SSNIPpets (2) zum Wochenende – heute: mit Heinrich Böll

SSNIPpets (2) zum Wochenende – heute: mit Heinrich Böll

Small, but significant news, information and pleasantries – our pet project (SSNIPpets)!

Hören Sie das sanfte Plätschern der Wellen? Sie trinken den Hauswein, der einfach herrlich schmeckt, ohne sich zu fragen, ob der an einem verregneten Herbstabend in Deutschland genauso schmecken würde? Sie fragen sich, ob der Sonnenbrand wohl der leichten Bronzierung gewichen sein wird, wenn Sie wieder zurückfahren in – – – nein, an das Zurück denken wir noch gar nicht. Der Flieger von Air Berlin wird ja wohl…? Nein, nein, nein, wir wollen heute doch überhaupt nicht ans Kartellrecht denken. Aber für diejenigen unter Ihnen, die – wenn Sie ganz ehrlich sind – ab und zu ein leichtes Kribbeln verspüren, weil im August einfach zu wenig E-Mails eingehen, für die haben wir hier ein paar Goldnuggets. Unsere SSNIPpets!

 

1. Ende einer Dienstfahrt

Reden wir mal nicht über Elke Twesten, sondern über all das, was sonst noch in Niedersachsen passiert ist, z.B. die Durchsicht einer Regierungserklärung durch den VW-Konzern oder die möglicherweise kartellrechtsrelevanten Absprachen mit anderen Autoherstellern. Liegt diese, nun ja, etwas problematische „Governance“ vielleicht auch daran, dass VW vom Land Niedersachsen dominiert wird? Unter Wettbewerbsexperten ist das eine populäre Sichtweise, der auch ich viel abgewinnen kann. Inzwischen haben sich in der Presse etwa unser Kollege Justus Haucap vom DICE und Achim Wambach, Chef der Monopolkommission, für eine „Entflechtung“ von Landesregierung und Konzern ausgesprochen. Unser Düsseldorfer Kollege Ulrich Noack, der übrigens einen Blog zum Gesellschaftsrecht betreibt, hat sich das genauer angeschaut und sagt: Am VW-Gesetz liegt es nicht.

 

2. Und sagte kein einziges Wort

Die Bundesnetzagentur hat zugeschlagen. Gegen Energy2day wurde der Bußgeldrahmen des § 20 UWG voll ausgeschöpft: 300.000 Euro wegen unzulässiger Telefonwerbung für Energielieferverträge. Warum wir das hier erwähnen? Weil diese Befugnis ein Beispiel für behördliche Verbraucherrechtsdurchsetzung ist, so wie sie für das Bundeskartellamt diskutiert wird. Interessant schien uns nach der genaueren Befassung mit § 20 UWG in einer Evaluation für das Bundesjustizministerium übrigens auch, was nicht durch Kartellrecht oder UWG erfasst wird. Im Bereich des cold calling sind dies zum Beispiel die predictive dialer: Die Anrufmaschinen im Call-Center rufen, zwecks Verbesserung der Auslastung der Mitarbeiter/innen, mehrere Rufnummern gleichzeitig an, da stets damit gerechnet wird, dass gerade niemand dran ist (z.B. weil man tagsüber im Büro ist und nicht zuhause). Sobald eine angerufene Person abgehoben hat, werden die übrigen Anrufe abgebrochen. Das führt bei vielen Menschen zur Verunsicherung, die zuhause sind, aber nicht so rasch am Hörer waren: Bei ihnen klingelt das Telefon, wenn sie abheben, ist aber keiner mehr dran. Nervt, ist aber gar nicht Gegenstand des Bußgeldbescheids, denn es fehlt am für § 20 UWG erforderlichen Tatbestandsmerkmal des Werbens: Wer nur mal das Telefon durchklingeln lässt, wirbt noch nicht.

