Zum 4. Mal: Kartellrechtler unter sich
Am 28. September 2021 fand die neueste Ausgabe des berühmt-berüchtigten Düsseldorfer Doktorandenseminars im Kartellrecht statt. Philipp Offergeld und Mykyta Shchupak berichten über die aus ihrer Sicht kurzweilige, gelungene Veranstaltung.
Das Institut für Kartellrecht der HHU Düsseldorf (IKartR) lud am 28. September zum mittlerweile vierten Mal zum Doktorandenseminar im Kartellrecht und setzte damit eine Reihe fort, die mittlerweile wohl als Tradition bezeichnet werden kann. Aufgrund der unsicheren Planungslage wurde die Veranstaltung nicht im Haus der Universität in der Düsseldorfer Innenstadt abgehalten, sondern über Zoom. Das Team des IKartR stellte sich der Herausforderung, das ansonsten über zwei Tage gehende Event in ein passendes Format für ein digitales Treffen zu bringen.
You are not alone!
Mit diesem Satz begann Rupprecht Podszun die Anmoderation und machte damit zugleich die Motivation der Veranstalter deutlich: Die jungen Wissenschaftler unterstützen und ihnen klar machen, dass sie mit ihrem Promotionsvorhaben nicht alleine im Dunklen stochern müssen.
Los ging es mit einer Vorstellung der prominenten Gäste. Mehrere externe Experten, die selber einmal Doktoranden waren, hatten sich bereiterklärt, bei den späteren Doktorandengesprächen ihre Erfahrung aus der Kartellrechtspraxis beizusteuern. Zu nennen sind VorsRiLG Dr. Gerhard Klumpe, RA Dr. Christian Karbaum, RA Dr. Markus Wirtz, RA Dr. Michael Dietrich, RA Dr. Maximilian Janssen, RA Dr. Carsten Grave und RA Dr. Tilman Kuhn. Vielen Dank!
Und los geht die Reise: Erste Runde der Doktorandengespräche
Im Zentrum der Veranstaltung stehen die Doktorandenvorträge. Die jungen Wissenschaftler erhalten hier die Möglichkeit, ihre bisherige Arbeit einem etwas größeren, fachkundigen Publikum und vor allem ihren „Peers“ vorzustellen. Den Anfang machten Jennifer Pullen von der Universität St. Gallen zur Fusionskontrolle bei Big-Tech-Akquisitionen und Matthias Geuder von der HHU Düsseldorf zur Frage, was der Kartellschadensersatz von der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung lernen kann. Die Gespräche fanden parallel in Breakout-Räumen statt.
Jennifer Pullen beschäftigt sich mit der Frage, wie die Fusionskontrolle ausgestaltet sein muss, damit sie bei Big-Tech-Akquisitionen ihren Zweck erfüllen kann. Hier wurde es philosophisch: Was ist eigentlich genau der Zweck der Fusionskontrolle? Jennifer Pullen blickt zur Lösung ihrer Forschungsfrage rechtsvergleichend auf die Schweiz, die EU, Großbritannien und die USA.
Matthias Geuder ging in seinem Vortrag mit dem Titel „Kartellschadensersatz und strafrechtliche Vermögensabschöpfung“ zunächst auf die verschiedenen Nachteile ein, an denen die zivilrechtliche Durchsetzung leidet. Nach der – durchaus nachvollziehbaren – Kritik musste Matthias Geuder sodann natürlich auch einen guten Alternativvorschlag liefern. Und genau das tat er auch: Nach seiner Ansicht sollte es auch im Kartellrecht eine Vermögensabschöpfung im strafrechtlichen Stil geben.
Doktorandengespräche Runde 2
In der zweiten Runde stellten Franziska Gehann und Johannes Persch von den Universitäten Passau und Mannheim ihre Dissertationsvorhaben vor.
Franziska Gehann forscht zum Kartellkollisionsrecht des Innenausgleichs bei Multistate-Verstößen. Welches Gericht ist international zuständig und welches materielle Recht ist anzuwenden, wenn ein Kartellant mit Sitz im Staat A einem Geschädigten den Kartellschadensersatz zahlt und sodann bei seinem Mitkartellanten mit Sitz im Staat B gem. Art. 11 Abs. 5 RL 2014/104 einen Ausgleich verlangt? In ihrem Vortrag ging Franziska Gehann vertieft auf die letzte der beiden Fragen ein und nahm das Publikum auf eine interessante Reise quer durch das Kartellschadensersatzrecht sowie das IPR mit. Gerhard Klumpe nahm an dieser Reise sehr gern als Experte teil und gab einige sicherlich hilfreiche Anmerkungen.
