Breaking News: Demokratischer Aufbruch bei der Studienvereinigung
Es ist, als ob es Frühling wäre, so kurz vor Weihnachten: Die Studienvereinigung Kartellrecht, der Verein der Kartellrechtsanwälte, tagte heute in Bonn, und dort fand etwas geradezu Unerhörtes statt: Wettbewerb um die Vorstandsposten. Wir waren zwar nicht dabei, aber – wie heißt es im Journalistensprech – uns liegen die Ergebnisse vor. Hier sozusagen als breaking news – und noch vor CNN!
Die Ausgangslage
Die Studienvereinigung Kartellrecht ist 1965 von 14 Anwälten gegründet worden, die das Kartellrecht für sich entdeckt hatten. Die Namen des ersten Vorstands lesen sich heute wie Sterne auf dem deutschen Antitrust Walk of Fame: Herbert Axster, Dietrich Ehle, Günther Wildanger, Hans Hengeler, Philipp Möhring, Heinz Rowedder, Arved Deringer. Sie nannten das Studienvereinigung, weil es das Lehrbuch von Volker Emmerich und den Kommentar von Bechtold ja noch gar nicht gab. Also musste eine Lerngruppe her. 120 Mark war damals der Mitgliedsbeitrag (nach einer entry fee von 350 Mark). (Wir wissen das übrigens aus der Broschüre zum 50. Geburtstag.) Die jeweiligen Vorsitzenden hatten, nun ja, einen ausgeprägten Sensus für Kontinuität: Herbert Axster blieb bis 1972 im Amt, dann übernahm Alfred-Carl Gaedertz bis 1994, es folgte Cornelis Canenbley, der 2006 an Frank Montag übergab. Und jetzt, es sind nicht einmal 12 Jahre um, da tritt Frank Montag schon wieder ab.
Die Parallelen zur CDU drängen sich natürlich in diesen Tagen auf, bei deren Parteitag in Hamburg entschieden ja 1001 Delegierte über die Nachfolge von Frau Merkel, und kaum vorstellbar schien es eine Zeitlang, dass sie überhaupt jemals ersetzt werden könnte. Elektrisiert, so hieß es, waren die Christdemokraten, dass es Wahlkampf gab. Wie “verkaufen” sich die Kandidaten? Wer plädiert für die Abschaffung welcher Grundrechte? Wer zieht die Strippen? Wer bietet “spätabends an der Tanzfläche” noch Posten an?
Aber ruhig Blut, liebe Leserinnen und Leser, wir schreiben heute nicht von der CDU, sondern von der Studienvereinigung, die natürlich für Wahlkampf viel zu fein ist. In dieser, sagen wir mal, “gehobenen Mittelschicht” der deutschen Juristenzunft geht es nur um eines: competition on the merits.
Das Vorspiel
Schon 1965 hatte die Studienvereinigung sieben Vorstände (bei 14 Mitgliedern insgesamt). Jetzt sollen es weit über 1.000 Mitglieder sein, fast 550 stimmten heute ab, aber noch immer gibt es nur 7 Vorstandsposten plus jeweils einen Vorstand aus Österreich und der Schweiz. Sieben Positionen, die in der Politkrimi-Metropole a.D. Bonn (und nicht, wie in den vergangenen Jahren, im doch eher etwas beschaulichen Baden-Baden) zu vergeben sind. Von den Amtsinhabern traten neben Frank Montag auch Wolfgang Deselaers und Dirk Schroeder (gerade übrigens mit einer sehr gewichtigen Festschrift geehrt!) nicht mehr an.
Was tut ein sorgender Vorstand in dieser Lage? Einem wohl alten Brauch zufolge gilt es, schmerzvolle Vakanzen im Vorstand zu vermeiden. Nicht auszudenken, es fände sich kein Kandidat (m/w/d)! Also sondierte der Noch-Vorstand und schlug mit der Ladung zur Mitgliederversammlung im Oktober drei Nachfolger/innen vor, die zufällig aus den Kanzleien bzw. Ex-Kanzleien der verdienten Herren, die nun ihre Plätze räumten, kamen. Und wie schön für das CDU-Elektrisiergefühl: Es fanden sich noch zahlreiche weitere Kandidatinnen und Kandidaten! Soviel Wettbewerb war selten. Dass Wettbewerb überhaupt ein workable concept ist, hatte kurz zuvor die Schweizer Sektion bewiesen, in der sich Mario Strebel als Nachfolger des abtretenden Obmanns Franz Hoffet durchsetzte. Österreich wird von Axel Reidlinger vertreten.
Die Mitgliederversammlung
Wie organisiert man nun einen Markt so, dass die Auswahlentscheidung der Marktteilnehmer funktioniert? “Aus gegebenem Anlass” wies man in einem Rundschreiben auf Verschiedenes hin, z.B. dass man sich bitte ab 8.00 Uhr einfinden und registrieren möge, damit die MV um 9.00 Uhr beginnen kann, und dass jeder nur zwei Vollmachten haben könne, und dass es überhaupt wohl recht voll werde.