 

3. Im Tal der donnernden Hufe

Heute mal nichts aus dem Bundeskartellamt, in dem es noch einmal eine Abteilungsleiter-Rochade gab (Langhoff von B5 nach B3, Temme von B3 nach B4, Schulze von B4 nach B5). Stattdessen machte eine andere Behörde Schlagzeilen: Die BaFin hat eine Untersuchung eingeleitet, um zu prüfen, ob Daimler und VW ihre Aktionäre mit einer ad-hoc-Mitteilung darüber hätten informieren müssen, dass man einen kartellrechtlichen Kronzeugenantrag gestellt hat. Da hört man schon wieder die nächsten Schadensersatzkläger herangaloppieren – doch die Unternehmen sind in einer Zwickmühle. Die Kronzeugenregelungen von Bundeskartellamt und EU-Kommission untersagen nämlich recht lange, dass die Antragsteller damit an die Öffentlichkeit gehen. Rechtsgrundlage für die Publizitätspflicht ist Art. 17 Marktmissbrauchsverordnung (MMVO); Absatz 4 sieht eine Aufschubmöglichkeit vor. Was überhaupt eine Insiderinformation ist, wird in Art. 7 MMVO definiert. Ein Konflikt der Rechtsregime. Dem Handelsblatt habe ich gesagt, dass ich es eigentlich schräg finde, dass ausgerechnet der Kronzeuge sich hier dem nächsten Risiko aussetzt – eigentlich müsste ja ein Unternehmen, das einfach weiterkartelliert, seine Anleger darüber informieren, dass es seine Umsätze auf illegale Weise erzielt…

 

4. Wo warst du, Adam?

Die Demokraten, die derzeit in den USA nicht an der Macht sind (Merksatz für den September: Wünschen hat noch nie geholfen, Wählen gelegentlich schon), pfeifen mal im Walde und haben ein spannendes Thema entdeckt: Kartellrecht. Sie haben ein kraftvolles Manifest vorgelegt, das mit dem Titel „A Better Deal“ Reformen im Kartellrecht fordert. Ausgangspunkt ist die durchaus aufrüttelnde Erkenntnis: „Over the past thirty years, growing corporate influence and consolidation has led to reductions in competition, choice for consumers, and bargaining power for workers.“ Übrigens wollen die USA im Handelsabkommen NAFTA die wettbewerblichen Verpflichtungen stärken. Twitter wird uns über das, was POTUS für Politik hält, auf dem Laufenden halten…

 

5. Gruppenbild mit Dame

In Locarno ist gerade das Filmfestival über die Bühne gegangen, bei dem Leoparden verliehen werden. Die ohne Zweifel großartige Isabelle Huppert ist dort als beste Darstellerin ausgezeichnet worden. Sie spielt in Madame Hyde eine Lehrerin, die sich dank Blitzschlags in eine mächtige und gefährliche Frau verwandelt. Margrethe Vestager (wie kommen wir jetzt darauf?) hat in Locarno auch einen Preis erhalten, aber kein Raubtier, sondern 50.000 Euro, die sie einer Kinderrechte-Organisation gespendet hat. Bei dem Festakt waren einige deutsche Spitzenpolitiker/innen anwesend (siehe Gruppenbild mit Damen, Foto: Karl-Heinz Hug (Ringier.com)). Es schadet sicher nicht, wenn im lauwarmen Bundestagswahlkampf der eine oder die andere noch etwas über Wettbewerb lernt. Der Europapreis für politische Kultur wird gestiftet von der Hans Ringier Stiftung, die mit dem nicht gerade unbedeutenden Schweizer Medienunternehmen Ringier AG verbandelt ist. Und so lobt dann Frank A. Meyer wenig überraschend: „Margrethe Vestager hat Europa begeistert durch ihr kühnes Handeln gegen Missbräuche digitaler Wirtschaftsmächte.“ Kühne Kartellrechtsanwendung begeistert also und ist preisverdächtig. Der Schriftsteller Heinrich Böll, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, und dem wir daher die heutigen Überschriften der SSNIPpets geklaut haben, hat es einmal so gesagt: „Das Recht will ja wahrgenommen werden, es fällt einem nicht einfach in den Schoß. Und das erfordert Mut!“ Ob Böll dabei an Kartell-Enforcer dachte, ist nicht überliefert. Aber an Kartellrecht wollten wir ja heute eigentlich auch gar nicht denken…

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