Johannes Persch beschäftigt sich mit der Verbraucherautonomie und vertikalen Vertriebsbeschränkungen. Diskutiert wurde über die grundlegende Frage, was Autonomie eigentlich bedeutet und voraussetzt, und wo diese im Kartellrecht relevant wird. Während Art. 101 AEUV aufgrund des „Selbstständigkeitspostulats“ eine Pflicht zur Autonomie vorsieht, wurde im Missbrauchsrecht nach Art. 102 AEUV zuletzt die Verbraucherautonomie vom Bundesgerichtshof aufgrund grundrechtlicher Wertungen bemüht. Schließlich stellte Johannes Persch den Bezug zu vertikalen Vertriebsbeschränkungen her. Auch bei Johannes Persch diskutierten peers und Experten, etwa über die für wohl alle Doktoranden früher oder später relevante Frage, wie man sein Thema eingrenzen kann. Der Anspruch einer Doktorarbeit müsse ja nicht sein, jedes Problem zu lösen, so Rupprecht Podszun.
Darf nicht fehlen: Extraportion Networking
Selbstverständlich ist das Networking wichtiger Bestandteil des Doktorandenseminars. Daher waren zusätzlich dreißig Minuten für themenbezogenes Kennenlernen in sechs Breakout-Räumen vorgesehen.
So wurden zum Beispiel im Raum „Kartellrecht und Sustainability“ große Schnittmengen gefunden, hilfreiche Anregungen und E-Mail-Adressen ausgetauscht. Es hat große Freude gemacht, mit „Kollegen“ zu sprechen, die sich mit gleicher Leidenschaft mit einem ähnlichen Thema beschäftigen.
Im Raum „Kartellschadensersatzrecht“ durften sich die Doktorandinnen und Doktoranden mit Gerhard Klumpe und Christian Kersting über zwei bekannte Gesichter aus dem Bereich des Kartellschadensersatzrechts freuen. Auch hier entstand ein anregendes Gespräch über die Untiefen dieses fesselnden kartellrechtlichen Gebietes.
Aber auch in den anderen Breakout-Sessions konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich über alle Themen austauschen, die einen Kartellrechtler nachts nicht schlafen lassen: Kartellrecht und Daten, Kartellrecht und Plattformökonomie, Rechtsfragen der Fusionskontrolle oder auch über sonstige Themen, bei denen Gesprächsbedarf bestand. So war am Ende für jeden etwas dabei.
Gerne mehr, da es so schön war: Doktorandengespräche Teil 3
In der dritten und (leider) letzten Runde der Doktorandengespräche setzte sich Severin Stratmann (HHU Düsseldorf) mit indirekten Horizontalverflechtungen auseinander, welche durch die Beteiligungen von institutionellen Investoren entstehen. Stellen sie eine Gefahr für den Wettbewerb dar? Kann diese Gefahr vom Kartellrecht erfasst werden? Welche Rolle kann das Kapitalmarktrecht an dieser Stelle spielen?
Im anderen Raum konnte den Ausführungen von Petar Petrov von der Wirtschaftsuniversität Wien zum Thema „Dominance, Super-Dominance and Gatekeeper Status: Variable Shades of Market Power in Digital Markets” gefolgt werden. Petar Petrov vergleicht in seiner Arbeit verschiedene Arten von Marktmacht, die entweder unmittelbar im Gesetz angelegt sind, oder sich in der Rechtsprechung entwickelt haben. In der anschließenden Diskussion wurde ausgearbeitet, dass man die verschiedenen Kriterien anhand vorher festgelegter Kriterien bewerten müsse. Dies sei bei Doktorarbeiten generell wichtig: Klar machen, was die Maßstäbe für die eigene Beurteilung sind.
