SSNIPpets (27): Nachösterliches

SSNIPpets (27): Nachösterliches

Alles ist irgendwie einfacher, wenn die Sonne scheint, die Osterpause tat gut, die Hasen hoppeln – von der Last der Osterkörbchen befreit – entspannt durch Düsseldorfs Stadtparks, die Mülltrennung geht einem leicht von der Hand, und die kartellrechtlichen Entwicklungen wirken irgendwie freundlich. Nur Rupprecht Podszun lässt sich nicht erwärmen und präsentiert eiskalt die SSNIPpets – small but significant news, information and pleasantries – unser pet project!

You can read this in English, too, by switching languages.


Miba/Zollern und die Monopolkommission

Als ich noch ein Schüler war, klebten hier und dort Aufkleber mit der absolut überzeugenden Einsicht: „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.“ So einfach kann Pazifismus sein. Ich dachte daran zurück, als ich Revue passieren ließ, wie gewaltfrei und friedlich die, nun ja, „Auseinandersetzung“ um den Antrag auf Ministererlaubnis im Fall Miba/Zollern läuft.

Falls Sie es noch nicht mitbekommen haben: Das Bundeskartellamt hat das Zusammenschlussvorhaben Miba/Zollern untersagt, das Unternehmen hat daraufhin Antrag auf Ministererlaubnis gestellt. Solche Anträge sind sehr selten, immer heikel und derzeit politisch aufgeladen wegen der Diskussion um eine europäische Ministererlaubnis, die nach Siemens/Alstom angestoßen wurde. Das ist eigentlich sehr viel Futter für aufgeregte Diskussionen.

Doch was passiert? Nichts. Das Verfahren (Az. IB2-20302/14-02) findet quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Schon die Tatsache, dass im Februar ein Antrag auf Ministererlaubnis gestellt wurde, blieb der Öffentlichkeit lange verborgen. Als dann darüber berichtet wurde, fiel die fällige Auseinandersetzung schlicht aus. Nun hat die Monopolkommission ihre Stellungnahme fertig, in der sie empfiehlt, keine Ministererlaubnis zu erteilen (sigh!). Und das Echo: Kaum zu hören.

Von der Pressemitteilung, die die Monopolkommission veröffentlicht hat (die Stellungnahme selbst liegt noch nicht vor), würde ich gern schreiben, dass sie „schlicht“ ist, wenn „schlicht“ nicht so schlecht konnotiert wäre. Diese Schlichtheit ist einfach sehr, sehr schön, so wie eine gerade Linie von A wie Austria bis Z wie Zollern schön sein kann. Da wird z.B. geschrieben, dass im Rahmen der Ministererlaubnis nur solche Gemeinwohlgründe berücksichtigt werden können, die einen Inlandsbezug aufweisen. Und wenn man so weiterliest über die möglichen Gemeinwohlgründe bei „Gleitlagern mit großem Bohrungsdurchmesser“, dann ahnt man plötzlich, warum dieser Fall die Massen nicht bewegt: It’s just not sexy. Ohne den Zusammenschluss könnte Know how im Bereich Gleitlager für Windkraftanlagen verloren gehen? Gähn. 450 Arbeitsplätze können erhalten werden? Bei Edeka/Tengelmann ging es um 16.000. Keiner geht hin, der Krieg fällt aus. (Und die gerichtliche Auseinandersetzung im Fall der Erteilung einer Ministererlaubnis ja ohnehin.)


Ministeralbträume

Die Ruhe um den Fall ist allerdings keine Garantie für einen gesegneten Schlaf des zuständigen Bundeswirtschaftsministers. Es ist ja so: Peter Altmaier hält derzeit oft die eine Wange hin (Matthäus 5,39). Auf die schlagen diejenigen, die seine Nationale Industriestrategie geißeln und überhaupt mit seiner Führung des Ministeriums nicht zufrieden sind und die Rückkehr des MessiasMerz herbeisehnen. Als saarländischer Katholik schlägt Altmaier aber nicht zurück, sondern hält noch die andere Wange hin. Und gegen die kriegt er, um mal im ohnehin schon schiefen Bild zu bleiben, einen Antrag auf Ministererlaubnis gewischt. Das ist traditionell das Material, aus dem ministeriale Albträume sind. (Wenn Sie das nicht glauben, fragen Sie doch mal Sigmar Gabriel.)

Sollte Altmaier das Vorhaben gegen BKartA und Monopolkommission durchwinken, kann er sich aber sicher sein, dass er wieder eine Wange wird hinhalten müssen. Sollte er die Ministererlaubnis nicht erteilen, vermutlich auch. Vielleicht gibt ihm das ja die Kraft, im Zuge der 10. GWB-Novelle das Relikt Ministererlaubnis schlicht abzuschaffen!


Idealo vs. Google

Zurücklehnen, Popcorn bitte, das wird gut: Idealo klagt gegen Google auf Schadensersatz in Höhe von 500 Mio. Euro wegen des Verstoßes gegen Art. 102 AEUV. Der Fall, eingereicht beim Landgericht Berlin, ist eine Follow-on-Klage zur Kommissionsentscheidung Google Shopping. Selten genug: Schadensersatzklagen richteten sich ja bislang vor allem gegen Kartellbrüder, nicht gegen Missbraucher.

