Abzugsfähigkeit von Kartellgeldbußen
Die steuerliche (Nicht-)Abzugsfähigkeit von Kartellgeldbußen als gewinnmindernde Betriebsausgabe ist ein Dauerbrenner für die Finanzgerichte. Nach Urteilen des Bundesfinanzhofs und des Finanzgerichts Köln hat sich kürzlich auch das Finanzgericht Münster mit der Materie beschäftigt. Anlass genug für Fan Wu, das Thema umfassend aufzuarbeiten.
Einleitung
In einer jüngeren Entscheidung vom 22. Dezember 2017 (Az.: 4 K 1099/15 G, F, Zerl) hat sich das FG Münster der Rechtsprechung des BFH angeschlossen, der am 7. November 2013 (Az.: IV R 4/12) geurteilt hatte, dass europäischen Kartellgeldbußen grundsätzlich keine abschöpfende – und damit steuerrechtlich keine gewinnmindernde – Wirkung zukomme. Hinsichtlich Bußgeldern des Bundeskartellamts vertrat das FG Köln mit Urteil vom 24. November 2016 (Az.: 10 K 659/16) die Auffassung, dass auch deutsche Kartellgeldbußen unter das Abzugsverbot fallen. Zwar ist in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 EStG normiert, dass Geldbußen dann als Betriebsausgabe den Gewinn mindern können, wenn durch diese der wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft worden ist und „wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind“, also eine sogenannte Bruttoabschöpfung vorliegt. Die deutsche und europäische kartellrechtliche Verwaltungspraxis und die Rechtsprechung verfolgen jedoch die Linie, dass die als Folge des Verstoßes gegen Kartellrecht ausgesprochenen Geldbußen grundsätzlich rein ahndender Natur sind.
Alles für den Betrieb
Einkünfte unterliegen der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 EStG), wobei Einkünfte bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit der Gewinn sind (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG). Der Staat partizipiert an allen Einkünften ohne Rücksicht darauf, ob das die Einkunft erzielende Verhalten gesetzlich untersagt oder sittenwidrig ist (vgl. § 40 AO). Nach § 4 Abs. 4 EStG kann der Steuerpflichtige betrieblich veranlasste Aufwendungen („Veranlassungsprinzip“) gewinnmindernd geltend machen. Dahinter steht das steuerrechtliche Nettoprinzip, nach der ein jeder nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird. Erfasst werden für die Gewinnminderung alle Ausgaben, d.h. geldwerte Abflüsse (e contrario § 8 EStG) und sonstiger wertverzehrender Aufwand. Die Normen gelten über § 8 Abs. 1 S. 1 KStG und § 7 GewStG entsprechend für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer.
Die Aufwendungen müssen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sein. Dass Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder so verstandene betrieblich veranlasste Aufwendungen, mithin also Betriebsausgaben sind, erkennt das Gesetz selbst an, wenn es am Anfang des enumerativen Katalogs der gesetzlichen Abzugsverbote in § 4 Abs. 5 S. 1 EStG davon spricht, dass „[d]ie folgenden Betriebsausgaben […] den Gewinn nicht mindern [dürfen]“. Einer Geldbuße die Eigenschaft als Betriebsausgabe abzusprechen, wird damit ersichtlich nicht vertreten. Dies ist auch deshalb fernliegend, weil zwischen dem Betrieb und der Geldbuße als reaktive staatliche Sanktion eine Konnexität in der Gestalt besteht, dass Kartellverstöße im betrieblichen Zusammenhang begangen werden und somit einen betrieblich veranlassten Rechtsverstoß darstellen. Anders gesagt: Die Bildung eines Kartells kann schwerlich durch die private Lebensführung veranlasst sein. Dann ist die Begleichung der Geldbuße gleichsam betrieblich veranlasst.
Das Abzugsverbot bei Geldbußen
Als Ausnahme vom Regelfall des § 4 Abs. 4 EStG darf nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 EStG derjenige, der von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich des EStG oder von Organen der Europäischen Union eine Geldbuße auferlegt bekommt, diese nicht gewinnmindernd über § 4 Abs. 4 EStG ansetzen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, der Sanktionswirkung der Maßnahme zur vollen Geltung zu verhelfen, ohne dass das Steuerrecht diesen Zweck über eine steuerrechtlich begünstigende Gewinnminderung konterkariert. Abstrakter wird davon gesprochen, dass die Einheit der Rechtsordnung den Ausschluss der Abzugsfähigkeit gebiete.
Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 EStG wurde als Reaktion auf eine Rechtsprechungsänderung des BFH (21.11.1983 – GrS 2/82) eingeführt, nach der kein gesetzliches Abzugsverbot für Geldbußen bestehe und auch verfassungsrechtliche Grundsätze den Abzug der Geldbußen als Betriebsausgaben nicht verböten. Der Gesetzgeber kehrte mit dem Gesetz kurzerhand zum status quo ante zurück, sah sich kurz darauf jedoch mit einer Monierung durch das Bundesverfassungsgericht konfrontiert (23.01.1990 – 1 BvL 4/87 u.a.). Dieses entschied zwar, dass die (damals geltende) Rechtslage mit dem allgemeinen Gleichbehandlungssatz deshalb übereinstimmte, weil § 17 Abs. 4 OWiG, wonach die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil des Täters übersteigen soll, eine Auslegung zuließ, „bei deren Anwendung beide Bestimmungen [§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 EStG und § 17 Abs. 4 OWiG] in ihrem gegenseitigen Zusammenwirken den Anforderungen der Verfassung gerecht werden“, nämlich dadurch, dass „die bisher veröffentlichten Entscheidungen von Obergerichten bei der Auslegung des § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG […] davon aus[gehen], daß bei der Berechnung des wirtschaftlichen Vorteils die unvermeidliche Einkommensbesteuerung – gegebenenfalls im Wege der Schätzung – berücksichtigt werden müsse“. Denn erst unter dieser Prämisse sei dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit genüge getan, da mit dieser „weder eine Regelung vereinbar [ist], die dem Täter seinen Gewinn sowohl unter ordnungswidrigkeitsrechtlichen als auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten voll beläßt, noch eine Regelung, welche die vollständige Abschöpfung nach ordnungswidrigkeitsrechtlichen Grundsätzen mit einer zusätzlichen steuerrechtlichen Belastung verbindet“. Es müsse gelten, dass „entweder die Geldbuße mit dem Abschöpfungsbetrag bei der Einkommensbesteuerung abgesetzt werden kann oder ihrer Bemessung nur der um die absehbare Einkommensteuer verminderte Betrag zugrunde gelegt wird“, um eine Doppelbelastung zu vermeiden.
Dies erscheint einleuchtend: Der Steueranspruch des Staates knüpft an den Gewinn. Ohne einen solchen hat der Staat keinen Steueranspruch. Schöpft eine Geldbuße diesen Gewinn ab, so liegt kein steuerbarer Gewinn vor. Müsste der Bußgeldadressat bei abschöpfender Wirkung trotzdem sowohl die Geldbuße begleichen als auch die (nunmehr nicht mehr existenten) Gewinne versteuern, so wäre er doppelt belastet. Dies ist im Kern mittlerweile unstreitig und der Gesetzgeber hat dies mit Einführung der Rückausnahme des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 EStG auch gesetzlich (notgedrungen) zurechtgerückt. Seither gilt die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 EStG als gesichert. Nun könnte man meinen, dass damit der Abzugsfähigkeit von Kartellgeldbußen der Weg grundsätzlich geebnet worden ist. Das Gegenteil ist aber der Fall.
Wie gewonnen, so (zweimal) zerronnen!
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 EStG hat zwei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen: Zunächst muss der wirtschaftliche Vorteil durch die Geldbuße abgeschöpft worden sein. Weiterhin muss eine sogenannte Bruttoabschöpfung vorliegen, d.h. die bebußende Stelle darf die Steuern vom Einkommen und Ertrag nicht vom Bußgeld abgezogen haben (sonst sog. „Nettoabschöpfung“). Liegen beide Voraussetzungen vor, kann der Steuerpflichtige entgegen § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 EStG die Geldbuße doch steuerlich geltend machen. Nun lässt sich nicht beobachten, dass das Bundeskartellamt oder die Kommission dazu neigen würden, bei der Bebußung von Kartellrechtsverstößen eine Nettoabschöpfung vorzunehmen, also die (anteilige) Steuerbelastung vom festgesetzten Bußgeld (zumindest im Schätzungswege) abzuziehen. Im Gegenteil geht die verwaltungsbehördliche Praxis dahin, ihren Bußgeldbescheiden regelmäßig zu attestieren, dass diese nur einen ahndenden Charakter, mithin also gar keine abschöpfende Wirkung hätten.
