Conference Debriefing (45): Studienvereinigung Kartellrecht 2024

Conference Debriefing (45): Studienvereinigung Kartellrecht 2024

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Zitiervorschlag: Lübbig, DKartJ 2024, 63-67

Wenn die Studienvereinigung Kartellrecht, der Verein der deutschsprachigen Kartellrechtsanwältinnen und -anwälte Anfang Dezember nach Bonn ruft, ist das wie eine vorgezogene Silvesterfeier: Alle sind aufgeräumter Stimmung, man lässt das Jahr Revue passieren und orakelt ein bisschen Richtung Zukunft. Für den D’Kart-Blog zu Gast in diesem Jahr: Thomas Lübbig. Der Berliner Rechtsanwalt war auch dabei, als die Studienvereinigung einen neuen Vorstand gewählt hat. ||

Der Präsident spricht

Auch diejenigen Mitglieder der Studienvereinigung Kartellrecht (StV), die dem Bundeskartellamt kritisch gegenüberstehen, freuten sich auf den Vortrag von dessen Präsidenten Andreas Mundt. Mundt spricht “so gut”. Den behänden Wechsel zwischen Logos, Ethos und Pathos, jene aristotelische Trias der Redekunst, macht ihm keiner nach.

Erfreut über Atmosphäre und Verlauf der Veranstaltung: Prof. Dr. Albrecht Bach, Stuttgart, langjähriges Mitglied des Vorstandes, Dr. Ingo Brinker, Düsseldorf, bestätigt im Amt des Vorstandes und als Vorsitzender desselben

Mundt erklärte sich nach der Nominierung von Gail Slater für die Führung der Antitrust Division im US Department of Justice vorsichtig optimistisch für das transatlantische Verhältnis im Bereich der Wettbewerbspolitik. Gail Slater hat auch als Anwältin in Brüssel und London praktiziert. Das globale wettbewerbspolitische Klima sieht er jedoch mit Sorge. Competition Agency Bashing nicht nur in Mexiko, sondern sogar in 10 Downing Street. Von dem neuen Kurs der sozialdemokratischen Regierung im Vereinigten Königreich (Kartellrecht am besten (nur noch) dort, wo es nachweislich Wirtschaftswachstum schafft), hält Mundt nicht viel. Big Tech bleibt auf der Agenda des BKartA, ebenso aber auch der Entsorgungssektor und die Veranstaltungsbranche.

Die Fusionskontrolle bleibt der Behörden “bestes Schwert”, nachträgliche Missbrauchsverfahren bleiben mühsam. Das New Competition Tool (NCT) erfordere “riesige Personalressourcen”. Die Schärfe des NCT-Schwertes steht also letztlich im Ermessen des jeweiligen parlamentarischen Budgetgebers. 

Der Präsident des Bundeskartellamtes Andreas Mundt. Sein alljährlicher Vortrag erwies sich auch dieses Jahr als stimmungsaufhellende Konstante in bewegten Zeiten

Dem mühsam vollzogenen Wechsel von Bail-Out zum Bail-In in der EU-Beihilfepolitik folgt nun der Übergang von Call-Out zu Call-In in der Fusionskontrolle, so könnte man kalauern. Mundt jedenfalls hält keine großen Stücke auf ein solches weitgehend arbiträres Instrument. Direktorin Silke Hossenfelder berichtete später zwar schmunzelnd, aber im Tonfall skeptisch von ihren beruflichen Anfängen am Berliner Mehringdamm bei der komplexen Entflechtung eines nach altem Recht noch nachträglich angezeigten Zusammenschlusses. Auch Towercast betrachtet Mundt nicht als alltagstaugliches Remedium für kritische Konzentrationsvorgänge. Vielleicht ist Mundt einer der wenigen Agency Heads, der akzeptiert, dass ein guter Deal Flow auch ein Anzeichen einer gesunden Volkswirtschaft ist.

