SSNIPpets (47): Dinner is served

SSNIPpets (47): Dinner is served

Vieles wäre aufzuarbeiten, bevor das neue Jahr so richtig Fahrt aufnimmt. Rupprecht Podszun aber hat mal wieder nur sehr subjektiv aufgeschrieben, was ihm in den letzten Wochen aufgefallen ist. Heute geht es um § 19a GWB, den Digital Markets Act, Großkanzleien, schmale und dicke Bücher, Personalia und den Zugang zu Daten. Viel Spaß mit den ersten 2022-SSNIPpets – small but significant news, information and pleasantries – our pet project!

Alphabet ist ein UMÜB

Wie fängt man ein Jahr am besten an? Mit einem Kracher natürlich! Und wenn Pyrotechnik nicht erlaubt ist, dann darf es bitte mindestens ein Tischfeuerwerk aus dem Bonner Böllerkeller Bundeskartellamt sein. Am 5. Januar 2022 verkündete das Amt per Pressemitteilung, dass Alphabet/Google Normadressat des § 19a GWB sei, jenes revolutionären Instruments, das der Gesetzgeber der 10. GWB-Novelle für digitale Gatekeeper geschafft hat.

Sagen wir mal so: Für Kartellrechtler kommt das ungefähr so überraschend wie die Mulligatawny-Suppe beim Dinner for One. So allein bei Tisch wie Miss Sophie bleibt Alphabet nicht: Die Entscheidungen zur Feststellung der Normadressateneigenschaft (§ 19a Abs. 1 GWB) gegen Meta/Facebook, Amazon und Apple sind in der Pipeline. Die Feststellung gilt gem. § 19a Abs. 1 S. 3 GWB für fünf Jahre. Alphabet wird den ersten, jetzt genommenen Schritt nicht anfechten. Auf die Premiere des BGH-Kartellsenats als erst- und letztlinstanzlich zuständigem § 19a GWB-Senat müssen wir also noch hinfiebern.

Durch die Feststellung ändert sich noch gar nichts – erst wenn die 7. Beschlussabteilung des BKartA von den Möglichkeiten in § 19a Abs. 2 GWB Gebrauch macht, wird es ernst. Das allgemeine Publikum hat trotzdem „Oooh!“ und „Aaaah!“ gesagt. Vielleicht ist das eine trügerische Freude. Der vorerst konsequenzlose Beschluss, der rund 200 Seiten haben soll, erweckt in der Öffentlichkeit den Eindruck, als werde die Macht der Silicon-Valley-Konzerne bereits tatkräftig eingeschränkt. Dabei ist auf Basis von § 19a ein Jahr nach seinem Inkrafttreten noch gar nichts passiert. Der Digital Markets Act (der § 19a eines Tages faktisch verdrängen könnte) ist nicht einmal verabschiedet. 

DMA: Gut gemeint, aber…?

Simonetta Vezzoso, umtriebige Professorin an der Uni Trient, hatte kürzlich getwittert, wir hätten uns beim Digital Markets Act möglicherweise für einen Rechtsakt verkämpft, der in der Praxis nichts ändern wird – und damit hätten wir uns von echten Lösungen (Interoperabilität!) ablenken lassen.

Via FAZ hat mir nun auch noch Stefan Herwig einen Schreck mit der Überschrift eingejagt, bei DMA und DSA passiere derselbe Fehler wie bei der DSGVO. Die DSGVO ist geradezu zum Synonym dafür geworden, dass ein Rechtsakt zwar gut gemeint ist, aber vor allem Bürokratie schafft, ohne die eigentlichen Probleme zu lösen. Der DMA ist sicher far from perfect, aber dass es gleich so schlimm ist?

Herwig meint, die Kommission fokussiere sich zu sehr auf Netzwerkeffekte als Kernproblem und übersehe andere Marktversagenstatbestände. Ja, Netzwerkeffekte und daraus resultierende „gekippte Märkte“ sind schon ein Schlüsselthema der Digitalgiganten. Aber andere Fehlstellungen kommen hinzu: Den Konzernen sei „gesetzlich antrainiert“ worden, dass sie für nichts haften müssen – weder für die problematischen und rechtsverletzenden Inhalte auf ihren Plattformen, noch für Datenskandale.

