SSNIPpets (7) – in Champagnerlaune!

SSNIPpets (7) – in Champagnerlaune!

Willkommen im neuen Jahr! 2018 ist ein Jubiläumsjahr: Das GWB und die kartellrechtlichen Bestimmungen in den EWG-Verträgen traten vor 60 Jahren in Kraft, was natürlich Grund zum Feiern ist. Merken Sie sich das, wenn Sie nicht wissen, warum Sie die Champagner-Flasche, die Sie zu Weihnachten geschenkt bekommen haben, gerade heute, morgen oder sonst irgendwann in diesem Jahr trinken sollen. Damit Sie wieder reinkommen ins Kartellrecht, hat Rupprecht Podszun einige Nachrichten gescannt – hier sind unsere SSNIPpets! Die Überschriften borgen wir diesmal von unseren liebsten Feierutensilien.

Veuve Groquot

Ob das Ende der GroKo-Sondierungen Sie zum Öffnen einer Champagnerflasche veranlasst, müssen Sie natürlich selbst wissen. Was wir Ihnen sagen können: Kartellrecht ist drin. 10. GWB-Novelle ahoi!

Zitat aus dem Sondierungspapier:

„Wir brauchen eine Modernisierung des Kartellrechts in Bezug auf die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt. Für die Vereinbarkeit des Kartellrechts mit dem Genossenschaftswesen, das wir stärken wollen, werden wir die entsprechenden Bedingungen schaffen.“

Satz 1 spielt offensichtlich auf die Diskussionen an, wie das Kartellrecht mit den MAGAF-Unternehmen umgeht. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dazu bereits eine Studie ausgeschrieben. Ein Kernproblem scheint die Geschwindigkeit zu sein – sieben Jahre bis zur Google-Entscheidung ist ebenso zu lang wie eine Klärung der Facebook-Datensammelei im Jahr 2018 (at the earliest).

Und Satz 2? Ach Freunde, wir hatten uns doch eigentlich darauf verständigt, dass wir keine Sonderregeln mehr ins Kartellrecht packen wollten! Fast muss man dankbar sein, dass es nur die Genossenschaften geschafft haben, ihre Extrawürste (dazu später) schon ins Sondierungspapier zu pushen.

Es kann einfach nicht sein, dass jede Branche, die einmal ins Visier des Kartellamts gerät, ihre guten Beziehungen ins Parlament spielen lässt und das Kartellrecht für sich ausschaltet.

Diesel Perignon

Kartellrecht ist ja inzwischen auch Verbraucherschutz. Die Äußerungen dazu fallen im Sondierungspapier ziemlich schmallippig aus:

„Wir wollen den Verbraucherschutz auch in der digitalen Welt sicherstellen. Gleiches Recht für alle muss durch Netzneutralität und diskriminierungsfreien Netzzugang gewährleistet werden. Durch die Einführung einer Musterfeststellungsklage werden wir die Rechtsdurchsetzung für den Verbraucher verbessern.“

Verbraucherschutzbefugnisse für das Bundeskartellamt sind da bestenfalls im ersten Satz versteckt. Dementsprechend hat sich Verbraucherschützer Klaus Müller schon not amused gezeigt.

Hide Seek Monopol

Vor wenigen Wochen wurde Margrethe Vestager mit einem Spiegel-Interview noch gefeiert, jetzt hat sie sich laut Spiegel „verzockt“, und zwar in der wettbewerblich insgesamt unerfreulichen Pokerpartie rund um Air Berlin und Niki. So ist das eben: Hebste ab, landeste irgendwann auch wieder.

Gerade im Jubiläumsjahr des Kartellamts erinnern die aktuellen Lufthansa-Kapriolen an den großen greifbaren Erfolg von einst. Heute verweist das Amt ja auf Fälle wie Facebook, um seine Bedeutung zu unterstreichen. Vor zwanzig Jahren war das „Narrativ“: Das Bundeskartellamt hat gesichert, dass die Billigflieger in Deutschland überhaupt ein Rad an den Boden kriegen. Die Kampfpreisunterbietung der Lufthansa gegen Germania auf der Strecke Berlin – Frankfurt wurde 2002 als Behinderungsmissbrauch untersagt. Das Amt tenorierte damals, dass die Lufthansa einen Preisabstand von 35 Euro wahren muss. Recht hilfreich in der Argumentation war, dass man just zuvor ein Verfahren wegen Flugpreisspaltung auf den Strecken Berlin – München und Berlin – Frankfurt gegen die Lufthansa geführt hatte, in dem diese ihre Konditionen offenlegen und rechtfertigen musste.

Andreas Mundt hat im Interview mit der Süddeutschen Zeitung nachgelegt und die hohen Preise der Lufthansa kritisiert. Dagegen hält das Unternehmen offenbar, dass diese Preise schlicht vom Algorithmus ausgespuckt würden. Der aber, so Mundt, sei ja „nicht im Himmel vom lieben Gott geschrieben“ worden. (Wenn er sich da mal nicht täuscht…).