Die Generaldirektion Wettbewerb in Brüssel muss sich erst noch neu beweisen. Der Portfoliozuschnitt der neuen Kommissarin und Exekutiven Vizepräsidentin Ribera, Clean, Just and Competitive Transition, stammt nicht aus der Feder von Eucken, Röpke und Rüstow. Bei allem Respekt für Präsident Draghi, dessen langer Bericht jetzt für vieles herhalten müsse, blieb Mundt zurückhaltend in der Wertschätzung nationaler oder europäischer Champions. Die Ministererlaubnis in Deutschland empfehle sich international nicht zur Nachahmung.

Das kartellrechtliche Meldewesen und der Sense of Purpose

„Wenn es nichts nützt, dann schadet es auch nicht.“ Ein Satz wie das Dichterwort vom Wahnsinn, der auch noch Methode hat. Gerade die umworbenen jüngeren Mitglieder der StV, deren Berufswahl noch besonders von der Suche nach dem Sense of Purpose geleitet sein mag, werden hier die Ohren gespitzt haben. Das war nämlich die weithin, aber nicht von allen akzeptierte Conclusio von Dr. Hanno Wollmann, langjährig Vorstandsmitglied der StV und Doyen der österreichischen Kartellrechtsadvokatur, als Ergebnis eines hochkarätig besetzen Panels und dessen scharfsinniger Analyse zu Sinn und Anwendung der Transaktionswert-Schwellen in der deutschen und österreichischen Fusionskontrolle. Die Diskussion leuchtete wie bei solchen Themen üblich Unklarheiten und Volten des nun schon bald zehn Jahre erreichenden Case Law in alle Richtungen aus. Viele “Killer Acquisitions” – jedenfalls stricto sensu verstanden – haben sich bisher nicht manifestiert. Auch ob es diese Konzentrationsvorgänge in wettbewerbspolitisch relevanter Kadenz überhaupt gibt und ob der von Dr. Markus Röhrig, Brüssel, in seinem Beitrag zitierte neueste Lear-Bericht der Europäischen Kommission darüber verlässlich Auskunft geben kann, blieb am Ende der Diskussion im Clair-Obscur (eine Vokabel, die der Präsident des Bundeskartellamtes in anderem Zusammenhang in die große Runde einführte). 

Trifecta grafischer, akustischer und digitaler Kommunikation, Stillleben mit Mineralwasserflasche

So lässt sich die ebenso engagiert wie sachkundig geführte Debatte über dieses evidenzbasierte Instrument moderner Kartellrechtsgesetzgebung, um das die halbe Welt das GWB und das KartG beneidet, entweder mit dem oben zitierten Wollmannschen Satz resümieren oder eben dem im Sinne der Transparenz verständlichen Interesse der Wettbewerbsbehörden: “Wir wollen ja nur mal schauen/gucken.” Dabei wird es wohl bleiben. Das “ganze Ding” der Transaktionswertschwelle wird in absehbarer Zeit nicht “weggebolzt” werden, wie dies der Herr Vizekanzler kürzlich in anderem Zusammenhang pointiert formulierte. Die Diskussion deutet eher auf das Gegenteil hin, nämlich eine Absenkung des deutschen Schwellenwertes in Richtung Österreich.

Worum ging es denn genau bei dem ersten Panel?

Das erste Panel widmete sich wie gerade schon berichtet den Vor- und Nachteilen der fusionskontrollrechtlichen Transaktionswert-Schwelle mit Referaten von Dr. Markus Röhrig, Brüssel, Dr. Hanno Wollmann, Wien, Jan Kresken, Düsseldorf sowie Kommentaren durch Frau Direktorin beim BKartA Silke Hossenfelder und dem Leiter der Rechtsabteilung der BWB (Österreich), Herrn Mag. Alexander Koprivnikar.