„Bei schnell in der Größe skalierenden Akteuren klaffen so Einnahmen- und Ausgabenseite immer weiter auseinander. Die Ausgaben für Vorsichtsmaßnahmen – hier zum Beispiel die Kosten einer effizienten Content-Moderation – wachsen nicht mehr proportional zu den Einnahmen, weil man seinen digitalen Fallout wie Hassrede und Desinformation einfach auf die Gesellschaft abwälzt.“

Stefan Herwig in der FAZ

Nicht einmal für die Netzinfrastruktur, die sie dank Netzneutralität zu Bestpreiskonditionen erhielten, müssten die Lauschepper aus den USA etwas zahlen. Und Steuern – nun ja. 

Herwigs bitteres Fazit: „Keines dieser Probleme gehen DSA und DMA an.“ Das ist in dieser Schärfe eine Zuspitzung, aber das starke Statement ist angebracht. Ich versuche ja schon seit längerer Zeit meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Kartellrechtscommunity klarzumachen, dass wir es hier nicht nur mit Wettbewerbsproblemen zu tun haben. Deshalb finde ich es richtig, dass der DMA auch „fairness“ als Ziel benennt und sich nicht nur in „contestability“ erschöpft. Immerhin besteht noch eine Chance: Wie Philip Marsden und ich seit Jahren predigen: Enforcement matters! Dass die DSGVO nicht so recht gezündet hat, liegt ja auch daran, dass die irische Datenschutzbehörde ihren Job ungefähr so erfolgreich ausübt wie eine durchschnittliche Berliner Landesbehörde. Wenn wir das beim DMA richtig hinkriegen (z.B. mit private enforcement und starker Einbindung nationaler Behörden), gibt’s noch etwas Hoffnung.

Schöner als die Arbeit der irischen Datenschutzbehörde: Die irischen Küsten

Schmankerl aus Österreich

Dass der österreichische Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Silicon-Valley-Investor Peter Thiel angeheuert hat… irgendwie kommt da eins zum anderen. Thiel hat sich auf meine Power Point-Folien mit einem freimütigen Statement eingeschrieben: „Competition is for losers“. Damit hat er einst die Silicon Valley-Monopolisierungsstrategie auf den Punkt gebracht. Der Standard aus Wien hat in einem lesenswerten Text Thiels Denken als maximal freiheitlich, aber demokratiefeindlich charakterisiert. 

Aus diesem Beitrag erfuhr ich auch, dass der ehemalige Jus-Student Kurz die Laudatio auf Thiel zur Verleihung des Frank-Schirrmacher-Preises halten sollte, wozu es dann nicht mehr kam, weil sich Herr Kurz um sein Baby kümmern wollte oder so… Journalist Nils Minkmar twitterte, Schirrmacher würde angesichts der Konstellation Thiel/Kurz im Grabe rotieren. Sehe ich auch so: Niemand hat in Deutschland die Kritik an Big Tech so früh so energisch gefördert wie der verstorbene FAZ-Herausgeber Schirrmacher. Und kaum jemand steht für die negativen Auswüchse des Big Tech-Systems so knallhart ein wie Trump-Freund Peter Thiel. 

Weil’s ma’s grad so leiwand von Österreich haben: Der Leitfaden zur Transaktionsvolumenschwelle wurde überarbeitet. Da er auf der Website des BKartA kaum zu entdecken ist, ist hier der Link. Der Leitfaden wurde gemeinsam mit der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) weiterentwickelt, weshalb auf dem Deckblatt steht: Januar/Jänner 2022. 

