SSNIPpets (25): Höher, schneller, reicher

SSNIPpets (25): Höher, schneller, reicher


Langsam erholt sich das Rheinland vom Karneval, und also können wir wieder alle Aufmerksamkeit dem Kartellrecht widmen. Rupprecht Podszun hat sich einer Challenge gestellt: Wird er es schaffen, in dieser Ausgabe der SSNIPpets nicht über die zwei Giga-Themen dieser Tage zu schreiben? Hier sind sie, seine small but significant news, information and pleasantries – our pet project (SSNIPpets)!

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Challenge

Wenn ich mich durch den kartellrechtlichen Schnipselstapel der letzten Tage wühle, dann kommt es mir vor, als hätte jemand sehr viel Kamelle auf mich herunterregnen lassen – aber immer das Gleiche: Zum einen ist da der Facebook-Fall.  Zum anderen haben wir die deutsch-französische Initiative nach der Untersagung von Siemens/Alstom zur Reform der Wettbewerbsregeln. Das beides zusammen sorgt für fast so viel Erregung wie #Steltergate. Dabei passiert doch so viel mehr… also auf zur „Challenge“: Die 25. Ausgabe der SSNIPpets ohne diese zwei Giga-Themen! Werde ich es schaffen? [Dramatischer, motivierender Moment!]

Was ist denn noch passiert? Der E.on/RWE-Deal durchläuft verschiedene Phasen und elektrisiert die Energiewirtschaft. (Sagen Sie bitte nicht, Sie hätten nicht gewusst, dass das eine harte Nuss wird – hier stand es ja.) Die Europäische Kommission wirft zum ersten Mal einem Unternehmen die Verletzung von Zusagen vor, die im Zusammenhang mit einem Fusionsfall abgegeben wurden. Die großen Hollywood-Filmstudios lockern ihre Lizenzbedingungen, sodass grenzüberschreitende Angebote möglich werden. Es gab Kartellabsprachen bei Anschnallgurten, Airbags und Lenkrädern, die die Kommission mit Bußgeldern geahndet hat. Das Handelsblatt zitiert aus Akten zum „Innovationskartell“ der Autohersteller. Und das Bundeskartellamt hat sich mit der Kommerzmaschine völkerverbindenden Bewegung Internationales Olympisches Komitee (IOC) angelegt.


Ringen

Gerade der IOC-Fall wirft interessante Fragen auf: Dem Amt ist es gelungen, die Macht des IOC ein Stück weit zu brechen. Deutsche Athleten werden freier in der Werbung mit ihren eigenen Sponsoren während ihrer paar Wochen of fame. Bislang hatte das IOC für die Zeit der Olympischen Spiele sowie davor und danach strikte Werbebeschränkungen auferlegt – letztlich wohl mit dem Ziel, selbst durch weitgehende Exklusivität lukrative Werbedeals einzustreichen. Von den Geldern der offiziellen Olympia-Sponsoren kommt bei den Athleten allerdings nichts an. Dabei sein ist alles, könnte man meinen. Wir allerdings wissen: Im Wettbewerb geht es ums Gewinnen und ums Gewinnemachen.

Dank des BKartA können diejenigen, die Olympia zum großen Fest machen, nun ein bisschen vom großen Kuchen mitessen (aber bitte aufs Kampfgewicht achten!). Die Fesseln, die ihnen für die Olympischen Spiele werbemäßig durch die berüchtigte „Regel 40“ angelegt werden, müssen für deutsche Athleten gelockert werden. Nur für deutsche Athleten wohlgemerkt. Das wird natürlich international nicht unbeachtet bleiben, und so spielt das Amt hier ganz gut Ping-Pong mit der Kommission, die ja das Verfahren gegen die Ice Skating Union geführt hatte und jetzt wieder dran ist.

Abseits des Jubels über Silber für die deutschen Olympioniken zeigt das Verfahren aber auch: Wer sich mit einem Monopolisten anlegen will, braucht den juristischen Ehrgeiz einer Claudia Pechstein, die Unerschütterlichkeit eines Robert Harting oder mindestens eine neue unabhängige Athletenvereinigung wie „Athleten Deutschland“. Beliebt macht man sich bei seinen dominanten Geschäftspartnern (hier: den Funktionären der Sportverbände) wohl eher nicht.

Und nicht ohne Beifall sollten auch die Strategen der Verbände vom Feld verabschiedet werden. Sie haben sich im Ringen mit dem Amt verdammt gut geschlagen. Denn es ist doch eher selten, dass der Präsident des Bundeskartellamts angesichts eines kartellrechtlichen Verstoßes sagt, man habe einen ganz guten Ausgleich zwischen den kartellrechtlichen Interessen und denen der betroffenen Unternehmen hingekriegt.


