SSNIPpets (14) – heute mit spiced ham

SSNIPpets (14) – heute mit spiced ham

Das Wochenende kommt. Und also haben wir wieder in den Nachrichten der letzten Zeit gestöbert, um unseren geneigten Leserinnen und Lesern den Übergang ins Wochenende zu erleichtern. Rupprecht Podszun hat in der DSGVO-veranlassten Mailflut zur Verlängerung von Newsletterabonnements versucht, gewürzten Schinken (vulgo: Spam) von echten News zu unterscheiden. Hier tischt er die SSNIPpets auf – small, but significant news, information and pleasantries – our pet project.

Bacon and eggs

Was sind die wesentlichen wirtschaftspolitischen Nachrichten dieser Tage? Man ist versucht, an die neuen Regierungen in Italien oder Spanien zu denken, vielleicht auch an den Auftritt der „Regulators“ beim Festakt zu 20 Jahre Bundesnetzagentur. Aber: Es ist Krieg. Handelskrieg. Das Vokabular ist martialisch, dabei ist der einzige Trost, dass Trump noch nicht entdeckt hat, wie viel Aufmerksamkeit er durch den Einsatz richtiger Waffen erzielen könnte. Im Handelsstreit spielt offenbar zuweilen auch das Kartellrecht eine Rolle: China, so hieß es, blockiere mit Hilfe des Kartellrechts die Übernahme von NXP durch Qualcomm – ein Verhandlungschip im wirtschaftlichen Pokerspiel mit der US-Administration, die das chinesische Unternehmen ZTE unter Druck setzt.

Chipped chopped ham

Systematisch wird die liberale westliche Weltordnung, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten mühsam zusammengepuzzelt wurde, abgewickelt. Klassiker wie David Ricardos Darlegung des komparativen Vorteils stehen zur Disposition. Immerhin hat das Bundeskartellamt verdienstvollerweise gerade eine englische Übersetzung des GWB in der neuesten Fassung vorgelegt – das kann man immer brauchen.

Fun Facts: Die Übersetzer haben es sich nicht nehmen lassen, in § 88 GWB und andernorts mit einem kleinen „[sic]“ auf redaktionelle Fehler hinzuweisen: Der Gesetzgeber verweist da nämlich in der deutschen Fassung auf § 87 Abs. 1 GWB – obwohl § 87 GWB ohnehin nur einen Absatz hat. Ansonsten wird die eckige Klammer genutzt, um Gesetze in deutscher Fassung klarzustellen; das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, das – wie Sie wissen – in § 20 Abs. 3 GWB erwähnt wird, ist z.B. in der Übersetzungsfassung der „German Food and Feed Code“, und zur Klarstellung wird dann in eckiger Klammer der deutsche Name des Gesetzes mitgeliefert. (Food and Feed Code hat mich wiederum an die englische Übersetzung von Maul- und Klauenseuche erinnert: Foot and Mouth Disease. Falls Ihnen der Begriff „Klaue“ (nicht gemeint: Siegfried Klaue) in englischer Übersetzung fehlt: foot.) Es gibt aber von solchen Eigennamen und dem frechen „[sic]“ abgesehen einen unübersetzbaren neuen Begriff im GWB, der ebenfalls eine eckige Klammer erhielt. Raten Sie mal. Tipp: Suchen Sie in § 35 Abs. 2 GWB. Die Unübersetzbarkeit ist für mich eine Antwort auf die Frage, ob so eine Regel ins GWB gehört.

Prosciutto di Parma

Wohin das US-Kartellrecht steuert, scheint indes noch nicht richtig klar. Immerhin ist Bayer/Monsanto mit erheblichen Auflagen auch in den USA durch. Den Bericht in der Juve über die „Mutter aller Deals“ kann man übrigens mit atemloser Spannung lesen.