Generaldirektor Theodor Thanner. Foto: BWB-Website

Der langjährige Chef der BWB, Generaldirektor Dr. Theodor Thanner, hat sein Amt wenige Monate vor Ablauf seiner regulären Amtszeit abgegeben. Was das wieder zu bedeuten hat, erschließt sich wohl nur in den Kaffeehäusern Wiens, nicht aber vom Rheinland aus. Thanner war seit 2007 an der Spitze der Behörde tätig und hat die BWB modern aufgestellt. Seine Nachfolge übernimmt zunächst kommissarisch Thanners bisherige Stellvertreterin Dr. Natalie Harsdorf-Borsch.

Festschriften statt Böller

Der Trend geht zum Zweitbuch, witzelte man einst in Buchhandelskreisen. Was sich tatsächlich sagen lässt: Der Trend geht zur Zweitfestschrift. Zwei aktuelle Beweise in gedruckter Form liegen vor.

Eine Anwaltssozietät mit Stammsitz in Stuttgart, deren Name hier nicht genannt werden soll, weil ich ja keine Werbung für spezifische Kanzleien machen will (Kanzlei-Bashing geht schon eher!), hat eine Festgabe für Rainer Bechtold zum 80. Geburtstag veröffentlicht. Anwältinnen und Anwälte aus der Praxisgruppe Kartellrecht dieser gleissenden strahlenden Kanzlei haben zu aktuellen Themen geschrieben, um ihrem Senior (der zum 65. Geburtstag eine erste große Festschrift erhielt) ihren Dank auszudrucken. Wer Rainer Bechtold ist, braucht man auch in Zeiten, in denen Bosch den Bechtold allein macht, natürlich nicht zu erklären. Aber wer Bechtold vor allem aus der Kommentarliteratur kennt, der erstarrt doch in Ehrfurcht, wenn er die Liste ausgewählter Fälle studiert, an denen dieser beteiligt war – sie reicht von Daimler/Chrysler über das Zuckerkartell bis zu John Deere. 

Während die Bechtold-Festgabe eher das Format einer Dissertation hat (256 Seiten, broschiert), ist die zweite Zweitfestschrift ein gewichtiges Buch, hochseriöses Foto des Jubilars, klangvoller Titel. Sie ist Franz Jürgen Säcker gewidmet, auch 80 Jahre alt geworden. Die 745 Seiten „Selbstverantwortete Freiheit und Recht“ wiegen 1,36 kg, wie schon bei der Erstfestschrift fungieren Detlev Joost, Hartmut Oetker und Marian Paschke als Herausgeber. Dass die drei nicht in erster Linie als Kartellrechtler aktiv sind, ihr akademischer Lehrer aber gleichwohl ein prägender Kartellrechtler ist, das sagt bereits einiges über die Bandbreite seines Wirkens. Das Kartellrecht firmiert in dieser Festschrift unter dem Rubrum „Allgemeines Wirtschaftsrecht“, im Inhaltsverzeichnis lässt sich lesen, wer zu welchem Thema zur Feder griff. Auf fröhliche Lektüre und beiden Jubilaren herzlichen Glückwunsch!

Big Law

Der Economist schreibt, dass „big law“ seinen Mandanten immer ähnlicher werde. Eine solche Schlagzeile lässt mich natürlich aufhorchen, lese ich doch gern – ins wohlige Wams des Beamten gewickelt und geerdet durch die Anforderungen des öffentlichen Dienstes in Deutschland – Geschichten aus der glitzernden Galaxie der Großkanzleien. Die These des Economist: Aus den kleinen Kanzleien mit bestenfalls nationaler Ausstrahlung sind global players geworden. Ich höre Ihr Gähnen, liebe Lesende, natürlich ist das nichts Neues. Neu ist bestenfalls, dass in der Pandemie eher mehr gebillt worden sein soll (im Home Office kann man schließlich 24/7 arbeiten und zwar in Jogginghosen). Aus wettbewerblicher Perspektive fand ich aber drei Aspekte bemerkenswert:

Es sind nicht mehr nur die (sich auf Rekordhöhe bewegenden) Fusionsaktivitäten, die das Geschäft der law firms befeuern. Kartellrecht und die Regulierung der Digitalplattformen treiben ebenso. Der Seniorpartner einer Kanzlei wird mit den Worten zitiert, das seien „challenges for business and bright spots for lawyers“. Ich sehe beim Lesen förmlich, wie er dabei grinst.