Mannschaftssport

Seit einigen Wochen höre ich von hier und von da das Gerücht, der Bundesgerichtshof erhalte einen neuen Kartellsenat. Wir machen aber ja nicht in Gerüchten, sondern in Fakten, Fakten, Fakten. Also habe ich mich um Aufklärung bemüht.

Es verhält sich so: Der BGH erhält zwei neue Senate. Einer wird ein Strafsenat in Leipzig sein, ein anderer ein Zivilsenat in Karlsruhe. Soviel ist klar. Nun hieß es, dieser neue Zivilsenat werde ein Kartellsenat, der dann ein ordentlicher Senat werde. Bislang ist der Kartellsenat nämlich ein „unordentlicher“ Senat, um einen alten Juristenwitz aufzubrühen, denn der Kartellsenat ist der Präsidentensenat: Der Präsident des BGH (m/w/d) sitzt diesem Senat traditionell vor. Ich habe das immer als Zeichen gewertet, dass die wichtigste Materie, die Grundlegung aller Wirtschaftsbeziehungen im Land, also das Kartellrecht, Chefsache sein muss. Der Kartellsenat gilt übrigens gem. § 94 Abs. 2 GWB als Zivilsenat im Sinne des GVG, soweit er nicht Bußgeldsachen macht – und das, obwohl ja viele Fälle strenggenommen Verwaltungsrecht sind… Unordentlich eben.

Schwarz-rot gekleidet - das ist sicher keine politische Aussage.
BGH-Präsidentin Bettina Limperg sitzt dem (im Übrigen rein männlichen) Kartellsenat vor. Foto: Anja Koehler

Der Präsidentin zur Seite sitzen sieben weitere Richter (alles Männer übrigens), die aber zugleich in anderen Senaten tätig sind. So ist beispielsweise der stellvertretende Vorsitzende des Kartellsenats, unser Düsseldorfer Honorarprofessor Dr. Peter Meier-Beck, eigentlich auch Vorsitzender des X. Zivilsenats, der sich v.a. mit Patentrecht befasst. Das „Küken“ des Senats, Dr. Heinrich Schoppmeyer, ist eigentlich im IX. Zivilsenat tätig, der vor allem Insolvenzrecht, Anwalts- und Steuerberaterhaftung macht. Sie ahnen: Das ist alles ganz schön viel, zumal wenn jetzt die Schadensersatzwelle auf den Kartellsenat zurollt.

Da würde ein Senat, in dem sich die Richterinnen und Richter ganz überwiegend mit Kartellrecht befassen, Entlastung bringen. Es bräuchte dann aber womöglich weiteres Personal (am besten kartellrechtlich vorgebildetes!).


Griechisch-römisch

Der journalistischen Sorgfaltspflicht Genüge tuend habe ich mich bei der Pressestelle des BGH erkundigt. Dort beschied man mich vor einiger Zeit mit folgender Auskunft:

„Die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit und die personelle Besetzung der neuen Senate wird von dem Präsidium des Bundesgerichtshofs getroffen. Bislang gibt es noch keine dahingehenden Beschlussfassungen.“

Gerüchte also. In diesem Zusammenhang habe ich noch einmal in die Entwürfe zum GWB 1957 geschaut, um herauszufinden, wie es eigentlich zur Einrichtung des Kartellsenats als Präsidentensenat kam. Gefunden habe ich dazu nichts. Dafür ist mir aber § 67 Abs. 2 der Erstfassung des GWB ins Auge gefallen. Demnach ist in Verhandlungen vor dem OLG und dem BGH in Kartellsachen auf Antrag „einem mit schriftlicher Vollmacht versehenen öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer oder anderen sachkundigen Personen das Wort zu gestatten.“ Zur Begründung heißt es schon 1955 (BT-Drucks. II/1158): Die Kartellsenate würden häufig schwierige betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Tatbestände würdigen müssen – da sei die Zulassung von ökonomischem Sachverstand vor Gericht sinnvoll. Irgendwann fiel diese Regel aus dem GWB heraus. 1955 aber war den deutschen Wettbewerbsexperten noch klar: wir brauchen einen „economic approach“.


Ring-ring

Apropos journalistische Sorgfaltspflichten: Die Financial Times hat einen Bericht gebracht (€), wonach in der Trump-Administration signifikant weniger Personal in der Antitrust Division des Department of Justice arbeitet als früher. Und das, obwohl allenthalben nach mehr enforcement gerufen wird. Wie die FT das herausgefunden hat? Durch Auswertung der Telefonliste der Antitrust Division.

