SSNIPpets (45): Fringe

SSNIPpets (45): Fringe

Im traditionellen Sommerloch bleibt ein bisschen Zeit, um die Randgebiete des Kartellrechts abzugrasen. Das Gras ist ja immer grüner auf der anderen Seite, und so hat Rupprecht Podszun einmal die Scheuklappen abgelegt und sich an den Blümchen links und rechts geweidet. Hier sind die SSNIPpets – small but significant news, information and pleasantries – our pet project!

 

Antitrust is dead

Immer weniger Professoren machen Kartellrecht, zumindest in den USA. Dan Crane hat in einem Beitrag für promarket.org beobachtet, dass in den vergangenen fünf Jahren unter 417 neuen Law Professors in den USA nur 7 „Antitrust“ als eines von maximal vier Interessengebieten angegeben haben. „Antitrust is dead, isn’t it?“, zitiert Crane den bekannten Kollegen Richard Posner. 2017 hatte Posner dies behauptet.

Bekanntlich leben Totgesagte ja etwas länger, und gerade in den USA hat man derzeit nicht den Eindruck, als sieche das Kartellrecht dahin. Posner sagt im selben Gespräch auch, Microsoft, Amazon und Google seien die drei besten Unternehmen der Welt, er sehe nicht, wo es da ein Problem gebe. Hm, hm. Lina Khan may disagree. „I spend a lot of time googling, so I don’t want to hear criticism of Google”, sagt Posner später, als ihn sein Interviewer Luigi Zingales über Googles Umtriebe aufklärt. Ach, Posner darf das, er ist heute 82 Jahre alt und eine lebende Legende.

Lina Khan hat das Zeug zur Legende. Sie ist fünfzig Jahre jünger und jetzt Chefin der Federal Trade Commission in den USA. Mit 32 Jahren! In Deutschland ist man mit 32 Jahren, wenn es sehr gut läuft, Oberregierungsrätin im Bundeskartellamt. Was vielleicht auch nicht so schlecht ist. Now: Deliver.

Angenommen, Posner hätte Recht und Antitrust wäre tot – was würden wir eigentlich dann machen? Andere schöne Sachen on the fringes. Schauen wir mal!

 

UWG-Bußgelder?

Es ist eine Revolution im Wettbewerbsrecht, und es ist eine kleine Niederlage für das Bundeskartellamt: An einem der letzten Tage, an dem der Bundestag in diesem Jahr noch produktiv war, am 10. Juni 2021 um 23.53 Uhr, hat das Parlament in seiner 233. Sitzung als Tagesordnungspunkt 30 die zweite und dritte Lesung des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht begonnen. Die Reden wurden – bis auf eine – zu Protokoll gegeben, d.h. schriftlich eingereicht, wie man das so macht, wenn um kurz vor Mitternacht noch acht weitere Tagesordnungspunkte anstehen und die Sitzung erst geschlossen wird, wenn auch über die Ersatzbaustoffverordnung beraten wurde. Wolfgang Kubicki moderierte die Änderungen im Wettbewerbsrecht als Vizepräsident des Bundestags im Sprechtempo eines Notars weg.

Wolfgang Kubicki paukt das neue UWG durch. (Screenshot Bundestag-Stream)

Dabei wird das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in umwälzender Weise reformiert – natürlich auf Druck der EU. Es gibt künftig bei Verstößen gegen das UWG – erstens – einen individuellen Schadensersatzanspruch von Verbrauchern (§ 9 Abs. 2 UWG-neu). Bislang gab es das für Verbraucher nicht, denn, so wurde mantra-artig betont, das UWG sichere nur die kollektiven Verbraucherinteressen, im Übrigen könne man sich ja mit Hilfe von BGB-Ansprüchen schadlos halten. Zweitens gibt es jetzt einen Bußgeldtatbestand in § 19 UWG! Bislang war nur unerlaubte Telefonwerbung bußgeldbewehrt (§ 20 UWG). Jetzt können alle möglichen Verbraucherrechtsverstöße bebußt werden, soweit sie – Achtung – „weitverbreitet“ im Sinne der CPC-Verordnung sind. Die CPC-Verordnung ist ein europäischer Rechtsakt zur Zusammenarbeit von nationalen Behörden zur Sicherung des Verbraucherschutzes.

