SSNIPpets (48): Das Neueste vom Neuen

SSNIPpets (48): Das Neueste vom Neuen

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Zitiervorschlag: Podszun, DKartJ 2023, 91-96

Die 11. GWB-Novelle ist in Kraft getreten. Die 12. GWB-Novelle wird vorbereitet. Was ist eigentlich mit GWB13? Eine Antwort auf diese nicht unberechtigte Frage haben wir nicht – wohl aber die wichtigsten News in fremder und auch in eigener Sache, zusammengestellt von Rupprecht Podszun.

Der Knoten

Kürzlich sprachen wir mit einem Beobachter der kartellrechtlichen Szene in Deutschland, der sich in Köln niedergelassen hat, und er führte aus, sein Standort sei ja geradezu ideal: Die Behörden in Brüssel und Bonn seien in der Nähe und ebenso „der Düsseldorfer Knoten“. Das ist eigentlich eine gute Beschreibung: Man ist in Köln fast immer dabei, das ist pri-hi-ma, aber irgendwie ist Köln dann doch eben nur im Kartellrecht das, was der Flughafen Weeze für die Düsseldorfer Touristik ist: Ein Vorort. Wir wollen aber natürlich gar nicht in den Wettbewerb mit Köln einsteigen, sondern hier heute etwas zum „Düsseldorfer Knoten“ sagen. Ich lege das jetzt gleich mal offen: In diesen SSNIPpets wird schamlos wieder für die gute Sache geworben!

Bevor wir dahin kommen, gilt es aber, der Chronistenpflicht Genüge zu tun und die wichtigsten Links der Woche für alle zu präsentieren, die sich aus den immer asozialeren Netzwerken verabschiedet haben.

Entflechtung eines Knotens

Die 11. GWB-Novelle, u.a. mit neuer Vermögensabschöpfung und dem deutschen „New Competition Tool“ in § 32f, ist itzund in Kraft getreten. Damit beginnt hochoffiziell das Rätselraten, welchen Knoten eine Entflechtungsanordnung aus Bonn zuerst treffen wird – oder wenigstens einige der milderen Mittel… 

Wir setzen ja, etwas konservativ und langweilig, auf die Entsorgungswirtschaft, die schon länger im Blick des Bundeskartellamts ist. Punktgenau hat Kim Manuel Künstner, Rechtsanwalt bei Schulte Riesenkampff, im Auftrag von Lobbycontrol ein Gutachten vorgelegt, demzufolge das Bundeskartellamt Amazon mit Hilfe der neuen Vorschrift entflechten kann. Hier müsste die B2 im Kartellamt übernehmen, die mittlerweile von Julia Topel geführt wird. Andreas Mundt, der in dieser Frage vielleicht auch ein nicht ganz uninteressanter Ansprechpartner ist, hat kürzlich sehr überschwänglich die Sektoruntersuchung der österreichischen Kolleginnen und Kollegen von der Bundeswettbewerbsbehörde zum Lebensmitteleinzelhandel kommentiert und mit einem Emoji beklatscht. Mundt schreibt:

Natalie Harsdorf-Borsch und Team stellen die Marktsituation im 🛒 Lebensmitteleinzelhandel (#LEH) heraus, bei denen die Parallelen zu Deutschland offenkundig sind: Eine hohe Konzentration auf Handelsebene. Die großen vier Handelsketten in Österreich haben laut der BWB einen gemeinsamen Marktanteil von über 90 Prozent. Das ist in Deutschland mit Edeka, Rewe, Aldi und der Schwarz-Gruppe mit Lidl ähnlich. (…) Für mich gibt es wenig Anlass zu glauben, dass die Ergebnisse in Deutschland sehr viel anders ausfallen würden

Andreas Mundt auf LinkedIn, 4.11.2023

Die Vier von der Supermarktkasse hatten ja über den Handelsverband auch schon heftig gegen die GWB-Novelle gepoltert. Immerhin gibt uns das Erwähnen von Edeka und Rewe Anlass, den schönsten November-Song hier zu präsentieren, den wir kennen. Alexander Kirk hat mich darauf aufmerksam gemacht, was der herrliche Musiker Thomas Pigor vor sechs Jahren dichtete – hier hör- und sehbar. Absoluter Leckerbissen für alle Kartellrechtsfans!

Die Relativität der Gleichzeitigkeit 

Matthias Heider, der für die CDU lange Zeit das Kartellrecht im Deutschen Bundestag vertreten hat, hatte einst gesagt: Nach der GWB-Novelle ist vor der GWB-Novelle. Dieses Heider-Diktum wird nun quasi widerlegt. Denn die in seinem Satz mitschwingende Idee einer Sequenzialität wird im aktuellen Reformdrang durch Simultanität abgelöst. 

