Monopolkommission: Wettbewerb 2020

Monopolkommission: Wettbewerb 2020

Die Monopolkommission berät die Bundesregierung in Fragen der Wettbewerbspolitik. Heute legt sie ihr 23. Hauptgutachten vor – jedes Mal ist das eine Quelle voller Impulse und Ideen fürs Kartellrecht. Für den D’Kart-Blog gibt Dr. Klaus Holthoff-Frank, der Generalsekretär dieses unabhängigen Gremiums, einen Überblick, was die Monopolkommission diesmal zum Gegenstand ihrer Betrachtungen gemacht hat.

Was sind die Themen?

Die Monopolkommission sieht den Wettbewerb in Deutschland und Europa gegenwärtig vor allem durch drei Entwicklungen bedroht: Erstens gefährdet die Corona-Krise die wirtschaftliche Stabilität nachhaltig. In der Folge von Rezession und Strukturveränderungen wird die Konzentration auf vielen Märkten zunehmen. Zudem greift der Staat in vielfältiger Weise in das Wirtschaftsgeschehen ein. Zweitens nimmt die Marktmacht der führenden Digitalkonzerne durch den mit der Krise einhergehenden Digitalisierungsschub weiter zu. Drittens sorgt China, welches staatliche und private Unternehmen im Rahmen seiner Wirtschaftspolitik stützt und deren Handeln mit beeinflusst, für eine wachsende Belastung der europäischen Unternehmen im Binnenmarkt.

Wettbewerb in der Corona-Krise

Die Corona-Krise wird die deutsche Wirtschaft nachhaltig verändern. Um eine dauerhafte Schädigung von Marktstrukturen zu vermeiden und die Folgen der Krise für die Arbeitsmärkte zu mildern, greifen Bund, Bundesländer und Kommunen durch finanzielle Hilfen, Bürgschaften und Beteiligungen an Unternehmen massiv in die Wirtschaft ein. In der Lock-down- und in der Reaktivierungsphase haben die Unternehmen zudem einen teils verstärkten Kooperations- und Koordinierungsbedarf formuliert. All das wird Auswirkungen auf den Wettbewerb haben. Zu erwarten ist, dass es insgesamt und auch in einzelnen Wirtschaftsbereichen zu einem Konzentrationsanstieg mit der Folge einer abnehmenden Wettbewerbsintensität kommen wird. Der direkte staatliche Einfluss auf die Unternehmen wächst.

Die Monopolkommission empfiehlt, in der Corona-Krisedas Kartellrecht ohne materiell-rechtliche Abstriche anzuwenden. Angezeigt sein kann in der Krise eine flexible Anwendung des Kartellrechts bei zeitlich befristeten Unternehmenskooperationen. Bei der Zusammenschlusskontrolle gilt dies nicht. Anders als bei Kooperationen, die nach der Krise vergleichsweise einfach beendet werden können, würden durch Zusammenschlüsse einmal erlangte Machtpositionen zulasten des Wettbewerbs und der Verbraucher dauerhaft bestehen bleiben. Mit dem Instrument der Sanierungsfusion lässt das geltende Recht es auch zu, in der Krise angemessen zu reagieren. Die Monopolkommission schlägt vor, die Verlängerung der Prüfungsfristen in der Zusammenschlusskontrolle, die von März bis Mai 2020 bereits galt, bis Ende des Jahres 2020 auszudehnen, da mit einem Wiederanstieg der Anmeldezahlen in der zweiten Jahreshälfte zu rechnen ist. Mit Blick auf die staatlichen Rettungspakete für Unternehmen mahnt die Monopolkommission an, die wettbewerbsverzerrenden Wirkungen insbesondere von selektiven Hilfsmaßnahmen für einzelne Unternehmen zu beachten. Die Hilfen für die Deutsche Bahn AG schaden dem Wettbewerb auf dem Transportsektor, wenn diese nicht auch den Wettbewerbern zugute kommen, etwa indem die Hilfen für Investitionen in die Infrastruktur Schiene gewährt werden. Staatliche Beteiligungen an Unternehmen wie der Lufthansa sollten mit wettbewerbsfördernden Auflagen und einem Plan für die Wiederveräußerung der staatlichen Anteile flankiert werden. Die Monopolkommission ist wie die Europäische Kommission der Auffassung, dass die Bedingungen und Auflagen im Fall von staatlichen Unternehmensbeteiligungen strenger ausfallen müssen als bei reinen Finanzbeihilfen. Gut wäre, wenn die Bundesregierung ein Gremium mit unabhängigen Experten einsetzen würde, welches sie bei der Entwicklung von Strategien für den Ausstieg aus krisenbedingten staatlichen Beteiligungen berät.