 

Nicht wirklich…

Jetzt also Bußgelder? Naja. In der Gesetzesbegründung des Bundesministeriums der Justiz und *für* Verbraucherschutz liest man geradezu, wie zähneknirschend die Anforderungen aus der Brüsseler Gesetzgebungsmaschine umgesetzt werden. Es ist keine allzu gewagte Prognose, dass erfolgreiche Schadensersatzklagen von Verbrauchern und Bußgelder wegen irreführender Werbung nicht gleich kartellrechtliche Dimensionen erreichen werden. (Gut, hinsichtlich individueller Schadensersatzklagen ist das Kartellrecht natürlich auch kein Maßstab.) Immerhin ist das Bußgeldrecht aber kartellrechtlich vorgeprägt, z.B. mit einer prozentual am Unternehmensumsatz ausgerichteten Obergrenze.

Welche Behörde verhängt denn dann in Deutschland überhaupt Bußgelder? Damit zur kleinen Niederlage des Bundeskartellamts. Leute wie yours truly hatten ja schon länger dafür plädiert, das Bundeskartellamt auch mit den Befugnissen zu betrauen, die für den Schutz des fairen Wettbewerbs nötig sind (siehe vor allem unser Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium). Auch die Bundesnetzagentur, die immerhin für Bußgelder wegen cold callings nach § 20 UWG zuständig ist, hatte Ambitionen. Den Zuschlag hat aber nun das Bundesamt für Justiz in Bonn erhalten – eine Behörde, die bislang weder im Bereich des Wirtschaftsrechts, noch durch Ermittlungserfahrung besonders auffällig geworden wäre. Es ist wohl Teil des Zähneknirschens, nicht die umtriebige Beschlussabteilung V des Kartellamts zu involvieren. § 19 UWG wird also ein lahmer Bußgeldtatbestand sein. Warum? Lesen Sie dann in meiner Kommentierung dazu im „Harten Henning“ (das ist ein wunderbarer UWG-Kommentar #ad).

 

Groteske Abwehrleistung

Es ist jedenfalls grotesk, wie versucht wird, bloß keine effektive behördliche Rechtsdurchsetzung zum Schutz des fairen Wettbewerbs zu schaffen. Damit steht Deutschland übrigens ziemlich allein da. Ohne Frage: Wettbewerbszentrale, VZBV und andere leisten mit der privaten Rechtsdurchsetzung großartige, wichtige Arbeit. Aber ihre Abmahnungen und Unterlassungsklagen haben Grenzen: Private können kaum ermitteln, sie haben geringe Anreize, sich in unsichere Verfahren zu stürzen, zivilrechtliche Entscheidungen wirken nur zwischen den Parteien, die Rechtsverletzer behalten in der Regel ihre rechtsbrecherisch eingefahrenen Gewinne.

Um das klarzustellen: Ich bin überhaupt kein Fan eines uferlos angewendeten UWG, das jeden Kleinkram sanktioniert. Im Lauterkeitsrecht fehlt es geradezu am „more economic approach“. Ökonomisch heißt aber auch: Gegen die großen Schweinereien muss effektiv vorgegangen werden. Dafür bräuchte es eine behördliche Rechtsdurchsetzung, wie wir sie vom Bundeskartellamt gewohnt sind: Mit Durchschlagskraft, aber auch mit Augenmaß. Ich packe das auf den Wunschzettel für die Koalitionsverhandlungen im Bund.