Doktoranden have 99 problems – daher brauchen sie Selbsthilfegruppen
Dann war es an der Zeit, sich mit dem harten Leben eines jeden Doktoranden auseinanderzusetzen. Auch wenn es kaum zu glauben ist: Es besteht nicht nur aus Partys, mit dem ein oder anderen Problem müssen sich Promovierende dann doch beschäftigen. Auch dazu hat das diesjährige Doktorandenseminar reichlich Gelegenheit geboten. In vier Breakout Sessions, welche im Programm als „Selbsthilfegruppen“ betitelt wurden (nein, man musste sich dort nicht nach dem Schema „Hallo, mein Name ist XY und ich bin Doktorand“ vorstellen), konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über diese und weitere Fragen austauschen:
- Welcher Weg zur Promotion ist der bessere – Lehrstuhl, Kanzlei oder Stipendium?
- Was sollte man tun, wenn man daran verzweifelt, dass man kein Thema findet?
- Man ist fortgeschritten und bisher lief es ganz gut – aber was kommt jetzt?
- Was muss man beim Endspurt beachten?
Denjenigen, die schon länger dabei sind, wurde der Tipp gegeben, durchzuziehen, auch wenn man an der eigenen These manchmal zweifelt. Oft unterschätzten Doktoranden nach einer Weile die Komplexität des eigenen Themas und hielten die eigene Arbeit fälschlicherweise für wenig hilfreich. Irgendwann müsse man außerdem einfach fertig werden und aufhören, überall weiter zu schrauben. Es wird nicht gelingen eine Arbeit abzugeben, mit der man zu 100% zufrieden ist.
Man wird davon ausgehen können, dass diese Gruppentherapie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern geholfen hat und ihnen nun einiges klarer geworden ist. Und falls nicht, kann man ja immer noch auf die traditionelle Methode zurückgreifen: Bücher schließen, vom Tisch aufstehen und in die Bar und/oder den Club seines Vertrauens gehen.
Herzlichen Glückwunsch, Dr. Larissa Schildgen!
Pünktlich um 18 Uhr war dann die Zeit für eine waschechte Premiere gekommen – die allererste Verleihung des Promotionspreises des IKartR für herausragende wissenschaftliche Leistungen im Bereich Kartellrecht. Dieser von Herbert Smith Freehills gestiftete (an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Kanzlei!) und mit 5.000 € dotierte Preis ging in diesem Jahr an Frau Dr. Larissa Schildgen für ihre im Mohr Siebeck Verlag erschienene Dissertation über die „Rechtsfähigkeit des Unternehmens im Unionswettbewerbsrecht“. „Überreicht“ wurde der Preis von Dr. Marcel Nuys (Partner bei Herbert Smith Freehills), der insbesondere die hohe Praxisrelevanz der Arbeit lobte. Dem kann man sich nur anschließen: Vielen Dank für dieses wertvolle Werk und herzlichen Glückwunsch, Dr. Larissa Schildgen! Welche spannenden Werke sonst in letzter Zeit im Bereich des Kartellrechts erschienen sind, können Sie übrigens unserer Diss-List entnehmen!
Panel-Diskussion zum Thema: „Was macht eine gute Doktorarbeit aus?“ – Oder: Wie gewinnt man einen Promotionspreis?
Nach der feierlichen Preisverleihung hat sich dann natürlich jeder die Frage gestellt, was man denn nun leisten muss, um einen Promotionspreis zu erhalten. Was macht eine gute Doktorarbeit aus? Dies sollte ein hochkarätig besetztes Panel aus Hochschullehrerinnen und -lehrern beantworten. Unter der Moderation von Prof. Dr. Rupprecht Podszun (HHU Düsseldorf) sinnierten Prof. Dr. Dörte Poelzig (Universität Hamburg), Prof. Dr. Petra Pohlmann (Universität Münster), Prof. Dr. Thomas Ackermann, LL.M. (Cambridge) (LMU München), Prof. Dr. Florian Bien (Julius-Maximilians-Universität Würzburg) und Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale) (HHU Düsseldorf) mehr als eine Stunde lang darüber, was ein gutes Thema ausmacht, wie eine Dissertation geschrieben sein muss und welche No-Gos zu vermeiden sind.
Das ergab einige sehr hilfreiche und einprägsame Weisheiten. So kam Thomas Ackermann – unter breiter Zustimmung seiner Kolleginnen und Kollegen (kommt unter Juristen ja auch nicht allzu oft vor) – zu dem Ergebnis, dass die „Qualität einer guten Arbeit […] in der Originalität“ liegt. Man sollte das Selbstbewusstsein haben, eine neue Idee zu entwickeln, mit der man sich auch mal in den von den anderen Juristinnen und Juristen verursachten Wind begibt. Oder wie Christian Kersting es prägnant ausgedrückt hat: „Kreativität bedeutet auch mutig sein.“ Apropos Kreativität: Dörte Poelzig wies darauf hin, dass man kreative Ideen nicht erzwingen kann. Vielmehr kommen sie zumeist irgendwann von selbst, z.B. beim Joggen. Also, holt Eure Laufschuhe raus!