Übergabe des XXII. Hauptgutachten „Wettbewerb 2018“ von Achim Wambach und Angelika Westerwelle an Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Foto: Monopolkommission (Facebook).

Missbrauchsaufsicht in der Plattformwirtschaft

Der mit der Corona-Krise einhergehende Digitalisierungsschub wird die ohnehin schon lange kritisch gesehene Marktmacht der führenden Digitalkonzerne weiter stärken. Die EU-Ratspräsidentschaft bietet Deutschland nach Auffassung der Monopolkommission eine Gelegenheit, die von der Europäischen Kommission ins Auge gefasste Weiterentwicklung des europäischen Regelungsrahmens für die digitalen Märkte aktiv mitzugestalten.

In Bezug auf marktmachtbezogene Wettbewerbsprobleme geht es um mehrere Themenfelder. Dazu gehören die Kriterien zur Feststellung von Marktmacht bei digitalen Plattformen. Außerdem geht es um das Vorgehen bei Verhaltensweisen, durch die die Marktstruktur beeinträchtigt wird, weil einzelne Märkte dauerhaft „kippen“ oder weil marktübergreifend mehr oder weniger unangreifbare „Ökosysteme“ geschaffen werden. Ebenso ist über das Vorgehen zu entscheiden, wenn sich die Marktstruktur bereits dauerhaft zugunsten einer Plattform verfestigt hat. Die Monopolkommission hält es in den erstgenannten Fällen einer beeinträchtigten Marktstruktur für sinnvoll, zunächst die deutsche Anwendungspraxis zu beobachten und gegebenenfalls hierauf aufbauend Regelungen für das europäische Recht in Betracht zu ziehen.

Für den Fall, dass sich die Marktstellung großer Plattformen dauerhaft verfestigt hat, schlägt die Monopolkommission eine spezielle Plattformverordnung vor. Sie folgt damit der von Achim Wambach geleiteten Kommission Wettbewerbsrecht 4.0. Die Verordnung sollte marktbeherrschende Plattformen einem Selbstbegünstigungsverbot und mit datenschutzrechtlichen Erfahrungen abgestimmten verschärften Interoperabilitäts- und Portabilitätsverpflichtungen unterwerfen. Ferner könnten in die Verordnung Abstellungsregelungen für Marktmachtmissbräuche mit dauerhaften Auswirkungen auf die Marktstruktur und für Verstöße gegen die in der Plattformverordnung festgelegten zusätzlichen Pflichten von beherrschenden Plattformunternehmen aufgenommen werden. Ein weiteres zu regelndes Problem ist, dass die Kartellbehörden zwar umfassende Auskunftsbefugnisse haben, beim Einsatz dieser Befugnisse im Verfahren aber auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen können. Zu empfehlen ist daher, die verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten in Fällen zu verschärfen, in denen die Behörden alle zumutbaren Ermittlungsanstrengungen unternommen haben.

Der chinesische Staatskapitalismus als Herausforderung für die europäische Marktwirtschaft

Chinesische Unternehmen spielen als Wettbewerber der Unternehmen in Europa eine immer größere Rolle. Nach den USA ist China derzeit der zweitgrößte Handelspartner der EU und die EU umgekehrt Chinas größte Handelspartner. China verfolgt mit seiner „Sozialistischen Marktwirtschaft mit chinesischen Merkmalen“ ein hybrides Wirtschaftsmodell, das sowohl staatswirtschaftliche als auch marktwirtschaftliche Elemente enthält. Stärker als in Europa greift der chinesische Staat zur Erreichung seiner industriepolitischen Ziele in das Wirtschaftsgeschehen ein.