 

Endlich ein Ende

Der Palandt heißt jetzt Grüneberg, der Schönfelder Habersack. Der ewig rechte Theodor Maunz gibt nicht mehr einem führenden Grundgesetz-Kommentar seinen Namen. Walter Blümichs Name wird von einem EStG-Kommentar gestrichen. Überfällig war diese Streichung von Namen ehemaliger Nazi-Größen aus dem Standardrepertoire rechtswissenschaftlicher Bibliotheken. Vor über 30 Jahren war Ingo Müllers atemberaubendes Werk „Furchtbare Juristen“ erstmals erschienen; seit 2017 hatte die Initiative „Palandt umbenennen“ Druck gemacht. Ich kann über mich selbst nur den Kopf schütteln, wie lange wir das hingenommen haben. Immerhin hatte schon 1964 die aufrechte liberale Politikerin Hildegard Hamm-Brücher Theodor Maunz als bayerischen Kultusminister wegen seiner braunen Vergangenheit zu Fall bringen können. (Dass er zudem noch immer eine braune Gegenwart hatte, kam erst nach seinem Tod heraus.)

„Bewältigt“ ist die Jura-Vergangenheit damit noch keineswegs. Als Kartellrechtler sind wir natürlich irgendwie fein raus – unser Rechtsgebiet ist schon im Ansatz anti-totalitär, es existiert so richtig überhaupt erst seit den 1950er Jahren und Franz Böhm und Walter Eucken, die geistigen Überväter des deutschen Kartellrechts, haben – ausweislich ihrer Wikipedia-Einträge – eine weiße Weste. Umbenennungen von Kommentaren sind nicht angezeigt.

Im UWG ist das schon anders, wie ich hier einmal ausgeführt hatte. Wolfgang Hefermehl, dessen Fallgruppeneinteilung über Jahrzehnte für das UWG prägend war, war von 1941 bis 1945 Oberlandesgerichtsrat in Frankfurt am Main und Mitglied der SS. 1938 verfasst er einen Aufsatz über „Die Entjudung der deutschen Wirtschaft“, der in „Deutsche Justiz“ erschien. Die Universität Salzburg entzog ihm posthum 2015 eine 1983 verliehene Ehrendoktorwürde. Der berühmte Kommentar zum UWG heißt nicht mehr nach ihm, in seine Tradition stellt man sich aber – unkommentiert – gern noch auf dem Deckblatt. Wenn ich es recht sehe, erscheint dieser UWG-Kommentar in ungebrochener Tradition seit 1929, zunächst noch im Verlag des jüdischen Verlegers Otto Liebmann, der 1933 an Beck verkaufte.

Wenn ich das so aufschreibe, geht es mir nicht um den Austausch von Namen (Hefermehl ziert noch immer den Umschlag eines Kommentars zum Recht des Zahlungsverkehrs) oder darum, den Stab zu brechen über Entscheidungen, die sich meiner Generation nie stellten. Aber dass unsere Zunft der Juristinnen und Juristen immer noch recht blind für die Pervertierungen von Recht ist, das ist ehrlos. Über Hinweise in dieser Hinsicht zur Kartell- und Wettbewerbsrechtsgeschichte freue ich mich.

 

 

Zur Privatisierung des Privatesten

Mich fasziniert die Geschäftsidee der Sanifair-Gutscheine aus dem Hause Tank & Rast seit jeher als ein brillantes Abzockmodell: Ein Toilettengang an der Autobahn wird kostenpflichtig gemacht. Das ist zwar nicht nötig, ist vielleicht auch unanständig, aber erlaubt ist es schon, wie das OVG Rheinland-Pfalz rechtskräftig festgestellt hat. Dabei hatte man im ursprünglichen Konzessionsvertrag mit der Bundesrepublik Deutschland ja noch versprochen, sich um ein unentgeltliche Benutzung zu bemühen… – aber das war ja nur eine „Bemühensklausel“, wie Staatssekretär Enak Ferlemann schon 2012 achselzuckend auf eine Anfrage von Anton Hofreiter im Bundestag erklärte (BT-Drucks. 17/10460, S. 119). Soviel zum Geschick der Exekutive, Privatisierungen auszuhandeln.