Die Stellschraube, die dies ermöglicht, ist das bußgeldrechtliche Ermessen. Nach der Sollvorschrift des § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG soll eine Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit zieht, übersteigen. Dabei kann nach § 17 Abs. 4 S. 2 OWiG das gesetzliche Höchstmaß überschritten werden, soweit dieses hierfür nicht ausreichend ist. Nach § 30 Abs. 3 OWiG gilt § 17 Abs. 4 OWiG bei der Bebußung juristischer Personen entsprechend. Für die Kartellrechtspraxis entscheidend ist nun, dass § 81 Abs. 5 S. 1 GWB die Anwendung des § 17 Abs. 4 OWiG kurzerhand zu einer Kannvorschrift modifiziert. § 81 Abs. 5 S. 2 GWB erklärt dabei lapidar, dass bei ahndenden Geldbußen dies in der Zumessung entsprechend zu berücksichtigen sei. Gerade vor dem Hintergrund, dass nach der Gesetzesnovelle die alte Mehrerlösregelung in § 81 Abs. 2 GWB a.F. abgelöst worden ist und Bußgeldbescheide auf Basis des § 81 Abs. 5 GWB iVm. § 17 Abs. 4 OWiG durch die Ermessensentscheidung des Bundeskartellamts einen rein ahnenden Charakter haben können, würde man annehmen, dass die Höhe des Nennwerts der Bußgeldsummen nominell niedriger als vor der Gesetzesnovelle ausfallen müsste, wenn nun auf einen Abschöpfungsteil verzichtet wird.
Gerade dies sah die Gesetzesbegründung zur 7. GWB-Novelle auch vor, mit dem die Kannregelung des § 81 Abs. 5 GWB eingeführt worden ist (so BT-Drucks. 15/3640, S. 42: „Wird bei der Festsetzung der Geldbuße auf eine Abschöpfung verzichtet, so ist dies bei der Zumessung zu berücksichtigen; die Höhe der reinen Ahndungsgeldbuße wird sich also in Zukunft in der Regel um den Betrag mindern, der nach bisherigem Recht der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils diente“; vgl. zum Ganzen auch Schönfeld/Haus/Bergmann, DStR 2014, 2323, 2326). Aber trotz der fehlenden abschöpfenden Wirkung scheint eine solche Entwicklung nicht eingetreten zu sein. Manche sehen hierin auch die Quintessenz: Abgeschöpft würde immer noch, nur eben nicht mehr offen, sondern verdeckt, um die Abzugsfähigkeit zu umgehen (vgl. hierzu Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2017, 73, 75 f.).
Folgerichtig wird der Vorwurf laut, dass die Aussage, eine festgesetzte Geldbuße habe keine den wirtschaftlichen Vorteil abschöpfende Wirkung, ein bloßes Lippenbekenntnis sei, wenn diese an der Höhe von Umsatz und Gewinn des Unternehmens in der Gestalt bemessen wird, dass der Vorteil aus der Tat faktisch wirksam wieder entzogen wird (ebda). Deswegen dürfe die rechtliche Wirkung einer Maßnahme nicht von der Beschreibung durch die Behörde, sondern nur durch ihre Wirkung bestimmt werden, sodass die objektive Wirkung der Bebußung dem subjektiv Gewolltem vorgehen müsste. Es könne nur darauf ankommen, ob die Bebußung abschöpfend wirke, nicht darauf, ob der Bescheid dies auch verlautbare. Selbst eine Feststellung im Bescheid, dass die Geldbuße nur ahnde, sei steuerrechtlich unerheblich; es komme stets nur darauf an, ob eine abschöpfende Wirkung bestehe (vgl. hierzu monographisch Kersting/Drüen, Steuerrechtliche Abzugsfähigkeit von Kartellgeldbußen des Bundeskartellamts, 2016; online verfügbar bei SSRN).