Mit dem Axel Springer Verlag (der hinter dem Preisvergleichsdienst Idealo steht) und Google treffen sich zwei attraktive Preisboxer der oberen Gewichtsklassen im Ring. Die Klägerin hat, das arbeitet die Juve schön heraus, als Anwaltsteam ein wunderschönes Paar zusammengespannt: Freshfields und Hausfeld. Das ist etwa so, als würde man Angela Merkel bitten, mit Horst Seehofer eine Regierung zu bilden, oder als würde man Tic Tac mit Toe auf eine Versöhnungstour schicken wollen.


Klimakids go Antitrust

An der Sciences Po in Paris findet im Juni eine Konferenz statt, die den Titel hat „Competition Law and Sustainability – addressing the broken links“. Veranstaltet wird das von einer Gruppe, die sich „We are competition“ nennt und sich als „independent student initiative“ ausweist. Die Website nennt kaum Namen. (Sie wissen ja, dass Sie in unserem Kartellrechtskalender eine Übersicht über wichtige kartellrechtliche Events finden, oder?) Den Call for Papers finde ich bemerkenswert, weil ich es erstens immer spannend finde, auf welche Ideen Studentinnen und Studenten so kommen, das ist meine déformation professionelle berufliche Neugier. Zweitens fordern sie unverblümt die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in das Feld des Kartellrechts. Klimakids go Antitrust. Seit ich mich intensiver damit befasst habe, stelle ich fest, dass es dogmatisch gar nicht so einfach und klar ist, das Wettbewerbsprinzip immer über alle anderen Gemeinwohlziele zu stellen.

Drittens frage ich mich auch, welche Generation von Kartellrechtlern hier heranwächst. Wie sieht ein Kartellrecht aus, in dem diejenigen das Sagen haben, die jetzt ihre ersten Schritte im Kartellrecht gehen? Die in einer Zeit aufwachsen, in der Lina Khans „The Amazon Antitrust Paradox“ als wichtigster kartellrechtlicher Aufsatz gilt, und die die Fusion zwischen Bayer und Monsanto so wenig leiden können wie die Aktionäre dieses Unternehmens heute (allerdings aus anderen Gründen)?


Apple Pay

Das Bundeskartellamt wird oft mit der Bundesbank verglichen: Zwei jahrzehntealte Institutionen mit unerschütterlichem Ansehen in Deutschland, unabhängig, unbestechlich, irgendwie so ein bisschen Bonner Republik, Garanten des wirtschaftlichen Erfolgs. Unter dem Wettbewerb mit europäischen Schwesterbehörden hat die Bank wohl etwas mehr gelitten als unsere Kumpels.

So schön ist Deutschland: Die Zentrale der Bundesbank. © Deutsche Bundesbank

Nun mischt sich die eine Institution in das Feld der anderen ein. Nein, nein, keine Sorge, das Bundeskartellamt macht jetzt nicht auch noch Währungspolitik, man hat ja mit Datenschutz genug zu tun. Es ist andersherum: Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz warnt vor der Dominanz amerikanischer Bezahlsysteme wie Apple Pay, Google Pay, Paypal und fürchtet um den Wettbewerb. Balz ist, so las ich es bei Werner Mussler, ein „Knapp-zwei-Meter-Mann“, versierter Kenner der Finanzaufsicht. Er hat Interviews gegeben, in denen er darlegt, dass die US-Konzerne immer stärker die Kundenbeziehung steuern und übernehmen und dadurch andere – hier: die deutschen Banken – zu Zulieferern degradieren. Diese Analyse teile ich vollauf (und habe sie auch schon, wie ich unbescheiden anmerke, vor einiger Zeit ausgeführt). Balz hat zwei Gegenmittel auf seinem Zettel: Erstens: Die Möglichkeit für Dritte, auf Daten zuzugreifen, wie sie mit der Zahlungsdiensterichtlinie  PSD-II ab September eröffnet werde. Das scheint mir ein interessanter Ansatz zu sein. Zweitens: Balz empfiehlt den Aufbau einer nationalen Alternative. Das scheint mir ein weniger interessanter Ansatz zu sein. Was auf jeden Fall interessant ist: Hanno Benders BargeldlosBlog zu diesem Thema.


Remondis/DSD

Hoffentlich haben Sie beim Entsorgen der Osternester daran gedacht, dass Abfallvermeidung immer noch der beste Umweltschutz ist. Der beste Schutz gegen eine Fusionsuntersagung durch die Kartellbehörde ist nicht etwa die Ministererlaubnis (siehe oben), sondern die sang- und klanglose Rücknahme der Anmeldung. Gerade hat das Bundeskartellamt es geschafft, dass wieder mehrere Anmeldungen zurückgenommen wurden, u.a. die Verlängerung der Lizenz von National Geographic an Gruner und Jahr. Aktuell sind immerhin sechs Hauptprüfverfahren beim Amt anhängig. Das ist nicht gerade wenig.