Das Ergebnis
Dann wurde es spannend: Die Kandidatinnen und Kandidaten stellten sich vor. Die Reden waren nach Auskunft unseres anonym bleiben wollenden Informanten “teilweise sehr kämpferisch”. 14 Kandidaten, darunter fünf Frauen, sieben Stimmen. Es wurde gewählt. Die Stimmen wurden gezählt. Währenddessen trat Andreas Mundt auf wie früher die bekanntesten Bands der Welt zwischen den Wetten in “Wetten, dass…?”. Und dann stieg weißer Rauch aus den Schornsteinen des Hotels Kameha in Bonn auf (sofern dieser stylishe Komplex überhaupt noch Schornsteine hat und nicht schlicht mit positiver Energie elektrisierter Kartellrechtler betrieben wird). So oder so ähnlich muss es sich abgespielt haben, dessen sind wir uns sicher. Ebenfalls sicher: Habemus papam!
Ingo Brinker, im Hauptberuf Partner bei Gleiss Lutz in München, ist neuer Vorsitzender der Studienvereinigung Kartellrecht. Aber bis das feststand, bis es wirklich blütenweißer Rauch war, war ein Wahlmarathon zu absolvieren. Zwischendurch wurde auch noch fachlich gesprochen, ja. Wer das nachverfolgen will, der liest am besten den Twitter-Account von Till Steinvorth nach, der uns auch das Vorschaubild borgte. Das klingt schon recht spannend, was Andreas Mundt (u.a.) berichteten. Aber wen interessiert schon, sagen wir, die WuW, wenn man stattdessen auch die BUNTE lesen kann? [Okay, eine Person gibt es, das ist der Anwalt, der mir heute wegen dieses BGH-Urteils schrieb…]
Zu den vier Wahlgängen kam es, weil die Kartellrechtsgranden der Vergangenheit in der Satzung vorgesehen hatten, dass in den Vorstand nur gewählt werden kann, wer auch eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen kann. Das schafften im ersten Wahlgang Daniela Seeliger (Linklaters), Anne Federle (Bird & Bird), Ingo Brinker (Gleiss Lutz), Christoph Stadler (Hengeler Mueller) und Albrecht Bach (Oppenländer). Das sind fünf. Macht: Zwei Plätze noch offen. Dafür neun Bewerber. Selbst bei Castingshows im Trash-TV lässt man nicht so viele Top-Talente XXL “zittern”! Was jetzt kam, zog sich erstens hin und illustrierte zweitens, was eine “split vote” ist. Es brauchte Wahlgang um Wahlgang, bis nach zahllosen Stunden und immer weiteren Rücknahmen von Kandidaturen nur noch drei Kandidaten für die zwei Plätze übrig waren – und Marc Besen (Clifford Chance) und Kathrin Westermann (Noerr) setzten sich durch. Pjuuuuuuuufffffff!
Wir sind jetzt noch ganz atemlos vor Aufregung, um ehrlich zu sein. Das Ergebnis ist ein Generationswechsel, und immerhin sind es jetzt drei Frauen. Auch geographisch ist das Feld gut gemischt, mit jeweils zwei Personen aus den Hauptstädten des Kartellrechts, ergänzt um München, Stuttgart und Berlin. Dass es überhaupt so viel Interesse an diesem Ehrenamt gibt, für das sich schlecht die Stunden billen lassen, zeigt… ja, was eigentlich? Und was heißt das für die Kanzleien? Vielleicht überlassen wir die übrigen Schlüsse lieber den Vertretern des Andenpakts – oder der Juve.
Die Zukunft
Wie es weitergehen wird? Der neue Vorsitzende wird sich am Sonntagabend den Fragen von Anne Will stellen, direkt nach dem Tatort, und die Nation über sein Programm aufklären. Die Gewählten werden etwas mehr arbeiten müssen als bisher, aber kein Problem: Mehr geht immer. Die couragierten Bewerber/innen, die es nicht in den Vorstand geschafft haben, werden sich sagen: Besser ist es wohl. Und statt eine Konkurrenztruppe zu gründen, bringen sie sich energisch in die Studienvereinigung ein. Ihnen allen ein herzliches “Glück auf”! (So sagt man das hier am Schreibtisch des Ruhrgebiets.)
Den ausscheidenden Vorständen gilt Lob und Ehre dafür, dass sie diese immer beeindruckend kluge und engagierte Studienvereinigung auf Kurs gehalten haben. Und im Sinne der consumer welfare wünschen wir uns nur noch, dass die Anwaltschaft jetzt noch überzeugender den Mandanten sagt, dass Wettbewerb eigentlich sogar eine ziemlich feine Sache ist. E-lec-tric.
2 thoughts on “Breaking News: Demokratischer Aufbruch bei der Studienvereinigung”