Das sind Füchse, dachte ich, das ist investigativ! Aber nur fast – denn das Phone Directory steht online! Alle Namen, alle Nummern. Wenn Sie den US-Antitrust-Boss Makan Delrahim mal anrufen wollen:  202-514-24. Vergessen Sie die Vorwahl für die USA nicht, wenn Sie nicht gerade vor Ort sind. Oder, um im Thema der letzten Woche zu bleiben: Mary Anne F. Carnival erreichen Sie im New York Office unter 212-335-8033. (Bitte spielen Sie jetzt keine dummen Telefonstreiche und sagen hinterher, sie hätten die Nummer vom Podszun.)

Wie cool ist das denn! Diese Transparenz begeistert mich. In der deutschen Datenschutzbehörde Kartellbehörde muss man ja schon für die Auswertung des Organigramms ein verwaltungswissenschaftliches Studium absolviert haben, um überhaupt zu erfahren, ob ein/e Beschlussabteilungsvorsitzende/r nun männlich oder weiblich ist – geschweige denn, dass man eine Telefonnummer erhalten würde. (Geht es Ihnen eigentlich auch so? Meine Anrufe im Amt landen immer an der Pforte und enden dann eigentlich auch immer dort. Aber das kann auch an mir liegen.)


Goldmedaille

Unser Held der Woche ist Lâm trytogetme Đạt Quang, ein Vietnamese, der augenscheinlich gerade Deutschland bereist. Der hat nämlich auf der Facebook-Seite des Bundeskartellamts Insider-Fotos veröffentlicht, die es in sich haben. [Ah! Jetzt ist es passiert! Doch noch Facebook in diesem Posting! Entschuldigung, aber dies ist einfach zu gut!]

„Waaaaaas“, höre ich Ihre Rufe bis nach Düsseldorf schallen, „das Bundeskartellamt hat eine Facebook-Seite?!“ Jein. Das Bundeskartellamt ist bei Facebook verzeichnet, so wie manche andere Institution und manch anderes Unternehmen auch. Solche Seiten werden offenbar (?) aus öffentlich zugänglichen Informationen generiert. Seitens der betroffenen Organisation hat aber niemand dieser Webpräsenz zugestimmt. Auf den ersten Blick wirkt die Seite wie ein offizielles, vielleicht etwas schlecht gepflegtes Profil des Bundeskartellamts. Die Profilseite wird dann von Nutzern zum Abladen von Nachrichten und Bewertungen genutzt oder mit Fotos verbunden, die mit dem Amt getaggt sind. (Im Fall des Amtes fallen die Bewertungen auf der Fake- Facebook-Seite übrigens etwas schlechter aus als im GCR Rating: Hier sind es nur 1,4 Sterne von 5 bei 38 Bewertungen. Aber die Beschlussabteilung für Verbraucherschutz hatte ja auch vor Bewertungsportalen im Internet im Zwischenpapier zur Sektoruntersuchung Vergleichsportale gewarnt… Aus Gründen!)

Will man als Bundeskartellamt oder als Unternehmen das Problem solcher offiziös wirkender Profile bei Facebook in den Griff bekommen, hat man eigentlich keine Wahl (vulgo: Abhängigkeit?), als eine offizielle Präsenz auf Facebook zu erstellen. Und prompt ist man Facebook-Universum! Das ist wieder so ein Vorgehen, das vielleicht rechtlich in Ordnung sein mag. Ich finde, so etwas schickt sich nicht.

Zurück zu unserem Helden der Woche: Herr Lâm hat Insiderfotos aus dem Bundeskartellamt bei Facebook gepostet, die es wirklich in sich haben. Zum Beispiel dieses hier. Wo ist das? In Haus Axe? In der Asservatenkammer der Sonderkommission Kartellbekämpfung? Auf den Fluren der Grundsatzabteilung? Nehmen Sie sich bitte alle Freiheit der Interpretation.

Vielleicht ist die Ortsangabe nur so ein Phänomen wie das von Hanno Bender bei Apple Pay diagnostizierte Rotlichtviertelproblem. (Immerhin ist ja das Museum König gleich gegenüber.) Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht gehen im Bundeskartellamt Dinge vor sich, von denen wir Outsider nur vage Ahnungen haben…

Danke an Herrn Lâm – ich werde der Sache bei der IKK nächste Woche in Berlin nachgehen. Bis dahin!

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