Vor inzwischen einigen Wochen hatte die American Bar Association (ABA) in Düsseldorf eine Veranstaltung zur Verschärfung der Investitionskontrolle organisiert: Sollten „public interest considerations“ eine Rolle bei der Kontrolle von Unternehmensübernahmen spielen? Die Pläne in Deutschland und der EU richten sich ja vor allem gegen chinesische Einkaufstouren. Ich blieb etwas unschlüssig, warum die ABA in Düsseldorf dazu einen Workshop organisiert. Vielleicht ist die Frage falsch. Man könnte natürlich eher fragen: Warum nicht? Düsseldorf ist ja immerhin the capital of antitrust law in Germany! Die Ansprache, die der Vertreter des US-Justizministeriums Roger Alford zum Auftakt gab und die der Kartellblog schon dokumentiert hat, war eher als Mahnung zu lesen, doch bitte dem consumer welfare standard treu zu bleiben (wenn Alford nur wüsste, wie treu wir bislang waren…). Dazu hat sich auch sein Vorgesetzter Makan Delrahim in einer Rede in Rom geäußert, die mit ihrem Bezug auf Innovation und Consumer Choice durchaus interessant ist.

Das ABA Panel in Düsseldorf zur Investitionskontrolle.

Als deutsche Vertreterinnen saßen die Anwältinnen Romina Polley und Daniela Seeliger auf dem ABA-Podium im Steigenberger Hotel. Frau Seeliger bewahrte mich schon beim Check-in vor einer Peinlichkeit: Als ich mein Namensschild erhielt, stand darauf fett gedruckt: „Rupprecht“. Ich wollte mich schon an den Counter wenden und erklären, dass Rupprecht der Vorname ist. (Sie glauben nicht, wie oft ich E-Mails erhalte, die mit „Sehr geehrter Herr Rupprecht“ anfangen…). Doch in letzter Sekunde fiel mein Blick auf das Namensschild, das die Dame neben mir hatte: „Daniela“. Das war Frau Seeliger, und dann fiel mir erst auf: Achja, ABA, yay, first-name-basis! In der Hinsicht dürfen sich meinetwegen die Amerikaner gern durchsetzen.

Schinkenrollbraten

Es gab eine ganze Reihe wichtiger Entscheidungen in diesen Tagen: Die Kommission hat mit Gazprom gedealt. Das Bundeskartellamt lässt die Finger von der Lufthansa, und Andreas Mundt sagt den schönen Satz: „Die Verwendung eines Algorithmus zur Preisfestsetzung entbindet ein Unternehmen selbstredend nicht von seiner Verantwortung.“ Der EuGH hat auf eine Vorlage hin den Ernst & Young-Fall entschieden, bei dem es um die Frage geht, wann gegen das Vollzugsverbot verstoßen wird. Und Kommission und Parlament haben sich auf eine Version von ECN-plus geeinigt, nachdem der Bericht von Andreas Schwab ja einige wichtige Bemerkungen dazu gemacht hatte.

Schwarzwälder Schinken

Jaja, das ist viel zu lesen, daher kommt jetzt auch in aller Kürze ein Tipp, was Sie nicht lesen müssen: Das Gutachten der Monopolkommission zur Buchpreisbindung. Warum Sie das nicht lesen müssen? Sie wissen ja ohnehin, was drin steht: Die Buchpreisbindung ist ein – Trommelwirbel – Eingriff in den freien Markt!

Klar ist: Wenn die Buchpreisbindung fällt, wird es keine Buchhandlungen mehr in den Städten geben. Das kann man wollen. Die Monopolkommission will es, und sie umschreibt das damit, dass die Buchpreisbindung den Strukturwandel im stationären Handel verzögere. Das stimmt wahrscheinlich, aber vermutlich haben die Betreiber der BiBaBuZe-Buchhandlung in Düsseldorf-Bilk auf ihre alt-68erigen Tage auch gar keine Lust mehr, Amazon herauszufordern. Wenn sie ihre Buchhandlung, dieses schräge Biotop, aufgeben müssen, dann können sie aber vielleicht als Paketboten anfangen. Helge Malchow, der Verleger des Kiepenheuer & Witsch-Verlags, nennt die Monopolkommission im Interview mit dem Deutschlandfunk daher neoliberal (und das ist als ein schlimmes Schimpfwort gemeint).