Um Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen zu vermeiden, wird seit einiger Zeit verstärkt über Reformmöglichkeiten im europäischen Außenwirtschafts- und Wettbewerbsrecht diskutiert. Dabei ist zu beachten, dass die Einflussnahme von Drittstaaten auf die Wirtschaft bereits Regeln unterliegt. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr sind europäische Unternehmen durch Antidumping- und Antisubventionsinstrumente geschützt. Die EU-Wettbewerbsregeln sind zwar nicht unmittelbar auf Maßnahmen von Drittstaaten, aber immerhin auf das Verhalten von Unternehmen aus Drittstaaten in der EU anwendbar. Bei der Beurteilung der Marktstellung solcher Unternehmen in der Missbrauchs- und Fusionskontrolle kann zudem berücksichtigt werden, dass dahinter ein Drittstaat steht.

Schutzlücken bestehen, wenn Drittstaaten Subventionen leisten, durch die Unternehmen bei ihrer Tätigkeit in der EU einen Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht drittstaatlich subventionierten Unternehmen haben und in der Folge Marktanteile zulasten dieser Wettbewerber gewinnen können. So können drittstaatlich subventionierte Unternehmen zur Umgehung von Antidumping- oder Ausgleichszöllen ihre Produktion in die EU verlagern und die Produkte hier vertreiben. Ähnliches gilt, wenn sie subventionierte Dienstleistungen erbringen, da Dienstleistungen – anders als Waren – über das außenwirtschaftliche Instrumentarium nicht erfasst werden können. Wettbewerbsnachteile bestehen auch, wenn drittstaatlich subventionierte Unternehmen aufgrund der Subvention bei Unternehmenserwerbs- oder Beschaffungsvorgängen bessere Angebote als ihre nicht subventionierten Mitbewerber abgeben können.

Zwar profitiert die EU von Subventionen, die durch den chinesischen Steuerzahler finanziert werden und die zu niedrigpreisigen Vorprodukten oder Konsumgütern für die verarbeitende Industrie oder die europäischen Verbraucher führen. Jedoch schließt das durch die europäischen Verträge geprägte Verständnis von Wettbewerb in der EU auch eine wettbewerbliche Chancengleichheit der im Binnenmarkt tätigen Unternehmen mit ein. Zu diesem Zweck besteht im EU-Binnen­markt eine Beihilfenkontrolle. Diese ist jedoch auf drittstaatliche Unterstützungsmaßnahmen mit Auswirkungen auf den Binnenmarkt nicht anwendbar.

Elif Esra Senel und Achim Wambach bei den Aufnahmen zu #CAST4COMP. Foto: Monopolkommission (Facebook).

Die Monopolkommission empfiehlt zur Schließung der vorhandenen Lücken die Einführung eines Drittlandbeihilfeinstruments, mit dem drittstaatliche Subventionen und mitgliedstaatliche Beihilfen möglichst weitgehend gleichgestellt würden. Im Unterschied zum Vorschlag der Europäischen Kommission, die in ihrem Weißbuch über die Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei Subventionen aus Drittstaaten drei Teilinstrumente vorschlägt, befürwortet die Monopolkommission damit ein einheitliches Instrument. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Teilinstrumente würden sich zudem auf Subventionen im Sinne der Antisubventionsverordnung und des Sektorwettbewerbsrechts beziehen, während das von der Monopolkommission vorgeschlagene Instrument an der Beihilfeordnung ausgerichtet wäre. Ein derartiges Drittlandbeihilfeinstrument, das als eine auf Art. 103, 109 i. V. m. Art. 352 AEUV gestützte EU-Verordnung gefasst werden könnte, würde dafür sorgen, dass alle wirtschaftlichen Fördermaßnahmen von Staaten, die Unternehmen im EU-Binnenmarkt zugutekommen, gleich behandelt werden. Die bislang bestehende Selbstdiskriminierung bei mitgliedstaatlichen Beihilfen würde dadurch abgebaut. In Fällen des Unternehmenserwerbs und bei mitgliedsstaatlichen Beschaffungen sollte zudem für alle Beteiligten eine Stillhalteverpflichtung gelten, d. h. das Verfahren sollte bis zur Prüfung der Drittlandsbeihilfe ausgesetzt werden. Dies würde verhindern, dass die Subvention in Fällen des Unternehmenserwerbs an den Veräußerer oder bei Beschaffungen an den Träger der ausschreibenden Stelle fließt und dann diesem mittelbar Begünstigten eine mögliche Ausgleichsabgabe auferlegt werden müsste.