Beim Schreiben der Dissertation – und da waren sich die Damen und Herren Professoren erneut einig (das wird langsam gruselig…) – sollte man unbedingt auf den berühmt-berüchtigten roten Faden achten. Und natürlich auch auf einen guten Stil – kurze und verständliche Hauptsätze im Aktiv mit wenig Substantivierungen sind das Maß aller Dinge. Letztlich sollte die Arbeit die untersuchte Frage in verständlicher Weise beantworten, nicht mehr. „Die Eierschalen der Arbeit müssen weg, am Ende muss nur das Küken übrig bleiben“ (so Petra Pohlmann). Wem diese Tipps noch nicht genug sind, findet hier einen ausführlicheren Bericht von Philipp Bongartz.
Das Abendprogram: Rupprecht Podszun als Quizmaster
Nach getaner Arbeit ging man zum Vergnügen über. Da aber das Doktorandenseminar rein virtuell stattfand, kam der obligatorische Besuch an der „Längsten Theke der Welt“ (aka Düsseldorfer Altstadt) leider nicht in Betracht. So gab es ein interaktives „Antitrust Pub Quiz“, welches von Rupprecht Podszun als Quizmaster moderiert wurde. Warum werden Semesterabschlussklausuren eigentlich nicht als Pub Quiz gestellt?
Zehn Teams mussten ihre Fähigkeiten im Kartellrecht beweisen, um den begehrten Preis (dazu sogleich) zu gewinnen. Es galt, 26 Fragen aus den Kategorien Erdkunde, Wissenschaft und Technik, Kunst und Literatur, Geschichte, Unterhaltung sowie Sport zu beantworten. Wusstet Sie beispielsweise, dass Frankeich noch nie einen Wettbewerbskommissar gestellt hat? Oder dass der DMA-Entwurf vom 15.12.2020 in seinen Erwägungsgründen und dem Verordnungstext das Wort „Gatekeeper“ insgesamt 288 Mal enthält?
Am Ende teilten sich drei Teams den ersten Platz. Was sie gewonnen haben? Die glücklichen Gewinner dürfen nun je einen Beitrag auf D-Kart, dem wichtigsten Antitrust Blog der Welt veröffentlichen. Eine größere Ehre kann es für einen wahren Kartellrechtsenthusiasten nun wirklich nicht geben! Abonnieren Sie den D-Kart Newsletter, um das nicht zu verpassen!
Schlussfolgerung
Obwohl das diesjährige Doktorandenseminar nur online stattfand, war es doch ein großer Erfolg! Einen Nachmittag lang konnte man sich mit spannenden kartellrechtlichen Themen befassen, seine Sorgen mit anderen „partners in crime“ teilen, erfahren, was eine gute Doktorarbeit ausmacht sowie beim „Antitrust Pub Quiz“ kräftig mitraten. Balsam für jede kartellrechtliche Seele! Besonderer Dank gebührt Patrick Hauser, der als Geschäftsführer des IKartR das Doktorandenseminar organisiert hat.
Übrigens: Save the Date! Das nächste Düsseldorfer Doktorandenseminar im Kartellrecht findet am 5. und 6. September 2022 statt. Dann auch hoffentlich wieder in Präsenz in der deutschen Hauptstadt des Kartellrechts (und natürlich auch an der „Längsten Theke der Welt“)! Das IKartR freut sich auf Sie und Euch!
Philipp Offergeld ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht der HHU Düsseldorf und Doktorand bei Prof. Podszun. Mykyta Shchupak ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht sowie deutsches und internationales Unternehmens-, Wirtschafts- und Kartellrecht der HHU Düsseldorf und Doktorand bei Prof. Kersting.
One thought on “Zum 4. Mal: Kartellrechtler unter sich”
Klingt nach einer tollen Veranstaltung! Bei den externen Experten könnte man allerdings den Eindruck gewinnen, als ob solche nur in Düsseldorf und unmittelbarer Umgebung zu finden sind. Ich habe gehört, dass es im Süden der Republik auch Kartellrechtsexperten geben soll 😉
A. Boos (aus München ;))