Dr. Frank Montag, Brüssel, Ehrenvorsitzender der Vereinigung und Leiter der Vorstandswahl, Dr. Florian C. Haus, Bonn, Prüfer der Finanzen der Vereinigung, in Zukunft vielleicht First Treasury Auditor 

Die Transaktionswert-Schwellen gibt es in Deutschland und Österreich seit 2017, der von beiden Behörden herausgegebene Leitfaden zur Auslegung von § 35 Abs. 1 a GWB (D) und § 9 Abs. 4 KartG (Ö) ist beispielgebend für die zwischenbehördliche Zusammenarbeit und die Ausführlichkeit und Tiefe der bereitgestellten Guidance. Hierzu gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Fällen aus der Praxis und auch von Berichten, die in den Referaten vorgestellt wurden. Wiederholt war in den Referaten zu hören, diese oder jene Causa sei der bisher „einzige Fall“, in dem eine wichtige Streitfrage schlagend wurde. Erwartungsgemäß konzentrieren sich die relevanten Fälle auf die Digital- und Healthcare-Märkte, aber auch im Bereich der Immobilienmärkte waren eine ganze Reihe von wettbewerblich vermutlich weitgehend irrelevanten Transaktionen nach diesen Regeln anmeldepflichtig. Ist das nun schon ein „Type 1 Error“? Über den „Erfolg“ dieser Regeln, der in der Öffentlichkeit der Kartellbehörden und auch der Gesetzgeber immer wieder angeführt wird, gab es auf dem Panel geteilte Meinungen. Zu Recht warf Frau Hossenfelder die Frage auf, ob es denn richtig sein könne, den „Erfolg“ bei einer solchen Meldeschwelle zu messen an der Zahl der kritischen Fälle oder gar Untersagungen. Wie auch sonst gehe es bei der Fusionskontrolle in erster Linie um die Schaffung von Transparenz und die Ermöglichung einer behördlichen Intervention, ohne dass mit der Anmeldepflicht schon ein negatives Verdikt über einen bestimmten Konzentrationsvorgang verbunden sei. Dies war dann auch im Weiteren Konsens auf dem Panel. Offen blieb die Diskussion zu den Fragen, welche Tätigkeiten im Einzelfall als Inlandstätigkeiten zu werten sind, ob die jetzigen Gesetzesfassungen die Transaktionswert-Schwellen angemessen hoch oder niedrig taxieren und ob es nicht Vorgänge, z.B. Kooperationen oder Acqui-Hiring gebe, die durch die jetzige Fassung der Gesetze nicht ausreichend erfasst würden. Die Diskussion dieses Panels leitete Marc Besen, Mitglied des Vorstandes der Vereinigung.

Panel 2: Gerichtsstands- und Schiedsklauseln

Dr. Martin Fink, Stuttgart, berichtete unter der Moderation von Anne Federle, aus dem Vorstand der Vereinigung, über die aktuelle Fallpraxis zu Gerichtsstand- und Schiedsklauseln im Kartellrecht. Das Vokabular erhielt nun einen dezidiert juristischen, im Schwerpunkt zivilprozessualen Einschlag. Begrifflichkeiten wie „Derogationsverbot“, „Ordre public“, „herrschende Meinung“, die EuGH-Urteile Eco Swiss und Ice Skating Union sowie die sehr lesenswerten Schlussanträge von GA Wathelet im Fall Genentech/Sanofi beherrschten die Debatte, ebenso wie der „Sonderfall Schweiz“, eine Jurisdiktion mit einer weltweit bedeutenden Schiedsgerichtsbarkeit und vor allem dem CAS im Bereich des Sportes. Fink führte die Zuhörer gekonnt durch diese schwierige Materie, die Besonderheiten des LuGÜ und ursprünglich unerwartete Schwierigkeiten, die sich im internationalen Zivilprozessrecht durch das Ausscheiden des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union ergeben haben. In der Diskussion bat Prof. Dr. Daniela Seeliger, offenbar Prozessgegnerin von Herrn Fink in einer Reihe von Verfahren, den Referenten, doch auch die „altera pars“ noch stärker zu erläutern. Diesem Wunsch entsprach er sehr gern. Insgesamt zeugte das Referat von einer zunehmenden Zurückhaltung gerade der Organe und der Justiz der Europäischen Union gegenüber dem Schiedswesen. Zu Recht stellte Fink das Achmea-Urteil des Gerichtshofes, das keinen kartellrechtlichen Hintergrund hat, in den Mittelpunkt seines Vortrages.