Man muss sich wohl das Wettbewerbsreferat des Bundeswirtschaftsministeriums wie einen Minkowski-Raum vorstellen. Der Physiker Hermann Minkowski hatte diese Idee in einem Vortrag, übrigens in Köln (!), entwickelt. Genau erklären kann ich den Ministeriumsminkowski nicht, aber es hat damit zu tun, dass Raum und Zeit relativ sind und Dinge gleichzeitig passieren. Kurz gesagt: Mit der Bekanntgabe des Inkrafttretens der 11. GWB-Novelle liegt die Öffentliche Konsultation zur 12. GWB-Novelle vor.

Das BMWK will in einem Multiple-Choice-Bogen wissen, wie man die Arbeit des Hauses so findet und was man von verschiedenen Projekten der Wettbewerbspolitischen Agenda hält. Serviert werden die Themen Kartellschadensersatz, behördlicher Verbraucherschutz, Fusionskontrolle & Ministererlaubnis und Nachhaltigkeit. Wenn dieser Multiple-Choice-Bogen Sie an Ihren TOEFL-/Führerschein- oder Mediziner-Test erinnert und Sie sich sorgen, dass Sie durchfallen, haben wir da etwas für Sie. Das Düsseldorfer Konsultations-Prep-Paket (Dürkopp)!

How not to fail the Ministerium’s multiple choice 

  • Sie wissen, dass Alexander Kirk, Philipp Offergeld und Tristan Rohner ein ganzes Buch herausgegeben haben, in dem sie sich mit dem „Kartellrecht in der Zeitenwende“ befassen und Beiträge herausragender Autorinnen und Autoren versammeln, die genau diese Agenda kommentieren und bewerten. Dieses Buch gibt’s zum Beispiel hier. Darin besichtigt Christian Kersting beispielsweise die diversen Baustellen im Kartellschadensersatzrecht.
  • Apropos Kartellschadensersatz: An dieser Stelle hatte ja kürzlich Eisfabrikant Kartellrichter Dr. Gerhard Klumpe über Ideen zur Reform des Schadensersatzrechts geschrieben, was wiederum Justus Haucap und ich dann in unserem Podcast „Bei Anruf Wettbewerb“ durchdiskutiert haben (das ist crossmediale Verwertung, yay!). Wenn Sie den Beitrag von Judge Klumpe oder andere Beiträge dieses Blogs künftig seriös zitieren wollen (seriös – d.h. in Ihrem Blogpost, LinkedIn-Eintrag, in WuW/NZKart/ZWeR, in Ihrer Doktorarbeit oder in einem Schriftsatz) – dann können Sie das mit der neuen DKartJ-Zitierung. Die DKartJ-Version eines Beitrags finden Sie, indem Sie auf diesen klicken; wenn wir ihn schon eingepflegt haben, ist DKartJ verlinkt (schauen Sie sich das zum Beispiel mal bei diesem Beitrag zur 11. GWB-Novelle an). Oder Sie schauen direkt in die fortlaufende Jahresausgabe. Ist das DKartJ eine neue kartellrechtliche Zeitschrift? Nein, es ist nur der Versuch, uns gegen den Fall zu wappnen, das hier einmal alles zusammenbricht, was uns irgendwie nicht wundern würde. Und dann wäre es doch schade um die schönen Texte, die im Darknet verschwunden wären.
  • Ein Team der HHU unter Leitung von Justus Haucap und meiner Wenigkeit hat ein umfangreiches Gutachten zu Wettbewerb & Nachhaltigkeit vorgelegt, bei dem wir für das Ministerium Optionen ausgelotet haben. Das Gutachten ist im Netz verfügbar, nämlich hier.
  • Schon 2018 habe ich mit Christoph Busch und Frauke Henning-Bodewig und mit starker Unterstützung von Gregor Schmieder ein Gutachten zum Verbraucherschutz erstellt. Sollte das Bundeskartellamt hier Befugnisse erhalten? Antworten, ebenfalls frei verfügbar, hier.

Sie haben’s gut! Sie müssen nur noch lesen und zusammenfassen. Und wir? 

Wir bleiben natürlich am Ball. Derzeit arbeiten wir im Institut für Kartellrecht zum Beispiel fieberhaft gesund, aber leidenschaftlich an der Neuauflage des Kartellrechts-Kommentars von Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, der ab der nächsten Ausgabe einen etwas kürzeren Namen haben wird. Die englischsprachige und eigentlich neue Fassung unseres DMA-Kommentars ist auch „in the making“. Die vielen kleineren Beiträge aus unserem Institut entdecken Sie in WuW, NZKart, SSRN oder dem Heft „Impulse Spezial“ des Roman-Herzog-Instituts.