Schreckt das Kartellrecht nun ab oder nicht?
Bei alldem drängt sich eine beunruhigende Frage auf: Will der auf Abschreckung der beteiligten Unternehmen (Spezialprävention) und Incentivierung der Allgemeinheit gerichtete Imperativ, keine Kartellverstöße zu begehen (Generalprävention) (vgl. hierzu auch die Bußgeldleitlinien der Kommission, Ziffer 4, und Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamts, Ziffer 4), wirklich die Früchte des Unrechts beim Täter belassen? Gedanklich schwer erträglich erscheint es, der Rechtsfolgenseite des Kartellrechts zu attestieren, dass es „nur“ ahnde, da spiegelbildlich hierzu ja gefolgert werden müsste, dass der wirtschaftliche Vorteil beim Kartellanten verbleiben müsste. Wo ist die Abschreckung, wenn der Täter den Vorteil aus der Tat behalten kann? Tut eine Geldbuße nicht erst ab dem ersten Euro „weh“, der eine Kartellrendite übersteigt? Und wäre der Einwand, die nach den Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamts und der Kommission berechneten Geldbußen erreichten sowieso eine Höhe, die den wirtschaftlichen Vorteil von Kartellverstößen effektiv zunichtemache, aber nicht abschöpfe, nicht methodisch unehrlich?
Wenn die Kommission sich ausweislich ihres „fact sheet“ zum Thema „Geldbußen bei Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht“ darauf beruft, dass „[…] sie (d.h. Kartelle) jedes Jahr Mehreinnahmen aufgrund der höheren Preise“ erzielen und darlegen, dass „Grundlage für die Höhe der Geldbuße […] ein bestimmter Prozentsatz des Jahresumsatzes“ sei und sie zuletzt darauf verweisen, dass „[d]ieser (d.h. der Wert des relevanten Umsatzes) […] allgemein als zuverlässiger Indikator für den über den betreffenden Zeitraum durch die Zuwiderhandlung verursachten wirtschaftlichen Schaden [gilt]“, so wird der Zusammenhang zwischen der Bemessung der Geldbuße und dem Ziel offensichtlich, die Vorteile des Kartells den Unternehmen zu entziehen.
Überzeugender wäre daher zumindest die These, dass das Bußgeld nicht das alleinige Mittel der Abschöpfung sei, sondern das Bundeskartellamt über § 34 GWB (und neuerdings auch Verbände über § 34a GWB) eine verwaltungsrechtliche Vorteilsabschöpfung (zeitlich nachgelagert) verfolgen könnte. Oder dass im Zuge der 9. GWB-Novelle die private Rechtsdurchsetzung eine erfolgreiche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen einfacher gemacht hat und damit eine privatrechtliche Vorteilsabschöpfung wahrscheinlicher geworden ist. Nichtsdestotrotz verbleibt der Eindruck, dass die Nichtberechnung und -ausweisung abschöpfender Teile des Bußgeldes zum einen das Ziel verfolgt, die Berechnung simpler zu gestalten, als sie sein sollte, und zum anderen, steuerrechtlich die – verfassungsrechtlich gebotene! – Abzugsfähigkeit zu torpedieren. Das gilt gerade auf europäischer Ebene, wo zwar das private enforcement angeschoben wird, eine behördliche Gewinnabschöpfung aber außerhalb des bußgeldrechtlichen Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens überhaupt nicht existiert.
Man muss es nur wollen!
Die neuere finanzgerichtliche Rechtsprechung hat sich vorerst darauf eingerichtet, dass die wirtschaftliche Abschöpfung subjektiv gewollt sein muss. Und das Bundeskartellamt deklariert regelmäßig – und sei es auch kontrafaktisch – in seinen Bescheiden, dass die Bebußung den wirtschaftlichen Vorteil nicht abschöpfe, sondern „ausschließlich ahndenden Charakter“ habe. Die Finanzgerichtsbarkeit nimmt das hin, ohne dies einer eigenständigen steuerrechtlichen Untersuchung zu unterwerfen. Da auch die Kommission im Verfahren vor dem BFH (07.11.2013 – IV R 4/12) darauf verwies, dass ihren Kartellbußgeldern keine abschöpfende Wirkung zukomme, scheinen die Chancen für die Geltendmachung einer Geldbuße als gewinnmindernde Betriebsausgabe derzeit schlecht zu stehen.