Prof. Dr. Daniela Seeliger, die erfolgreichste Kandidatin in der Vorstandswahl

Unge(BE)liebte Akteneinsicht

Auf dem 3. Panel berichtete Dr. Christian Steinle, Stuttgart, neu in den Vorstand gewähltes Mitglied der Vereinigung, über „Aktuelle Probleme bei der Gewährung von Akteneinsicht“. Dieses Panel moderierte aus dem Vorstand der Vereinigung Prof. Dr. Albrecht Bach, ebenfalls Stuttgart. Dieses Thema ist ungeliebt, aber für ein rechtsstaatliches Verfahren überaus wichtig. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen und die Bedeutung der Akteneinsicht für eine effektive Verteidigung stellte Steinle in den Mittelpunkt seines Vortrags. Hier bestehen im europäischen Rechtsraum schon zwischen dem Unions- und dem deutschen Recht erstaunliche Unterschiede, ja selbst zwischen der Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren und im Bußgeldverfahren gibt es deutliche Abweichungen.

Der Grundsatz der Aktenwahrheit gilt immer, der Grundsatz der Aktenvollständigkeit an sich auch, aber mit Einschränkungen des Aktenzugangs je nach Stadium des Verfahrens. Die Rechtsprechung der deutschen Gerichte, aber auch der Unionsgerichtsbarkeit, vor allem des EuG, schafft für die sicherlich mühselige behördliche Praxis in dem einen oder anderen Fall beachtliche Pain Points. In diesem Umfeld kann man sich nicht gut bewegen, wenn man die etwas zerklüftet wirkende Fallpraxis nicht genau kennt. Die exzellente Übersicht in den Vortragsfolien zeigt die Komplexität dieses nicht gerade wohl geordneten Rechtsbereiches.

Dr. Kathrin Westermann, Rechtsanwältin aus Berlin, im Vorstand der Vereinigung am 5. Dezember bestätigt

Eine Bemerkung am Rande

Ach ja: Die Wettbewerbsökonomie und ihr Beitrag zu den Irrungen und Wirrungen der Kartellrechtspraxis in den letzten 20 Jahren spielte bei der Tagung keine herausgehobene Rolle, obwohl einige Angehörige der in diesem Feld tätigen Beratungszunft im Raum waren. Das bedeutet nicht, dass das harmonische Zusammenwirken von Rechtsanwendung und ökonomischer Analyse in Zukunft an Bedeutung verlieren wird. Dagegen steht schon die Bedeutung der zur Verteidigung vorgebrachten ökonomischen Gutachten, die der Europäische Gerichtshof im Fall Unilever Italia betont hatte. Mit dieser Causa beschäftigt sich auch der hinter einer digitalen Tür verborgene Text zum 4. Dezember im D’Kart-Adventskalender (hier erfährt der Begriff Gatekeeper eine ganz neue Bedeutung)… Siehe zu einer überraschenden Facette des diesem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalts Rn. 48 der von der Studienvereinigung am 31. Oktober 2024 vorgelegten Stellungnahme zu den Draft Guidelines on Exclusionary Abuses.

Interdisziplinärer Austausch mit Prof. Dr. Christian Burholt, Rechtsanwalt und Verfassungsrichter in Berlin