Therapeutische Wirkungen des Kartellrechts

Kürzlich war Eversheds-Partner Daniel von Brevern zu einer therapeutischen Maßnahme bei uns. Er ist, nach eigener Auskunft, „besessen“ von Art. 3 Abs. 4 FKVO. Seine Obsession kreist um Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen, den Erwerb gemeinsamer Kontrolle, die EuGH-Entscheidung Austria Asphalt (Rs. C-248/16) und ihre Auslegung durch die Europäische Kommission. Inzwischen wird von Brevern sogar von der Vorstellung heimgesucht, dass sich die Kommission möglicherweise ihre Fusionsfälle einfach so zusammenpickt, wie sie es gern hätte… dabei weitgehend unbehelligt von gerichtlicher Kontrolle. 

Dem Mann konnte geholfen werden: Er nahm als Redner an unserer Ringvorlesung Kartellrecht teil, wo er unseren Studierenden in einem fesselnden Vortrag diese Probleme mit einiger Selbstironie schilderte. Sein Versprechen: Er lässt nun ab von diesem Thema, zu dem er reichlich veröffentlicht hat, meldet brav an, was anzumelden ist und glaubt fürderhin, dass Fusionskontrolle schon die Richtigen treffen wird. (Was durch die 12. GWB-Novelle eventuell zu beweisen sein wird.)

Warum ich das erwähne: Weil ich auf unsere großartige Ringvorlesung hinweisen will, zu der alle Interessentinnen und Interessenten eingeladen sind! Von Breverns Vortrag ist nur ein Beispiel für die spannenden Einblicke in den Maschinenraum des Kartellrechts. In den nächsten Wochen sprechen zum Beispiel Lilie Barski (E.ON), Romina Polley (Cleary Gottlieb), Björn Herbers (CMS) und Sabrina Raatz (LG Düsseldorf). Ob auch ihre Vorträge für Vortragende oder Publikum heilende Wirkung entfalten, wagen wir nicht zu prognostizieren, aber selbst wenn: Sie brauchen kein Rezept, es kostet nichts, Sie sind uns willkommen. (Jeden Donnerstag, 14.15 Uhr, Raum 01.22 in der Juristischen Fakultät – alle Vortragenden und Themen unter diesem Link!)

Eine Korrektur zum Zeitplan müssen wir aber gleich anbringen: Der Nachmittag mit Dirk Möller vom Bundeskartellamt, auf den ich mich aus alter Verbundenheit und wegen des heißen Themas ganz besonders gefreut hatte, müssen wir verschieben. Möllers Thema ist der Fall Burda/Funke – zwei Giganten der klassischen Medienwelt, die fortan gemeinsam vermarkten dürfen. Wer die Freigabe-Entscheidung liest (z.B. hier), weiß: da hat sich das Bundeskartellamt die Entscheidung nicht leicht gemacht. Wer mehr dazu hören möchte und nicht auf den neuen Termin in der Ringvorlesung warten möchte: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat für den 15.11.2023 um 11.00 Uhr eine Verhandlung terminiert.

Ein Gast aus Oxford

In der Ringvorlesung haben wir in diesem Semester noch ein ganz besonderes Highlight. Es ist so: Wir haben an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität ein neues Programm für Gastprofessoren, mit dem wir in jedem Wintersemester einen hochkarätigen Gast einladen können. Den Auftakt dürfen wir als Kartellrechts-Institut machen, und wir konnten Ariel Ezrachi gewinnen, der in diesen Monaten für einige Termine nach Düsseldorf kommt. Ariel Ezrachi ist Slaughter and May Professor of Competition Law an der Universität Oxford und Fellow am Pembroke College. (Unser Bekannter aus Köln würde wohl vom „Oxforder Knoten“ sprechen, wenn er über Wissenschaftsstandorte redet.) 

Ezrachi ist der Director des Oxford Centre for Competition Law and Policy, vor allem aber ist er ein Impulsgeber vieler aktueller Debatten im Kartellrecht. Seine Bücher, oft verfasst in Co-Autorenschaft mit US-Ökonom Maurice Stucke, stehen regelmäßig ganz weit oben auf der SPIEGEL-Bestsellerliste (Segment: Kartellrecht). „Virtual Competition“ wurde der Startschuss für die kritische Auseinandersetzung mit Big Tech. Der ist Ezrachi in seinem neuen Buch „How Big-Tech Barons Smash Innovation“ treu geblieben. Dazwischen lag „Competition Overdose“ mit der verstörenden These, dass es so etwas wie toxischen Wettbewerb gibt. Wer Ezrachi kennenlernen will, kommt zur Ringvorlesung am 30.11.2023 – Thema: „Digital Markets and Their Perils“.