So hoch liegt die Latte also: Die Kommission muss jetzt das Billigfliegen retten, so wie damals das Amt. Vielleicht kommt die Deutsche Bahn zur Hilfe, wenn sie mal pünktlich ist: auf der Strecke München – Berlin gerät mit dem neuen ICE (wenn er denn…) die Marktabgrenzung zwischen Flug und Zug ins Schleudern.

Mett et Chandon

Stichwort Extrawürste: Einer der Aufregerfälle schlechthin ist das Wurstkartell, das ja zu der berühmten Wurstlücke führte, die wiederum zu den Ergänzungen in § 81 GWB durch die 9. GWB-Novelle führten, die von manchen ja für verfassungswidrig gehalten werden (von mir nicht).

Was trieb dieser Fall nicht schöne Salmonellen! Gern erinnere ich mich an den Gesichtsausdruck der Anwälte, die ich einmal fragte, ob man denn als Anwalt eigentlich jede denkbare Trickserei für den Mandanten durchziehen müsse, auch wenn man wisse, dass das eigentlich nicht so gedacht ist.

Ob es ein gerichtliches Finale dieses Falls geben wird, ist offen. Vor dem OLG Düsseldorf waren mehrere Unternehmen gegen das Bußgeld angetreten, die nicht die Wurstlücke genutzt hatten. Sie haben aber offenbar nach und nach die Verständigung mit der Generalstaatsanwaltschaft gesucht, sodass laut Neuer Westfälischer nur noch das Unternehmen Wiltmann übrig geblieben ist, das die Sache durchkämpfen will. Mal sehen, wann die weichgekocht sind.

Adventskalender de Brignac

Kurz noch einmal der Blick zurück in das alte Jahr. Wir hatten uns den Jahresrückblick ja von 24 Persönlichkeiten der Kartellrechts-Community schreiben lassen, von Thorsten Käseberg, dem BMWi-Wettbewerbschef, bis Bill Baer, der unter Obama für Kartellrecht im DoJ zuständig war. Als wir die Autorinnen und Autoren gebeten hatten, jeweils über die aus ihrer Sicht wichtigste, interessanteste oder irritierendste Entscheidung oder Entwicklung 2017 zu berichten, hatten wir zwar keine Ahnung, was wir erwarten sollten, aber diese Erwartungen wurden übertroffen.

Ehrlich gesagt rechnete ich mit 7 Beiträgen zu Google und 7 zu Intel. Coty und Facebook waren ungünstig für den Adventskalender terminiert, denn die Autorinnen und Autoren mussten zum 1.12. abgeben. Es hätten aber noch drei Beiträge zur GWB-Novelle, drei zu Dow/Dupont und drei zum sog. Auto-Kartell Platz gefunden. Und ein Beitrag wäre sicherlich aus der Reihe gefallen und hätte irgendeinen anderen Fall betroffen, der – aber Halt. Es kam anders. Von den 24 Beiträgen behandelten genau zwei das selbe Thema, und das war ECNplus, dem sich sowohl EUI-Professor Giorgio Monti als auch MdEP Andreas Schwab widmeten. Der Rest: ein Strauß von Themen, den man sich bunter nicht hätte wünschen können, vom argentinischen Kartellrecht (Richard Whish) über Verbraucherrechtsbefugnisse für das Bundeskartellamt (Wolfgang Kirchhoff) bis zu den Schadensersatzklagen gegen Banken und Sparkassen (Antje Neumann). Wenn es noch eines Beweises für die Vielfalt des Kartellrechts bedurft hätte – voilà. Wenn ich einmal wieder einem Experten der behavioural economics über den Weg laufe, finde ich allerdings noch heraus, wie viele der Autorinnen und Autoren unseres Adventskalenders Google und Intel als „too obvious choice“ verworfen haben.

Sich wie Bollinger freuen

Noch drei freudige Ausblicke aus dem Sondierungspapier:

Erstens: Es gibt einen neuen Markt, den wir im Blick behalten sollten, und auf dem die GroKo angreifen will: Es geht um die Position im

„globalen Wettbewerb der Narrative“.

Da sind wir mächtig gespannt, wann es gelingt, dort Marktmacht zu erlangen – und mit welchem Produkt man dort antreten will, um aktuell führende Narren Narrative (Fire & Fury?!) zu verdrängen.

Zweitens: Wenn Sie noch traurig sind, dass so wenig Mails in Ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach eingehen (beA), dann freuen Sie sich auf den nächsten Schritt:

„Wir wollen die Digitalisierung der Verwaltung und werden ein zentrales, einheitliches digitales Portal für Bürger und Unternehmen schaffen.“

Drittens:

„Wir werden den Rechtsstaat handlungsfähig erhalten. Dies stärkt auch das Vertrauen in die rechtsstaatliche Demokratie.“

Puh.

Wir wünschen einen guten Start ins neue Jahr!

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