 

Statt den Pinklern einfach 20 Cent abzuknöpfen, gibt man ihnen im Gegenzug einen Wertgutschein über 50 Cent, der im Tankstellenshop einlösbar ist – wo es natürlich für 50 Cent so gut wie gar nichts gibt. In der Folge steht der deutsche Sparfuchs vor einem geradezu unlösbaren Dilemma: Lässt er den gerade gewonnenen Gutschein verfallen entgegen seiner Maxime „Lieber den Magen verrenkt, als dem Wirt was geschenkt“ und spült damit 70 Cent das Klo hinunter? Oder löst er ihn ein und kauft etwas Überteuertes im Shop? Umfragen zufolge ist Deutschland in dieser Frage zerrissen. Gewinner: Tank & Rast. Denen gehören die Toiletten, die Shops und die Tankstellen. Fast überall an den Autobahnen.

Ich höre Sie schnaufen. Podszun, das wissen wir doch alles längst. Mit solchen Inhalten ist D’Kart bald so eine abgegriffene Klo-Lektüre wie die Uralt-Ausgaben des Stern neben dem Focus Lokus! Jajaja, schon gut. Immerhin gibt es aber ein bisschen News: Der Linken-Abgeordnete Victor Perli hat das Thema in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung (BT-Drucks. 19/30037) wieder aufgegriffen. Darin zitiert er genüsslich aus einem Moody’s Rating, demzufolge Tank & Rast stabil marktbeherrschend sei. Das Bundeskartellamt hat mit der Markttransparenzstelle Kraftstoffe gleichfalls Munition geliefert: Demnach liegen die Preise an Autobahntankstellen für Kraftstoffe rund 20-25 Cent über den üblichen Preisen – und auch erheblich über denen der Autohöfe. Weiß man ja alles. Muss aber vielleicht gar nicht so sein. Nur weil man sich an Ausbeutungspraktiken gewöhnt hat, heißt das noch nicht, dass sie auch zulässig sind.

Putzfimmel im Kartellamt

Da wir gerade bei den hygienischen Bedingungen sind. Das Bundeskartellamt betreibt künftig Selbstreinigung. Nein, nein, damit ist nicht gemeint, dass die Berichterstatter bei den nun wieder in Präsenz stattfindenden Besprechungen die Tische selbst desinfizieren müssen, wenn ein schmieriger Kartellbruder (alle männlich, siehe hier!) daran gesessen hat.

Wenn wir von Selbstreinigung sprechen, geht es natürlich um das Wettbewerbsregister. Es ist quasi ready, um scharf geschaltet zu werden, ein Team unter Leitung von Kai Hooghoff bastelt im Kartellamt an den letzten Details.

Wenn das Wettbewerbsregister läuft, kann das für manche Unternehmen ein ganz schöner game-changer werden: Biste drin, biste raus. (Schöne Formel, eigentlich!) Unternehmen, die dank einer unrühmlichen Vergangenheit gelistet werden (z.B. weil sie an einem Kartell beteiligt waren), werden für öffentliche Aufträge gesperrt. Für Branchen, die von solchen Aufträgen leben, kann das signifikant werden. Abhilfe verschafft die Selbstreinigung. Leitlinien, wie eine solche aussehen kann, hatte das Bundeskartellamt bis 20.7.2021 zur Diskussion gestellt.