Außerdem behandelt wird: Brauchen wir eine Bereichsausnahme für Krankenhausfusionen?

In Deutschland wird seit längerem darüber diskutiert, ob effiziente Krankenhausstrukturen eine stärkere Konsolidierung des Krankenhaussektors erfordern und ob die kartellbehördliche Zusammenschlusskontrolle die Konsolidierung erschwert und daher geändert werden sollte. Die 10. GWB-Novelle soll nach den Vorstellungen einiger Akteure genutzt werden, gesundheitspolitisch als besonders wünschenswert betrachtete Zusammenschlussvorhaben wettbewerblich zu privilegieren. Die Rede ist von einer Bereichsausnahme für Krankenhauszusammenschlüsse in der Fusionskontrolle. Die Monopolkommission lehnt dies ab. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Zusammenschlusskontrolle bei Krankenhäusern mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist. Gegeneinander abzuwägen sind die den (Qualitäts-)Wettbewerb vermindernden Effekte von Krankenhauszusammenschlüsse mit den qualitätssteigernden Effekten. Krankenhäuser mit geringen Fallzahlen verfügen tendenziell über weniger medizinische Routine und eine schlechtere personelle sowie medizinisch-technische Ausstattung. Eine Reihe von Indizien deutet darauf hin, dass Krankenhausfusionen (ggfs. auch Krankenhauskooperationen) zumindest in Einzelfällen qualitätssteigernde Effekte haben können. Diese sollten von den Kartellbehörden stärker als bisher möglich in den Blick genommen werden können. Die Monopolkommission empfiehlt deshalb, die Abwägung zwischen wettbewerblich induzierten Qualitätsveränderungen und aus Synergieeffekten resultierenden Qualitätsvorteilen in Form einer Effizienzabwägungsklausel für Krankenhausfusionen in das GWB aufzunehmen.

Im Rahmen der Würdigung der Amtspraxis der Kartellbehörden und Gerichte geht es unter anderem um die Marktabgrenzung und die Feststellung von Marktmacht bei Werbeblockern, die Möglichkeiten der Missbrauchsaufsicht nach Art 102 AEUV bei marktbeherrschenden Plattformen, Kooperationen beim Glasfaserausbau unter Beteiligung der Deutschen Telekom, die kartellrechtliche Kontrolle der Bundesligazentralvermarktung und enge Bestpreisklauseln. Daneben analysiert die Monopolkommission den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration sowie die unternehmensspezifischen Preisaufschläge als Indikatoren für Marktmacht. Während sich die sektorübergreifende Unternehmenskonzentration in Deutschland im Zeitraum 2007 bis 2015 weitgehend konstant entwickelt hat, sind die umsatzgewichteten durchschnittlichenPreisaufschläge in der Industrie zwischen 2008 und 2017 um 17 Prozent und im Dienstleistungsbereich um 14 Prozent angestiegen.

Eine personelle Veränderung in der Monopolkommission

Letztmalig beteiligt war Dr. Angelika Westerwelle, die die Monopolkommission nach drei Amtsperioden, sprich nach 12 Jahren engagierter Arbeit, zum 30. Juni 2020 verlassen hat. Nachfolgerin von Angelika Westerwelle ist die Ökonomin (München, Berlin, Harvard Business School) Pamela Knapp, die Mitglied in Aufsichtsgremien verschiedener europäischer Konzerne ist, unter anderem im Aufsichtsrat der LANXESS AG.

Der neue Podcast der Monopolkommission: „Cast4COMPetition“

Erstmals hat die Monopolkommission einen Podcast erstellt, um Inhalte des Hauptgutachtens verständlich zu erläutern. Im Gespräch mit der WDR-Journalistin und Moderatorin Elif Senel erläutert der Vorsitzende der Monopolkommission Achim Wambach Inhalte des Hauptgutachtens in drei Blöcken, die auch einzeln abruf- und hörbar sind: Corona und Wettbewerb, Chinas Staatskapitalismus sowie Fußball, Hotels und Krankenhäuser – Wettbewerbspolitik in Aktion.

Dr. Klaus Holthoff-Frank ist seit 2012 Generalsekretär der Monopolkommission.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert