich wie von der „Plattformisierung“? Interessant liest sich etwa die Auswertung, wo Kunden eigentlich ihre Hotels buchen: Wer sein Hotel über Google findet, bucht zu 47 % auf der Hotel-Webseite, zu 38 % über Booking, zu 11 % über HRS. Sucht man über Check24 oder Trivago sehen die Zahlen schon wieder ganz anders aus. Interpretation: Offen. Waren in der jüngsten Vergangenheit die Plattformen in der öffentlichen Diskussion arg unter Druck geraten, zeigt der OLG-Senat jetzt auch ihre Positivwirkungen auf. Wer ist schützenswert? Die Hotels, die sich von Booking abhängig gemacht haben? Oder die Plattform, die einen effizienten Vertriebskanal mit großen Chancen selbst für kleine Unternehmen eröffnet hat? Den Vorwurf des Marktmachtmissbrauchs hat das OLG nur kurz geprüft und offengelassen, ob Booking marktbeherrschend oder wenigstens marktmächtig ist. Wenn eine Klausel notwendig ist, um einen fairen Leistungsaustausch zu garantieren, müsste sie selbst einem Marktbeherrscher zur Verfügung stehen. Das Unternehmen selbst bezeichnet sich immerhin als „the world’s leading provider of online travel and related services“ (Stand der Website vom 6.6.2019 – irgendwann wird die Compliance-Abteilung solche Sätze tilgen). Mal sehen, ob der Weltmarktführer es schafft, die engen Bestpreisklauseln jetzt bei den Vertragspartnern wieder voll durchzusetzen.

6 Gedanken zu „OLG Düsseldorf: Booking braucht Bestpreisklauseln

  1. Sehr geehrter Herr Deuschle samt D’Kart fanatische Kartellrechtler,

    die Düsseldorfer Senatsmeinung ist sehr spannend, gerade auch aus Sicht eines Ibiza-(nur Video-)geschädigten Österreichers.
    Bei uns wird selbst eine enge Bestpreisklausel recht locker als „aggressive Geschäftspraktik“ (Anhang Z 32. öUWG) und „absolut nichtig“ (§ 7 Preisauszeichnungsgesetz) qualifiziert.
    Der Verfassungsgerichtshof bestätigt die Verfassungskonformität des gesetzlichen Verbots enger Bestpreisklauseln mit folgender Argumentation (G 44-45/2017-9, 29.09.2017):
    ***
    „2.4.9.2. Im Gegensatz zur Auffassung der antragstellenden Gesellschaft sind die bekämpften Regelungen auch geeignet, das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, nämlich die Sicherung eines freien Wettbewerbs und damit auch die Wahrung der Verbraucherinteressen, zu erreichen: Unter der den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegenden – aus einer verfassungsrechtlichen Perspektive nicht in Zweifel zu ziehenden – Prämisse, dass das Verbot, auf anderen Vertriebswegen (inklusive der eigenen Webseite) günstigere Konditionen für die eigenen Leistungen anzubieten, eine Beschränkung des Wettbewerbs darstellt, ist die Untersagung derartiger Verbote zweifellos geeignet, den freien Wettbewerb zu fördern. Dabei gilt es zu beachten, dass die Prognose, ob eine gesetzgeberische Maßnahme geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, primär dem Gesetzgeber selbst obliegt. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber nur dann entgegentreten, wenn die Eignung von vornherein auszuschließen ist (VfSlg. 13.725/1994; auch VfSlg. 12.379/1990)….“
    ***
    Wenn aber Düsseldorf richtig liegt und Immanztheorie sticht, müsste dann das Ergebnis der Gesetzesprüfung anders ausfallen? Weiß ich nicht – immerhin ist jetzt einmal unsere Präsidentin des Verfassungsgerichtshof, unter deren Hoheit obige Entscheidung ergangen ist, Bundeskanzlerin der Alpenrepublik. Schauen wir einmal, was nach dem Sommer kommt.

    Beste Grüße
    Johannes Barbist (BINDER GRÖSSWANG)

    1. The Bundeskartellamt declared the use of wide MFN clauses as unlawful in 2013 (Case: B9-66/10). This decision was confirmed by the Düsseldorf Higher Regional Court and is legally binding. For this reason Booking switched to narrow MFN clauses. However the Bundeskartellamt declared the use of narrow MFN clauses by Booking as an infringement of Art. 101(1) TFEU and § 1 GWB. Booking filed a complaint against this decision. The Düsseldorf Higher Regional Court stated that narow MFN clauses do not violate competition law. That was why this case concerned narrow MFN clauses.
      Greetings,
      Adrian Deuschle

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