Die Wahlen vom 5. Dezember

Nun aber zum amtlichen Teil des Berichtes: Über die Mitgliederversammlung am Donnerstag der ersten Dezemberwoche selbst gibt es gar nicht viel zu berichten. Sicher: Diejenigen, die Vereinsangelegenheiten auch daheim schon immer interessant fanden, werden die Vorstandswahl mit einiger Spannung erwartet haben. So aufregend, wie dies die Überschriften eines sehr zeitnah erschienenen Artikels in dem Branchenfachjournal JUVE suggerieren, war es nicht. Mit dem Ergebnis der Wahl kann die StV zufrieden sein. Dr. Ingo Brinker, Düsseldorf, wurde im Vorstandsamt im ersten Wahldurchgang ebenso bestätigt wie Prof. Dr. Daniela Seeliger, kanzleiansässig dortselbst, und Dr. Thorsten Mäger, kanzleiansässig ebendort. Dr. Mäger bevorzugt in Übereinstimmung mit einer vom BMJ veröffentlichten Mustersatzung für den gemeinnützigen Verein die Dienstbezeichnung Schatzmeister statt des reeller klingenden Titels Kassenwart. Im zweiten Wahlgang gesellten sich Marc Besen (wiedergewählt), Düsseldorf, Dr. Martin Klusmann, Düsseldorf, Dr. Christian Steinle, Stuttgart, und Dr. Kathrin Westermann (wiedergewählt), Berlin, zu dem Reigen der mit den Vorsitzenden der Landesarbeitsgruppen Österreich und Schweiz insgesamt neun Mitglieder des Vorstandes. Für Österreich folgte Dr. Bernhard Kofler-Senoner auf Dr. Axel Reidlinger, beide Wien, für die Schweiz Dr. Richard Stäuber auf Dr. Mario Strebel, beide Zürich. Brinker wird auch in der neuen Amtsperiode das Amt des Vorsitzenden des Vorstandes ausüben.

Dr. Max Klasse, Mitglied der StV aus Berlin während der Pause nach dem ersten Wahlgang

Die Wahlleitung lag in den bewährten Händen von Dr. Frank Montag, Brüssel, Ehrenvorsitzender der Vereinigung, und Prof. Dr. Albrecht Bach, Stuttgart, bis zum 5. Dezember 2024 langjähriges Mitglied des Vorstandes. Am Ende wurden nur zwei Vorstandsposten auf der deutschen Seite neu besetzt, not much to write home about. Eine traditionsbewusste und gut geführte Vereinigung, deren Institutionen zuverlässig funktionieren. Die personelle Zusammensetzung des Vorstandes repräsentiert mit einem Schwerpunkt auf der Ü50-Generation passgenau die auch in den Demographien der DACH-Region prominente Rolle dieser Altersgruppe. Vier Vorstandsmitglieder mit Dienstorten Berlin, Stuttgart, Wien und Zürich bekräftigen die landsmannschaftliche Diversität des Gremiums, welche die verdiente und herausgehobene Rolle der Mitglieder aus der kartellrechtlichen Wirtschafts- und Wissenschaftsmetropole Düsseldorf kollegial umrahmt.

In Erwartung der baldigen Mitgliederversammlung und der Vorstandswahl: Dr. Ines Bodenstein, Stuttgart, Dr. Daniela Salm, Brüssel, Dr. Katalin Lehnhardt-Busche, Frankfurt am Main, und Dr. Thurid Koch, Düsseldorf

Vom Charme der Pflichtaufgaben

Brinker würdigte besonders nicht nur den unverzichtbaren Beitrag des scheidenden Vorstandes Albrecht Bach zur fachlichen Entwicklung des Kartellrechts und der Vereinigung, sondern auch seine – informelle – Ressortzuständigkeit für Angelegenheiten des Vereinsrechts. Zu Unrecht prägte eine leicht ironische Note diese unter großem Beifall vorgetragene Anerkennung. Die Lösung vereinsrechtlicher Fragen verlangt die kenntnisreiche und methodengerechte Auslegung von veritablen Rechtsnormen mit langer Tradition, sie lässt sich nicht im Sinne einer Abwägung von Policy Goals und mit der exploratorischen Anwendung einer oder mehrerer novel theory of harms einer letztlich ökonomisch zu treffenden Zweckmäßigkeitsentscheidung zuweisen. 