Kulturelles Intermezzo

Off topic: Am selben Abend haben wir übrigens noch einen weiteren Termin, der mich jetzt schon tirillieren und jubilieren lässt: Wir schleifen achtzig Jura-Studierende der HHU in die Deutsche Oper am Rhein, schauen Mozarts Zauberflöte und senken den Altersdurchschnitt auf ein record low infizieren sie mit dem Kulturvirus. Kartellrechtsbezug: Rechtsanwalt Christian Horstkotte (Mayer Brown) sponsort aus Freude an der Sache den Pausendrink, ohne den Oper ja keine Oper ist. Das darf hier mal erwähnt werden!

Düsseldorf on tour

Weil wir gerade bei Gastprofessoren waren: Mein Institutskollege Christian Kersting, bekannt aus Film, Funk und Schiedsverfahren, hat sich in den oft sogenannten „Semesterferien“ keine Ferien gegönnt, sondern war als Gastprofessor an andere Universitäten eingeladen. Im September und Oktober führte es Kersting nach Brasilien. Dort unterrichtete er in der Millionenstadt São Paulo an der Fundação Getúlio Vargas Law SP; es ging um Kartellschadensersatz, Kronzeugen und die private Rechtsdurchsetzung.

Seine Gastprofessur davor, im August, hat im Rückblick noch eine ganz andere Bedeutung erhalten. Kollege Kersting war an unserer Partnerfakultät, der Harry Radzyner Law School, die zur Reichman University in Herzliya, Israel, gehört. Neben Unterrichtseinheiten zur privaten Rechtsdurchsetzung im europäischen Kartellrecht mit ca. 50 hochmotivierten israelischen Studentinnen und Studenten standen auch vielfältige Gespräche mit den Kollegen aus der Fakultät auf dem Programm. Die Zusammenarbeit und Freundschaft der beiden Partnerfakultäten ist uns ein besonderes Anliegen. In Zeiten des Terrors gegen Israel spüren wir die Verbundenheit besonders. Die Ereignisse rücken nah heran, wenn Christian Kersting von den Nachrichten der Professoren berichtet, mit denen er eben noch munter über den Campus lief, oder wenn uns Studierende, die an unserem Austauschseminar mit Herzliya teilgenommen haben, Instagram-Fotos zeigen, auf denen ihre Partnerstudierenden, die vor wenigen Monaten noch in Düsseldorf zum Seminar waren, sich in Uniform zeigen.

Geschriebenes – die Diss-List

Themenwechsel, auch wenn’s schwer fällt. Aus der Dissertationsmanufaktur unseres Instituts sind neue Arbeiten erschienen, die wir natürlich sehr empfehlen: 

  • Jörn Kramer hat seine Diss mit dem Titel „Die vertragliche Pauschalierung von Kartellschäden: zugleich eine Untersuchung zur gesamtschuldnerischen Haftung der Kartellbeteiligten“ veröffentlicht (Mohr Siebeck 2023). 
  • Julian Urban hat über „Plattformbasierte Ökosysteme im Kartellrecht“ (Nomos 2023) geschrieben, ein Thema, das vielen Beobachtern der Digitalwirtschaft unter den Nägeln brennt. 
  • Nils Overhoff hat sich in einer empirisch unterlegten Arbeit die Frage vorgeknöpft, ob die immer wieder gewährte zweite (dritte, vierte) Chance von insolventen Unternehmen eigentlich mit der Idee des Wettbewerbsschutzes kompatibel ist („Wettbewerbsschutz und die Unternehmenssanierung in der Insolvenz“, Nomos 2023). 

Sie wissen ja: alle kartellrechtlichen Dissertationen (und Habilitationen) seit 2016 gehören in die Diss-List auf dieser Seite. Arbeiten, die dort nicht verzeichnet sind, existieren quasi nur in einer Zwischenwelt, so als stünden sie in einem Bücherregal in der zweiten Reihe hinter den sieben Ordnern des Frankfurter Kommentars. Meldungen bitte gern an unser Team!