Eat what you kill, das Prinzip, dass Einnahmen vor allem an denjenigen fließen, der sie erwirtschaftet hat, setzt sich durch. Kanzleiintern bedeutet das: Wettbewerb statt Solidarität. Aus „Partnern“ werden parallel wirkende Einzelkämpfer.

Schließlich:

„Big law is becoming not just bigger but also more concentrated. (…) A handful of superstar firms like (…) are better able to serve clients wherever and in whatever capacity they need serving, to deal with an inevitable uptick in overheads as the world puts the pandemic behind it, and to poach talent from weaker rivals.” 

Sektoruntersuchung Großkanzleien incoming!

Das Werben um Nachwuchs

Ein weiterer Trend soll sein, dass die Kanzleien Standorte in der Provinz („erstwhile legal backwaters“) eröffnen. Der Juve war zu entnehmen, eine auch im Kartellrecht berühmte Großkanzlei eröffne einen Standort in Münster of all places, dort sind Mieten günstig, Absolventen willig, und wer zu radikal die bestehende Ordnung in Frage stellt, wird am Lamberti-Kirchturm im Käfig aufgehängt. Das ist der Wettbewerb um die besten Köpfe. 

Diese Köpfe verdienen immer mehr. 160.000 Euro kann eine Junganwältin (m/w/d) heutzutage als Einstiegsgehalt auf der weiterhin nach oben offenen Richter-Skala Associate-Skala fordern. Ich schreibe jetzt nicht gleich das große Lamento „Armutsrisiko Öffentlicher Dienst“. Ich verstehe aber, dass manch einer schwach wird, der als Beamter die „Grenzen des Wachstums“ ausgelotet hat. In Brüssel sind aus der Generaldirektion Wettbewerb mindestens drei Hochkaräter in die Anwaltschaft gewechselt, wie MLex und Politico berichteten: Nick Banasevic ist zu Gibson Dunn gewechselt, Cecilio Madero zu Clifford Chance und Carles Esteva Mosso zu Latham Watkins. Wenn ich das lese, stockt mir der Atem: Banasevic! Madero! Esteva Mosso! Sie wechseln die Seiten! 

Mögliche Interessenkonflikte sind nicht unbeobachtet geblieben. Eine Anfrage im Europäischen Parlament an die Kommission zum Fall Esteva Mosso hat für mich ans Tageslicht gebracht, dass es in der EU Regeln für diese Fälle gibt und dass sie in diesem Fall auch angewendet wurden – Esteva Mosso kann seinem neuen Arbeitgeber nur eingeschränkt dienen. Wie sich das in der Praxis darstellt, steht auf einem anderen Blatt.

Und was sagt Mundt dazu?

Für deutsche Kartellrechtler sind solche Wechsel ja eher selten, und ich sehe vor meinem geistigen Auge nicht, dass Julia Topel in absehbarer Zeit Partnerin bei Hengeler wird oder Felix Engelsing als Of Counsel zu Linklaters geht. Ich habe Andreas Mundt, den Präsidenten des Bundeskartellamts, gefragt, wie er diese Wechsel einschätzt. Seine Antwort wird Sie wirklich überraschen…

Sie wollen seine Antwort wissen? Dann müssen Sie unbedingt die nächste Folge des Podcasts „Bei Anruf Wettbewerb“ hören! VWL-Professor Justus Haucap und ich sprechen in diesem Format ja alle zwei Wochen über Themen des Kartellrechts und der Wettbewerbsökonomie und für die erste Folge 2022 hatten wir Präsident Mundt eingeladen. Das war uns natürlich ein Fest! Sie erfahren Dinge, die Sie bislang nicht wissen: Welchen Jugendtraum Andreas Mundt hatte. Wie die Position zu § 19a GWB intern im BKartA koordiniert wird. Und welches Recht das Bundeskartellamt haben sollte, was sich Mundt aber nicht öffentlich zu fordern traut (sondern nur in unserem heimeligen Podcast-Studio). Die Folge stellen wir am 13. Januar 2022 online, bis dahin haben Sie noch Zeit, die Folgen des letzten Jahres aufzuarbeiten, die Sie noch nicht gehört haben. „Bei Anruf Wettbewerb“ gibt es auf allen gängigen Podcast-Plattformen, zum Beispiel hier.

Beitrag des Jahres 2021

Wenn Sie denken, Sie hätten den Werbeblock schon überstanden, muss ich Sie enttäuschen. Ich muss noch einmal unseren Adventskalender loben. Ach, warum soll ich das selber machen? Lassen wir andere sprechen: Ein Richter schrieb (mit Blick auf den D’Kart Antitrust Advent Calendar):

„D’Kart ist immer eine Lektüre wert!“

Und eine sehr hochrangige Persönlichkeit aus dem Segment „Enforcement“ schrieb:

„Thank you also for sharing the 2021 edition of the Advent Calendar. I enjoyed it very much.

Congratulations to you and your team for keeping many of us in good spirits.”

Ach, mein Herz geht auf. Wenn solche Nachrichten hereinflattern, leite ich die sofort an meine Philipps weiter, die wissenschaftlichen Mitarbeiter Philipp Offergeld und Philipp Bongartz, die sich um den Blog allgemein (Offergeld) und den Adventskalender insbesondere (Bongartz) verdient gemacht haben. Im Adventskalender hatten wir ja diesmal Ihr Insiderwissen via Quiz abgefragt. Man musste wissen, wie der Name „Vestager“ korrekt ausgesprochen wird, um wie viele Liter Bier es im Delimitis-Fall des EuGH ging und welche strategische Entscheidung die Kommission trotz Vollzugsverbot im Altice-Fall für erlaubt hielt.

Mein persönliches Highlight im Adventskalender war das Kläppchen 24 mit dem ehemaligen Chefökonom der Generaldirektion Tom Valletti. Grandios, dass er mitgemacht hat. Sie wollen das ansehen? Hier geht’s zum Adventskalender!

Fristsache: ASCOLA-Jahreskonferenz 2022

Am 27.1.2022 endet übrigens die Einreichungsfrist für die ASCOLA-Jahreskonferenz 2022. ASCOLA ist die Academic Society for Competition Law, zugelassen sind nur Wissenschaftler/innen. Dieses Jahr treffen wir uns Ende Juni/Anfang Juli in Porto. Diesen Plan hatten wir zwar schon in den letzten beiden Jahren, aber dieses Jahr klappt’s wirklich! Den Call for Papers finden Sie hier.

Merci, Isabelle de Silva!

Ein Spitzenpersonalie aus Frankreich schreckte im vergangenen Jahr auf: Isabelle de Silva hat sich als Chefin der französischen Autorité de la Concurrence große Verdienste erworben. (Ob in de Silvas Amtszeit auch die Etablierung eines Instagram-Kanals fällt, weiß ich nicht genau, und ich weiß auch noch nicht, wie ich das finde, aber Ihre Kinder finden diesen Kanal hier.)

De Silva war auch in Deutschland bekannt, die Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt war intensiv, das Vorgehen ihrer Behörde tough und innovativ. Offenbar zu ihrer eigenen Überraschung wurde ihr Mandat nicht verlängert, am 13.10.2021 hatte sie ihren letzten Arbeitstag in der AdlC. In Frankreich wird gemutmaßt, dass Monsieur le Président ihren Widerstand gegen eine spektakuläre Fusion von Fernsehanbietern fürchtete. Die Fernsehsender braucht Macron für seine Wiederwahl. 