Allerdings ist unter dem Aktenzeichen XI R 40/17 das Revisionsverfahren beim BFH gegen das eingangs erwähnte Urteil des FG Köln anhängig. Der 11. Senat wird also hoffentlich zeitnah die Möglichkeit erhalten, sich mit den rechtlichen Argumenten, die für eine abschöpfende Wirkung der Bußgeldentscheidungen des Bundeskartellamts sprechen, auseinanderzusetzen. Die Empfehlung Drüens, man möge Fälle zur Abzugsfähigkeit von Kartellbußen offenhalten (Drüen, DB 2013, 1133, 1139), behält damit weiterhin ihre Gültigkeit. Hoffnungslos wäre ein solches Unterfangen nämlich nicht. In der Rückschau war der 1. Senat des BFH bei der Beurteilung der abschöpfenden Wirkung von Kartellgeldbußen nämlich schon weiter. Mit Urteil vom 09.06.1999 (I R 100/97) stellte er zur alten Rechtslage im Rahmen der Anwendung der § 81 Abs. 2 a.F. GWB iVm. § 17 Abs. 4 OWiG fest, dass „[d]er wirtschaftliche Vorteil […] – jedenfalls im Regelfall („soll“) – immer die nach oben hin offene […] Untergrenze der Bußgeldfestsetzung dar[stellt und] [i]nnerhalb dieser Grenze […] der Geldbuße eine ahndende und zugleich abschöpfende Doppelfunktion zu[kommt und] sie bezogen auf den abschöpfenden Teil „nur der Form nach Sanktion“ [ist]“. Auch stellte er klar, dass „dieser Teil des derart festgesetzten einheitlichen Bußgeldes [nicht] „eindeutig“ abgrenzbar sein müsste“, denn es genüge, „dass sich einerseits der ahndende Teil […] und andererseits der abschöpfende Teil – ggf. auch nur schätzweise […] – nachweisen lassen“.
Ausblick
Vor dem Hintergrund, dass die Finanzgerichtsbarkeit an eine Feststellung der Kartellbehörden nicht gebunden ist (dazu Kersting/Drüen, Steuerrechtliche Abzugsfähigkeit von Kartellgeldbußen des Bundeskartellamts, 2016, Rn. 65 ff.; Rooge, DB 2017, 1112, 1113), besteht für den BFH nun die Chance, dem Willen des Änderungsgesetzgebers des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 EStG, die verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbelastung zu verhindern (BT-Drucks. 12/1108, S. 52), zum Durchbruch zu verhelfen. Zwar wird man zugestehen müssen, dass es auf dem ersten Blick fragwürdig erscheinen mag, wenn das Steuerrecht durch eine Gewinnminderung den Sanktionseffekt einer Geldbuße abmildert. Mindestens ebenso fragwürdig, wenn nicht gar mehr, erscheint es jedoch, wenn das grundsätzlich wertneutrale Steuerrecht (vgl. § 40 AO) dafür in Stellung gebracht wird, entgegen dem Nettoprinzip dem Kartellanten dort eine Steuerlast aufzuerlegen, wo ein Gewinn rechtstatsächlich nicht mehr vorhanden ist, weil das Bußgeld entgegen der Verlautbarung die Früchte der Tat, auch und gerade im Sinne effektiver Abschreckung, dem Kartellanten wieder entzogen hat.
Dann wäre die Versagung einer gewinnmindernden Betriebsausgabe aber ehrlicherweise eine Doppelbelastung, der Kartellant also dadurch doppelt gestraft, dass er eine Steuer zu entrichten hat, auf die der Staat nach dem Nettoprinzip des Steuerrechts keinen Anspruch hat. Vor dem Hintergrund, dass – auch im Zuge der 9. GWB-Novelle – in der Zukunft die private Schadensrechtsdurchsetzung womöglich erfolgreicher sein wird als in der Vergangenheit, stehen Kartellanten finanziell ungemütliche Zeiten bevor.
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