Werbefreie Zone

(„Das war jetzt aber ein wirklich langer Werbeblock“, sagt ein erschöpfter Anwalt gerade zu dem  Associate, den er gern neben sich hat, wenn er die SSNIPpets liest, weil er dann immer noch einen Zuhörer für seine Kommentierung der SSNIPpets hat, während der Associate eigentlich gern noch das jüngste RFI ausfüllen würde. Mit jeder Minute Gesprächsverlängerung sieht der Associate auch heute das Date mit seiner neuen Freundin dahinrieseln, dabei wollte er ihr „The Informant“ zeigen, um ihr mal nahezubringen, was er so tut. „Manchmal habe ich den Eindruck“, sagt der Anwalt jetzt, „die SSNIPpets auf D’Kart sind eine Dauerwerbesendung, so wie früher auf ProSieben. Kennen Sie noch? Als ich Examen geschrieben habe, hab ich zur Ablenkung die Wok-WM mit Stefan Raab geschaut, Wahnsinn, wie lange das schon wieder her ist, da stand da oben immer „Dauerwerbesendung“ im Fernseher. Kennen Sie Stefan Raab eigentlich noch? Ganz groß, ganz groß, so einen wie den gibt es heute gar nicht mehr. Gibt es die Wok-WM denn noch?“ – Der Associate will zur Antwort ansetzen, aber es geht schon weiter…)

Bye-bye-Byehilfenverbot

Wenn Sie noch einen „Long Read“ fürs Wochenende brauchen, habe ich einen Tipp, auf den ich durch einen bemerkenswerten Tweet aufmerksam wurde. Der Text, um den es geht, ist aus der Financial Times (hier zu finden). Inhalt (sehr verknappt): Die EU setzt ihr Potenzial aufs Spiel, weil sie den Binnenmarkt nicht ausreichend schützt, jenes Konstrukt, das eigentlich die Basis des gesamten europäischen Projekts ist. Gefährdet ist der Binnenmarkt vor allem durch die heftige Subventionspolitik, die sich in den letzten Jahren Bahn gebrochen hat. Laut FT hat die Kommission zwischen März 2022 und August 2023 Beihilfen in Höhe von € 733 Mrd. genehmigt. „Brussels threw the economic rule book into the fire“, heißt es in dem Text. In diesem Rulebook, nur zur Erinnerung für alle, die noch nicht weiter als bis Art. 106 AEUV geblättert haben, steht in Art. 107 Abs. 1 AEUV:

Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. (Hervorhebung nur hier)

Seit Corona heißt es wohl bye-bye Byehilfenverbot… Leisten können sich solche Ausgaben nur die wohlhabenden Staaten, oder die, die sich dafür halten. Die Folge ist eine Verzerrung des Wettbewerbs in der EU.

Der Text aus der Financial Times ließ nicht unerwähnt, dass das Problem vom Europäischen Rat erkannt wurde. Enrico Letta, ehemals italienischer Ministerpräsident, neben Pascal Lamy Chef der Denkfabrik Institut Jacques Delors, ist beauftragt, einen Bericht vorzulegen. 

Das Bemerkenswerte ist nun Folgendes: Den Text empfahl Benoît Cœuré, Präsident der französischen Kartellbehörde Autorité de la Concurrence, in einem Posting. Eh ben, dachte ich, c’est intéressant. Immerhin zittert ja mancher Wettbewerbsfreund (m/w/d) in Europa gerade vor einem erstarkenden französischen Kommissar, der möglicherweise seine heimatliche Industrie mit viel Staatsknete aufpäppeln will. Vielleicht hat er in seinem wackeren Landsmann Cœuré einen Gegenspieler.

AC (DK)

Die letzte Meldung für heute entnehmen wir einem Posting von Christian Bergqvist, Kartellrechtsprofessor in Kopenhagen. Dänemark litt, wie bereits bekannt, 16 Jahre lang unter der Marktaufteilung, die 22 Nachtclubs vorgenommen hatten. Nun dies:

Ecit Account A/S har overtrådt konkurrenceloven ved som rådgiver at være med til at etablere og opretholde et kartel, hvor en række selvstændige diskoteker og deres indkøbsselskab delte markedet imellem sig.

Das ist natürlich ein dolles Ding: Beim Disco-Kartell gab es einen Kartellgehilfen, der jetzt auch bebußt werden soll. Nein, es war nicht AC-Treuhand. Aber schöne Sprache, oder? Kann man in der auch singen? Ja, das klingt dann ungefähr so. „Skarpty lys“ von Gilli war der Hit der letzten Wochen in Dänemark. Für eine Übersetzung des sicher sehr hellsichtigen Texts wenden Sie sich bitte an eine Wettbewerbskommissarin a.D. Ihres Vertrauens.

Schönes Wochenende!

Prof. Dr. Rupprecht Podszun ist Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

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