Steuernachprüfung qua Beihilfenrecht: Apple Ireland

Steuernachprüfung qua Beihilfenrecht: Apple Ireland

Das Europäische Gericht hat sich im Streit zwischen der EU-Kommission und Irland wegen der Steuerzahlungen von Apple auf die Seite der Iren gestellt. Für Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und ihre Strategie, digitale Konzerne zu regulieren, war das ein herber Schlag. Andreas Bartosch ordnet die Entscheidung ein.

Fiskalbeihilfen gehören seit jeher zu dem m.E. geistig Anspruchsvollsten, was die Anwendung des EU-Beihilfenrechts zu bieten hat. Dabei steht das Tatbestandsmerkmal der materiellen Selektivität stets im Zentrum der Analyse. Letzteres habe ich mir einmal erlaubt, mit einer Qualle zu vergleichen: In dem Augenblick, in dem man meint, man habe sie sicher im Griff, ist sie einem schon wieder entglitten.

Diese Erfahrung hat nunmehr auch die Europäische Kommission machen dürfen. Seitdem die neue und alte Wettbewerbskommissarin, Margrethe Vestager, im Jahre 2014 ihren Posten in der Brüsseler Behörde erstmals angetreten hatte, konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich die Kontrolle des EU-Beihilfenrechts auf wenig mehr erstreckte als auf die sog. „Tax Rulings“, also Steuervorbescheide, in denen nationale Finanzbehörden einem Unternehmen vorab zusicherten, es auf eine gewisse Weise zu besteuern, m.a.W. die Bemessungsgrundlagen der Steuerschuld auf eine von dem Steuerschuldner mit der Finanzbehörde abgestimmten Art zu bestimmen. Auf den Fall Apple Ireland, in dem die Kommission Ende August 2016 befand, dass zwei Steuerbescheide der irischen Finanzverwaltung aus den Jahren 1991 und 2007 die Steuerlast des Tech-Giganten aus den USA in beihilferechtswidriger Weise verringert hatten (vgl. Komm.-E. v. 30.8.2016, Fall SA.38373), was in der Folge zu der Forderung führte, Apple möge bis zu € 13 Mrd. an den irischen Fiskus nachzahlen, ist wohl am besten der Satz anwendbar, den J.R.R. Tolkien zur Beschreibung des mächtigsten aller Ringe in seiner weltberühmten Trilogie wählte, i.e. „One ring to rule them all, one ring to find them, One ring to bring them all and in the darkness bind them!“.

Nun war es in Professor Tolkiens Erzählung aber so, dass die Zerstörung des mächtigsten aller Ringe nur dort erfolgen konnte, wo er geschmiedet wurde, m.a.W. demjenigen, der ihn zerstören wollte, musste es gelingen, ihn in den Schwarzen Turm des Lord Sauron im Lande Mordor zu werfen. Die Zerstörung des mächtigsten aller Ringe, den die Brüsseler Wettbewerbskommissarin geschmiedet hatte bzw. hatte schmieden lassen, gelang den Klägern, die sich gegen die Entscheidung aus dem Jahre 2016 wendeten, nunmehr am 15. Juli 2020 vor dem Gericht der EU in Luxemburg.

Das EuG befand in seinem auch außerhalb der Fachwelt allgemein vielbeachteten Judikat, dass der grundsätzliche Ansatz, Steuervorbescheide nach EU-Beihilfenrecht zu prüfen, wohl schon funktionieren könne. Keinesfalls überschreite die Kommission bereits dann, wenn sie „Tax Rulings“ nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV, der Vorschrift, in der das EU-beihilferechtliche Verbot enthalten ist, prüfe, ihre Kompetenzen; dem Vorwurf, dass sie sich dadurch eine „Steuerharmonisierung durch die Hintertür“ ermogeln wolle, erteilte das Gericht eine klare Absage. Und obwohl es nicht angehe, dass der sog. „arm´s length“ – Grundsatz, anhand dessen die Kommission untersucht hatte, ob ein wirtschaftlicher Vorteil auf Seiten des Unternehmens entstehe, direkt aus dem Artikel 107 Absatz 1 AEUV hergeleitet werden könne, befand es das EuG doch für rechtens, diesen anzuwenden, weil er nach dem insoweit maßgeblichen irischen Steuerrecht Gültigkeit beanspruchen durfte.

An diesem Punkt fand der Sonnenschein für die Kommissionsentscheidung indes ein jähes Ende. Danach verdunkelte sich der Himmel über jener und es blitzte, donnerte und hagelte wie folgt: Was ihre erstrangige Argumentation anging, nämlich dass die Umsätze zweier irischer Apple-Tochterunternehmen zu niedrig veranschlagt worden seien, weil die IP-Lizenzen, welche diese benutzten, wirtschaftlich ihnen zugerechnet werden müssten, bemängelte das Gericht, dass die Kommission das maßgebliche irische Steuerrecht falsch ausgelegt hatte und insbesondere nicht den Nachweis dafür erbracht hatte, dass besagte Lizenzen von den irischen Apple-Töchtern kontrolliert wurden. In Bezug auf die Hilfsargumentation, dass die Methode, die den streitgegenständlichen Steuervorbescheiden zugrunde legen hatte, Fehler aufwies, welche dazu hätten führen müssen, dass die Umsätze, die unter Ausnutzung der betreffenden IP-Lizenzen erwirtschaftet wurden, nicht aus der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Steuerschuld in der Republik Irland herausgerechnet hätten werden dürfen, bemerkte das Gericht, dass allein methodologische Fehler, die nach seiner Ansicht durchaus vorgelegen hätten, nicht ausreichten, um einen beihilferechtlich relevanten wirtschaftlichen Vorteil nachzuweisen. Und die alternative Argumentation der Kommission, dass die Erteilung der Steuervorbescheide einem Verwaltungsermessen der irischen Steuerbehörden unterlegen habe, wurde schließlich mit der Begründung zurückgewiesen, dass alleine die Existenz solchen Ermessens nicht ausreiche, um einen Verstoß gegen das Beihilfenrecht nachzuweisen, sondern vielmehr dargetan sein müsse, dass die konkrete Ermessensausübung kausal für das Entstehen eines wirtschaftlichen Vorteils sei.

Da nun alle diese Vorwürfe die Tatsachenermittlung durch die Kommission betreffen, dürfte meines Dafürhaltens die Findung von Rechtsmittelgründen ein steiniges Unterfangen werden. So hätten die Kommission und ihre Wettbewerbskommissarin vor Annahme der Entscheidung im Jahre 2016 doch besser Karl Valentins Rat befolgen sollen, der da lautete:

 „Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.“

Dr. Andreas Bartosch ist Rechtsanwalt in Brüssel und führt dort die Kanzlei Bartosch EU Law. Er ist Autor des Kommentars „EU-Beihilferecht“ (C.H. Beck, 3. Aufl. 2020).

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