 

Hätte, hätte, Lieferkette

Im Wettbewerbsregister können künftig auch Verstöße gegen das sog. Lieferkettengesetz eingetragen werden. Dieses Gesetz hat der Bundestag kurz vor Ende seiner Legislaturperiode verabschiedet. Ich hatte mich damit befasst, weil wir in unserer „Ringvorlesung Wirtschaftsrecht“ Franziska Humbert von Oxfam zu Gast hatten, die aus NGO-Perspektive das Lieferkettengesetz vorstellte. Sie zitierte einen Kenner der Berliner Szene, der gesagt habe, es handle sich um „das am stärksten lobbyierte Gesetz“ ever. Mag so sein, vielleicht auch nicht, aber die Anzahl der selbst in letzter Minute noch eingepflegten Änderungen ist schon erstaunlich. Dabei liefen die Allianzen querbeet: Entwicklungshilfeminister Gerd Müller von der CSU schmiedete mit Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil von der SPD ein Bündnis, dessen Vorstöße vom CDU-geführten Bundeswirtschaftsministerium abgewehrt wurden.

Juristisch ist das Lieferkettengesetz faszinierend, vor allem für diejenigen, die sich mit moderner Ordnungspolitik befassen. Als Kartellrechtler lässt sich der Grundgedanke rasch nachvollziehen: Wir wollen nicht, dass Produkte in den Handel kommen, bei deren Preissetzung Kartelle mitgemischt haben – egal wo diese veranlasst wurden. Und nun wollen viele Menschen auch nicht, dass Produkte in den Handel kommen, bei deren Herstellung Menschenrechte mit Füßen getreten wurden – egal wo. Ich nehme einmal an, dass das erst einmal nicht kontrovers ist. (Wenn Sie Kartelle oder Menschenrechtsverletzungen okay finden, dürfen Sie diesem Blog getrost entfolgen.)

 

Das Wie

Die Kontroverse beginnt wohl eher beim Wie. Sollen in Deutschland aktive Unternehmen, z.B. die Handelsketten, dafür verantwortlich gemacht werden, was in der Lieferkette passiert? Zurechnungsfragen gehören seit je zu den Delikatessen des Zivilrechtlers. Für mich ist es erst einmal logisch, dass ich die Vorteile aus der Arbeitsteilung (Kik produziert seine Leibchen nicht selbst) nicht ziehen kann, ohne auch die Risiken zu übernehmen. Wenn diese Risiken so geschickt externalisiert werden, dass ich am Ende von ungesühnter Kinderarbeit profitiere, dann ist ordnungsrechtlich etwas in Unordnung.

Die Nichtahndung der Kinderarbeit im Staat X ist einem Durchsetzungsdefizit im Staat X geschuldet (und nicht etwa anderen materiellen Standards – Menschenrechte sind ein universeller Standard). Darf man nun eine weit entfernte Rechtsordnung einspannen, zum Beispiel unsere, um dieses Durchsetzungsdefizit in X zu beheben? Im Kartellrecht machen wir das mit Hilfe des Auswirkungsprinzips, das ich immer als notwendiges rechtliches Äquivalent zur ökonomischen Globalisierung angesehen habe. Zugleich haben wir im Kartellrecht auch gesehen, dass mit Hilfe eines exzessiv ausgelegten Auswirkungsprinzips grenzüberschreitende Anmaßungen möglich sind.

Ist man bereit, die Verantwortung dem Hersteller oder Händler hierzulande zuzuweisen, stellt sich die Frage, wie man das konkret juristisch macht. Der deutsche Gesetzgeber hat mit einem beinahe unüberschaubaren Bausatz reagiert, der einiges von dem spiegelt, was wir im Kartellrecht kennen. Es ist ein „regulatory mix“ der Extraklasse: Es gibt Compliance-Vorschriften, Dokumentations- und Berichtspflichten. Es gibt Bußgelder (bis zu 2 % des Unternehmensumsatzes). Es gibt eine deliktsrechtliche Haftung, die durch ein zivilrechtliches Klagerecht für Nichtregierungsorganisationen (Prozessstandschaft) umgesetzt werden kann. Ob und wenn ja welche der vielfältigen Mechanismen am Ende zum Erfolg führen, bleibt abzuwarten.