Ich hätte mir eine differenziertere Bewertung des Onlinehandels gewünscht, so wie es in Coty ja auch schon angedeutet wird – durchaus mit einem Seitenblick auf die Kosten dieser Art von Wettbewerb, von Amazons Steuerzahlungen über das Innenstadtsterben bis zum Paketzustellwahnsinn. Natürlich weiß ich auch, dass eine Preisbindung ein Eingriff in den freien Markt ist. Aber es gäbe für die Monopolkommission vielleicht einfach andere Themen, die drängender sind (z.B. Wettbewerb und DSGVO oder Konditionenausbeutung in der Automobilwirtschaft).

Jamón Serrano

Die Macher der Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft wollten von mir wissen, wie man eigentlich Kartellrecht unterrichtet. Sie sind erstaunt, dass es eine Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft gibt? Hm, ja, wir bemühen uns heutzutage. Die Zeiten der Hammer-Didaktik „Sie sind dumm – und wenn Sie nicht 9 Punkte schaffen, sind Sie ohnehin der Verdammnis ausgeliefert“ sind vorbei. Kurzum: Ich war gezwungen, mir Gedanken zu machen, wie man Kartellrecht unterrichtet. Einen ersten Aufschlag habe ich in der Zeitschrift gemacht, und ich redete mich vor allem darauf heraus, dass Kartellrechtslehre ein „offenes Entdeckungsverfahren“ ist. Andere Entdecker/innen sind herzlich willkommen, ihre Überlegungen dazu beizutragen. Es gibt wenig dazu.

Jetzt kürzlich stellten mir Studentinnen und Studenten meiner Fakultät die Frage: Welche Schlüsse ziehen wir eigentlich aus der Perversion des Rechts in der Nazizeit für die Juristenausbildung heute? Ich fühlte mich dafür als Kartellrechtler gar nicht zuständig, immerhin vertreten wir ja – das ging mir dabei auf – das antitotalitäre Studienfach innerhalb der Rechtswissenschaft schlechthin. Ich hab mir trotzdem Gedanken dazu gemacht, die Sie auf Legal Tribune Online finden. Aber natürlich nur lesen müssen, wenn Sie sonst gar nichts mehr mit sich anzufangen wissen und Ihnen die alten Schinken ausgegangen sind, die Sie immer schon mal lesen wollten.

Schönes Wochenende!

Ein Gedanke zu „SSNIPpets (14) – heute mit spiced ham

  1. Zum Thema Buchpreisbindung:
    Nett formuliert, aber es ist genau anders herum als Sie es schreiben! Das Gutachten der Monopolkommission mutet ob seiner viel zu pauschal dargestellten Forderung zur Abschaffung der Buchpreisbindung zunächst so langweilig und dogmatisch an, dass man es nicht lesen will. Das muss man kaum mehr hervorheben.

    Was nicht jeder sieht – ob deshalb weil man es nicht sehen möchte oder weil man einfach nur ihrer Empfehlung folgt – ist die inhaltliche Analyse der Preisbindung, die in dem Gutachten zuvor ausführlich vorgenommen wird. Die ist durchaus nicht einseitig, sondern differenziert, meistens ausgewogen und meiner Meinung nach deshalb auch lesenswert.

    Wer oder was die Kommission geritten hat, im Ergebnis dann nicht die differenzierte Wirkung verbunden mit einer Forderung zur Überprüfung des Instruments in den Mittelpunkt zu stellen, dass bleibt allerdings ein Geheimnis. So wirbt man nicht unbedingt für ausgewogene Politikberatung, selbst wenn diese dahinter verborgen steckt.

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