Wir hätten da noch ein paar Fragen zum Autofall…

Wir hätten da noch ein paar Fragen zum Autofall…

Wir waren ehrlich gesagt mit Google Shopping noch gar nicht fertig, da eröffnete der SPIEGEL eine kartellrechtliche Großwildjagd, wie Deutschland sie wohl selten gesehen hat. Die Berichterstattung zur Fünfer-Runde von Daimler, BMW und VW (samt Audi und Porsche) haben Sie alle verfolgt, natürlich, und wahrscheinlich fragen Sie sich, was es dazu eigentlich noch zu sagen gibt. Die Frage ist berechtigt – insbesondere da das öffentliche Wissen ja beschränkt ist. Dieses begrenzte Wissen haben Professoren hier und da kommentiert, z.B. Christian Kersting im Deutschlandfunk, Justus Haucap in der Zeit, ich auf LTO. Jetzt sind aber wir dran, Fragen zu stellen. Auf diese 7 Fragen hätte ich gerne Antworten:

1. Wem nutzt das?

Kronzeugenanträge werden in aller Regel mündlich gestellt, davor gibt es Entwürfe, danach gibt es eine Transkription. Die Dokumente werden normalerweise so gut gehütet wie der Google-Algorithmus. Wie kann es sein, dass solch ein Dokument geleakt wird? Wer hat ein Interesse daran?

2. Wo sind die roten Linien?

Die Schlüsselfrage dieses Falles scheint mir zu sein, zulässige, sinnvolle Kooperation von unzulässiger, wettbewerbsschädigender Koordination abzugrenzen. Diese Trennlinie ist mangels Anschauungsmaterial schwierig zu ziehen. Seit die Kommission zum Prinzip der Legalausnahme übergegangen ist, gibt es ja kaum mehr „normale“ Kooperationsfälle, anhand derer nachvollziehbar wäre, wo die kartellrechtlichen roten Linien in der Praxis sind. Falls (und dieses falls müssen Sie sich sehr groß geschrieben vorstellen) es in diesem Fall keine hardcore restrictions gibt, ist dann dieser Fall ein Auswuchs der Selbstveranlagung?

3. Wie viele Arbeitskreise hat das Silicon Valley?

In Deutschland sind in fast allen Branchen Verbände und Arbeitskreise völlig üblich. Ich muss immer an dieses Zitat von Adam Smith denken: „People of the same trade seldom meet together, even for merriment or diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices.” Gleichzeitig weiß ich, dass in der Industrie solche Arbeitskreise für unverzichtbar gehalten werden, und dass es gute Gründe dafür gibt (die man vielleicht auch einmal deutlicher kommunizieren müsste). Und dann frage ich mich: Gibt es das bei den angriffslustigen Superwettbewerbern im Silicon Valley eigentlich auch? Treffen sich die Ingenieure, Informatiker und Manager von Facebook und Uber und Apple und Paypal eigentlich auch regelmäßig in Arbeitskreisen?

4. Wer betuppt hier wen?

Eine Woche vor der Meldung über die Arbeitskreise hatte das Bundeskartellamt Bußgelder von insgesamt 9,6 Mio. Euro gegen Automobilzulieferer verhängt, die Wärmeabschirmbleche herstellen. Nennt man das „gegengewichtige Kartellmacht“?

5. Was soll man dazu sagen?

Die Unternehmensvertreter schweigen. Wenn sie sich äußern, wird es auch manchmal lustig, etwa wenn BMW Schlagzeilen ermöglicht, denen zufolge man sich von Mitkartellanten verraten fühlt und die Zusammenarbeit aufkündigt. Aber was sagt die Politik? Sie hat kein Schweigegebot aus der Kronzeugenregelung. Sie hat aber eine Verantwortung, den freien Wettbewerb hochzuhalten. Wie sie das macht, wurde in der Bundespressekonferenz dokumentiert – danke an Jung und Naiv für diese Einblicke.

6. Apropos Politik…?

Oben habe ich ja schon das schöne Zitat von Adam Smith über die Kartellneigung von Wettbewerbern erwähnt. Das Zitat (aus „Wealth of Nations“) geht noch weiter, nämlich so: „It is impossible indeed to prevent such meetings, by any law which either could be executed, or would be consistent with liberty and justice. But though the law cannot hinder people of the same trade from sometimes assembling together, it ought to do nothing to facilitate such assemblies; much less to render them necessary.“ Soviel zum Dieselgipfel und ähnlichen Veranstaltungen. Vielleicht dürfen wir an die Politikerinnen und Politiker noch folgende Frage stellen: Sollte es in Deutschland Sammelklagen, behördliche Verbraucherrechtsdurchsetzung oder eine Kriminalisierung – und damit persönliche Haftung von Managern – bei Kartellen geben? Für Letzteres wirbt seit einiger Zeit ja schon die Monopolkommission.

7. Was ist sonst alles noch passiert (aka unsere SSNIPpets)?

Zum Abschluss ein paar Punkte, die wir wahrgenommen, aber zu wenig gewürdigt haben:

In dieser Woche hat Generalanwalt Nils Wahl zum Fall Coty Stellung genommen. Folgt der EuGH seiner Ansicht, dürfen Hersteller von Luxusprodukten den Onlinehandel stärker beschränken als es nach Pierre Fabre den Anschein hatte. Pablo Ibanez Colomo meint, die Stellungnahme sei „so full of common sense“.

Das Amt hat die Ergebnisse einer Sektoruntersuchung zu Zement und Transportbeton vorgestellt – das ist deshalb spannend, weil das ja klassisch gute Kunden bei den Kartellbehörden sind.

Und schließlich wurden Klamottenhändler Peek & Cloppenburg und Jackenhersteller Wellensteyn wegen vertikaler Preisabsprachen bebußt. Dieser Sache werde ich demnächst höchstselbst nachgehen. Denn das gibt mir einen Anlass, in dem Düsseldorfer Stammhaus des Händlers (Sie wissen schon: das eine Peek & Cloppenburg, das andere Peek & Cloppenburg ist das andere) die grandiose Aussicht auf das grandiose Dreischeibenhaus zu genießen. In dieser architektonischen Ikone des Wirtschaftswunders arbeiten heute vor allem Anwältinnen und Anwälte. Wenn die Kartellrecht können, haben die jetzt einen heißen Sommer.

Und wir? Wir haben jetzt Semesterferien vorlesungsfreie Zeit. Genießen Sie den August, liebe Leserin, lieber Leser – wo und wie auch immer!

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