An educated guess: Die Bußgelder sind es zunächst nicht. Die sollen vom BAFA, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, verhängt werden. Die Fach- und Rechtsaufsicht führt das Bundeswirtschaftsministerium. Es sind die kleinen Stellschrauben, die darüber entscheiden werden, wie stark das Lieferkettengesetz sein wird.

 

Patentparty

Was ich jetzt nur noch streifen kann: Das Patentrecht wird geändert. Man kann ja Patente gar nicht ohne ihre Kehrseite, den freien Zugang zu Wissen und also: den freien Wettbewerb, denken. Ich dachte jedenfalls dauernd an Fragen von Markt und Wettbewerb, als ich die Debatte um die Aussetzung von Schutzrechten an Impfstoffen verfolgte oder die Geschichten von der Beilegung des Patentstreits zwischen Nokia und Daimler.

 

Hats on

Für uns Kartellrechtler ist der Vorrang des Europarechts ja ein alter Hut, ohne den wir nicht vor die Tür gehen. Manche Verfassungsrichter gehen lieber ohne. Das Sprachbild will ich nicht zu weit treiben, aber die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge hat ein „Aufforderungsschreiben“ nach Deutschland geschickt, um an den alten Hut zu erinnern. Damit kriegt das Bundesverfassungsgericht eins, nun ja, auf die Mütze. Anlass ist die EZB-Rechtsprechung des Zweiten Senats, der 2020 meinte, der EuGH habe in dem Fall Heinrich Weis ultra vires gesprochen. Die Kommission ist auf der Hut: Sie hat Sorge, dass andere Gerichte in der EU dem Beispiel des BVerfG folgen.

Peter Meier-Beck, hat head of the Kartellsenat beim BGH, hat die Auffassung der BVerfG-Kollegen sehr früh in diesem Blog zurückgewiesen. Er war einer der ersten prominenten Kritiker. You heard it here, first! Da kann man doch als Leser/in ruhig mal sagen: Chapeau!

 

Next level compliance

Wir haben ja mit UWG angefangen, und da wollen wir mit UWG schließen: Den schönen § 3a UWG gibt es immer noch, diesen Rechtsbruchtatbestand, der einen ins Quickie-Rechtsgebiet UWG katapultiert, wenn ein Unternehmen gegen eine Vorschrift verstößt, die eigentlich öffentlich-rechtlich durchzusetzen wäre, wofür sich aber gerade keiner in der Behörde findet. UBER kann ein Lied davon singen: Die Verstöße gegen das Personenbeförderungsgesetz bremsten das Unternehmen immer wieder aus, die Durchsetzung erfolgte zum Teil mit Hilfe des UWG. Jetzt wirbt man damit, dass man sich rechtskonform verhält: „Alle unsere Partner-FahrerInnen haben eine lokale Beförderungslizenz“. Das finde ich so rührend, dass ich über die fehlenden Satzzeichen ebenso gern hinweg sehe wie über die merkwürdige Wendung „Partner-FahrerInnen“.

Werbung für Uber in Düsseldorf

Bin gespannt, wann andere Unternehmen beginnen, damit zu werben, dass sie deutsches Recht beachten. Facebook, Google, Amazon, Apple? Anyone? Beachte das Recht und rede darüber. Ist das noch Werbung mit Selbstverständlichkeiten – oder schon next level compliance?

 

Haben Sie bitte ein wohlbehütetes Wochenende! – Rupprecht Podszun

PS: Wir haben unseren Facebook-Account „ruhend gestellt“. Sollten Sie auch mal probieren. Tat gar nicht weh. Auf Facebook müssen Sie natürlich nicht verzichten – wir haben hier im Blog die große Facebook-Seite, auf der wir laufend Informationen zum spannendsten deutschen Kartellrechtsfall seit Jahren einstellen.

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