Die neuen Vorstände aus dem voralpinen Süden: Dr. Bernhard Kofler-Senoner, Wien, und Dr. Richard Stäuber, Zürich

Keine Kür ohne vorherige Pflicht. Nicht unerwähnt bleiben sollen die Entlastung des Vorstandes und die Berichte der (drei) Vorsitzenden. Immer neue Konsultationsverfahren der Europäischen Kommission, Better Regulation at its Best, deren Ergebnisse sich in besonders statistisch interessanten Berichten der Generaldirektion nachlesen lassen (so kürzlich zu VO 1 und TTGVO) halten die Vereinigung beschäftigt. Ebenso die Reformfreudigkeit der Kartellgesetzgeber daheim. Das Wechselspiel mit der Ökonomie, die mäanderhafte Rechtspraxis zu Art. 102 AEUV, die mangelnde Trennschärfe zwischen effect und object, sowie die steigende Begeisterung vieler Behörden für Call-In-Zuständigkeiten verlangen stete Wachsamkeit. Für das nächste Jahr kündigt sich eine Festveranstaltung zum 60-jährigen Bestehen der Vereinigung in Brüssel an. Gern hörten die Vereinsmitglieder von Mäger, dass sich die Finanzen der StV in einer soliden Verfassung befinden. 

Auf Augenhöhe mit starken Marken. Der Wiener Rechtsanwalt Dr. Axel Reidlinger, langjähriges Mitglied des Vorstandes der Vereinigung

Kulturelle Randbedingungen

Wie schon in den Vorjahren fand die Veranstaltung in einem geräumigen und gut beheizten Saal des Tagungshotels Kameha auf der Beueler Rheinseite statt. Viele Mitglieder werden den Saal mit zwei Gedanken betreten haben: “Wen kenne ich hier eigentlich noch/schon?” und “Hipster Antitrust ist in DC schon wieder vorbei, bevor es in Deutschland überhaupt begonnen hat.” Die Krawattenindustrie darf noch hoffen, und altweiße Turnhalbschuhe erreichen heute weder in der Ü30- noch in der Ü60-Generation den Verbreitungsgrad, der noch vor wenigen Jahren bei vergleichbaren Zusammenkünften zu beobachten war. Der Fuhrpark in der Tiefgarage des Hotels ließ nicht vermuten, dass sich Deutschland und Österreich in einem fortgeschrittenen konjunkturellen Abstieg befinden. Aber es gab anders als im letzten Jahr wieder verfügbare Parkplätze, denn viele Gäste waren auch mit anderen Verkehrsmitteln angereist. Sprach noch vor Kurzem die NZKart von “The German economy – on the Fritz again“, bei der StV harmonierte die Vorweihnachtsstimmung mit Anklängen an ein Klassentreffen. Erfreulich war indes, dass der rührselige Begriff von der “Kartellrechtsfamilie”, der in früheren Zeiten durchaus vernehmlich war, keine große Anhängerschaft mehr zu haben scheint.

So schön wohnt man in Bonn: Die Kommende Ramersdorf, eine vorteilhafte Beherbergungsalternative zu dem vom Vorstand der Vereinigung ausgewählten Tagungshotel. Geographically, a close competitor. 

Am Abend des 5. Dezember nutzte nur ein kleiner Teil der Gäste die Gelegenheit, im schönen Schauspielhaus von Bad Godesberg mit dem Stück “Frauen vor Flusslandschaft” nach dem letzten Roman von Heinrich Böll in jene Bonner Atmosphäre der achtziger Jahre einzutauchen, die man heute nur noch aus Erzählungen der Älteren kennt. Die örtliche Gastronomie wird sich über diese Prioritätensetzung der zahlreich zur Nächtigung in Bonn verbliebenen Mitglieder der StV gefreut haben.

Der Chronist bedankt sich bei Dr. Hanno Wollmann, Wien, und Tim Vohwinkel, Düsseldorf, für ihre Beiträge zu diesem Blog-Artikel.

Immer gern in Bonn am Rhein: Prof. Dr. Thomas Lübbig ist Of Counsel im Berliner Büro der Kanzlei Freshfields.

In unserem Antitrust Advent Calendar war das Treffen der Studienvereinigung auch Thema. Alle Türchen hier.

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