„Je pars avec une conviction. La concurrence n’est pas la réponse à tous les maux, mais elle est la garantie d’une économie dynamique, qui respire et laisse la place aux nouveaux entrants, qui amènent le vent de l’innovation. Alors que la reprise post Covid-19 se dessine, l’économie française a besoin, plus que jamais, de concurrence et d’une Autorité qui la fasse vivre.“

Isabelle de Silva in ihrer Abschiedsrede

In ihrer Abschiedsrede, deren Schlusswort wir hier wiedergeben, hat sie auch zu diesem Media Merger ein paar Sätze gesagt. Die sind natürlich so kunstvoll formuliert, dass jede/r das daraus lesen kann, was er oder sie lesen will. De Silva ist nun Mitglied im Conseil d’Etat. Diese Institution, die es seit dem 18. Brumaire VIII gibt, versteht man wohl nur wirklich, wenn man Marianne nicht für einen Schlagerstar hält, schon in der école maternelle über Voltaire und Rousseau diskutiert hat und das Haus nicht verlässt ohne einen dunkelblauen Kaschmirpullover. Nachfolger von de Silva soll Benoît Coeuré werden, z.Zt tätig bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Viel weiß ich über ihn nicht, aber Wikipedia berichtet, er habe als Mitglied des EZB-Direktoriums bei einem Abendessen Insiderinformationen an Hedge Fonds-Vertreter und Banker ausgeplaudert. Santé!

Isabelle de Silva bei ihrer Abschiedsrede in der Autorité de la Concurrence. Foto: @isabelledesilva on Twitter

Dinner for all

Apropos Abendessen: Viele Menschen fragen sich derzeit wahrscheinlich, wie lange es noch Restaurants geben wird, wenn die Pandemie anhält. Der Economist hat die Frage umgedreht: Seit wann gibt es eigentlich Restaurants? Lange Zeit, so lernte ich aus dem journalistischen Leckerbissen, galt es als unfein, in der Öffentlichkeit zu speisen. Wer auf sich hielt, tafelte daheim. Street food war quasi die Armenspeisung. Das änderte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Und warum? Natürlich! Die Drei-Sterne-Köche unter den Historikern gehen davon aus, 

„that the restaurant emerged as a result of improvements in competition policy.”

Begründung: Zuvor machten Gilden und Zünfte es schwierig, mehr als ein Produkt gleichzeitig zu vertreiben – der Metzger bot Fleisch an, der Winzer Wein, beides zusammen ging nicht, bis mit dem regulatorischen Pürierstab überkommene Begrenzungen vermixt wurden. Wenn die Welt bloß wüsste, was sie uns alles verdankt!

Zugang zu Daten

Letzter Hinweis für heute: Datenzugang ist und wird ein Riesenthema. Ich habe in einem Buch, das letztes Jahr erschienen ist und das hier kostenfrei abrufbar ist, schon einmal skizziert, was Handwerkern und anderen Dienstleistern drohen könnte, wenn sie in Zukunft keinen Zugriff auf wichtige Schnittstellen haben. Noch hat das Handwerk goldenen Boden – aber vielleicht bewegt man sich demnächst, sorry für das Wortspiel, eher auf googligem Boden und gerät in die Abhängigkeit der Vernetzungsprofis.

Politico berichtete kürzlich in einem Beitrag über „Big Tech’s Next Monopoly Game“: Die exklusive Herrschaft über den Zugang zu Autodaten. Das Thema „Datenzugang für Dienstleister“ diskutieren wir am 2. Februar 2022 in spannender Besetzung digital mit Experten wie Philipp Voet van Vormizeele, Gerhard Klumpe, Malte Beyer-Katzenberger, Wolfgang Kerber, Rebekka Weiß, Alexander Barthel oder Justus Haucap. Die Online-Veranstaltung (Webex) richtet die Heinrich-Heine-Universität gemeinsam mit den beiden NRW-Ministerien für Justiz und für Wirtschaft aus. Da sehen wir uns, hoffentlich! Die Veranstaltung finden Sie hier im Netz.

Alles Gute für das neue Jahr – bleiben Sie munter und uns gewogen!

Rupprecht Podszun

Prof. Dr. Rupprecht Podszun ist einer der Direktoren des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Editor dieses Blog. Sein Podcast (mit Justus Haucap): Bei Anruf Wettbewerb.

Disclosure: Nach Publikation wurden wir darauf hingewiesen, dass Sterneköche maximal drei, nicht fünf Sterne erkochen können. Wir haben das korrigiert. Sorry!

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