Stand jetzt ist die Anmeldung der Übernahme von DSD (Duales System Deutschland) durch Remondis noch nicht kompostiert worden. Das Bundeskartellamt hat aber bekannt gegeben, dass es eine Untersagung vorbereitet. (Der entstandene Papiermüll wäre dann bitte in der blauen Tonne fachgerecht zu entsorgen.)

Sollte die 4. Beschlussabteilung, der Eberhard Temme vorsitzt, noch umgestimmt werden, wäre es ein Mega-Merger der Entsorgungswirtschaft: Hier Remondis, das nach Angaben des BKartA mit Abstand größte Entsorgungsunternehmen Deutschlands. Dort DSD, das größte duale System in Deutschland. (Was ein Duales System ist, können Sie ja beim EuGH im Fall C‑385/07 P noch einmal nachlesen.)

Dass es bei einem solchen Deal ein wettbewerbliches Störgefühl gibt, um das einmal vorsichtig zu formulieren, liegt auf der Hand. Hinzu kommt, dass kolportiert wird, dass Remondis ein Meister der killer acquisition zu sein scheint: Angeblich hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren rund 50 kleine Konkurrenten übernommen, ein Großteil dieser Übernahmen war offenbar nicht anmeldepflichtig. Als Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt davon sprach, man möge bitte auch Zugriff auf die ein oder andere Fusion erhalten, die man derzeit noch nicht erfassen könne, hatte er wohl auch an die Entsorgungswirtschaft gedacht. Neue Kompetenzen kann man allerdings in die Tonne kloppen, wenn die große Strukturveränderung auf dem Markt einfach durchläuft.

Sollte Remondis/DSD wider Erwarten durchgehen, bietet der Fall Anschauungsmaterial für diesen merkwürdigen Widerspruch: Die Übernahme eines kleinen Anbieters in einem eng beschränkten regionalen Gebiet (soweit fusionskontrollrechtlich prüfbar) ist möglicherweise kritischer zu sehen als eine gigantische Strukturveränderung durch eine Elefantenhochzeit. Das ist die Folge eines Fusionskontrollrechts, das auf Marktabgrenzung aufbaut. Ceterum censeo, definitio forum esse delendam.


Späte Einsicht im Bußgeldverfahren

Wo wir gerad beim Müllsortieren sind, gehen wir gleich weiter zu Batterien. Die geistige Brücke ist, dass zu entsorgende Batterien bei mir immer viel zu lange herumliegen, weil ich sie natürlich nicht in den Restmüll werfe, aber auch vergesse, sie zum Supermarkt mitzunehmen. Das sind so meine Probleme. Andere haben andere – zum Beispiel ein Kartellproblem.

Das Bundeskartellamt hat einen „aktualisierten Fallbericht“ zu Industriebatterien veröffentlicht, demzufolge das Unternehmen Hawker im Batteriekartell noch rechtzeitig Einsicht gezeigt hat: Der Einspruch gegen die BKartA-Entscheidung war schon eingelegt. Dann hat man sich entschieden, diesen doch zurückzunehmen und mit dem Bundeskartellamt zu kooperieren und zu settlen. Till Steinvorth hat das in seinem Twitter-Feed mit zwei roten Ausrufezeichen als „Highly unusual“ bezeichnet – denn immerhin war der Fall durch das Bundeskartellamt ja bereits abgeschlossen. Das OLG Düsseldorf, die Beschwerdeinstanz, scheint eine disziplinierende Wirkung auf alle Beteiligten zu haben.


Top secret

Zum Schluss habe ich noch eine Bitte um sachdienliche Hinweise: 45,7 % der Deutschen, so hat die FES Mitte Studie ergeben, glauben an „geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben.“ Mit „geheime Organisationen“ ist meiner Interpretation nach nicht der Gesprächskreis Kartellrecht unseres Instituts gemeint (und vermutlich auch nicht, um noch einmal österlich zu werden, die Volksfront von Judäa). Wenn Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, Mitglied einer dieser geheimen Organisationen sind, melden Sie sich doch bitte bei uns. Wir hätten noch einige Wünsche für die nächsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen.

Schönes Wochenende!

Ein Gedanke zu „SSNIPpets (27): Nachösterliches

  1. Es muss einmal gesagt werden: Diese SSNIPpets sind einfach großartig. Sie sind eine subjektive aber höchst informative tour d’horizon über das was sich jüngst ereignet hat, sie sind willkommene Ablenkung für all jene, die am späten Freitagnachmittag noch im Büro sitzen um das im Laufe der Woche Unerledigte zu Ende zu bringen, sie sind Ermutigung und Labsal für alle Kartellrechtler („Kartellrecht ist fun!“) und sie sind geistreich im einem Sinn, den man den Deutschen generell und den deutschen Juristen insbesondere gerne und völlig zu Unrecht abspricht. Und dann outet sich dieser veritable Hochschullehrer auch noch als aufmerksamer JUVE-Leser und hält auch sonst nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg. BRAVO! Das musste einfach einmal gesagt werden!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert