Conference Debriefing (46): 8. Offenes Doktorandenseminar

Conference Debriefing (46): 8. Offenes Doktorandenseminar

Obwohl sich der Sandstein der Fassade schon langsam abkühlt, ging es am 1. und 2. September 2025 im Haus der Universität der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf heiß her. Auf Einladung des Instituts für Kartellrecht (IKartR) versammelte sich der deutsche akademische Kartellrechtsnachwuchs zum offenen Doktorandenseminar – mittlerweile zum 8. Mal. Sefqan Bendes und Leon Wardelmann berichten. 

Alle Jahre wieder

Anfang September reisten knapp 60 Kartellrechtsdoktoranden quer durch die Republik (mitunter noch darüber hinaus), um am offenen Doktorandenseminar des Instituts für Kartellrecht der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf teilzunehmen. Dieses wurde ausgerichtet von den Institutsdirektoren Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale), Prof. Dr. Rupprecht Podszun & Jun-Prof. Dr. Jannik Otto, mit tatkräftiger Unterstützung von Anna Kronenberg & Sofia Schulz. Zum nun 8. Mal versammelten sie sich in der Hauptstadt des Kartellrechts, um Promotionsprojekte zu präsentieren, in Thementalks zu tratschen und bei Kaffee und Keksen Kontakte zu knüpfen. 

60 Sekunden!

Nach der Begrüßung durch Prof. Kersting und Prof. Podszun begann das Doktorandenseminar 2025 mit dem allseits gefürchteten geliebten Elevator-Pitch. Mit Trommelwirbel auf den Ohren hefteten sich gebannt die Blicke auf das schicksalhafte Glücksrad. Dieses entschied, welche Doktoranden in knappen 60 Sekunden ihr Dissertationsthema dem Plenum schmackhaft machen durften. Dafür gingen die Auserwählten nicht mit leeren Händen. Denn auf ihren Vortrag folgte nicht nur ein “Wow!”, sondern auch eine WuW: Alle Glücksradgewinner wurden mit einer aktuellen Ausgabe der Wirtschaft und Wettbewerb entschädigt reich belohnt. 

RING, Ring, ring

Gleich darauf klingelte im Haus der Universität das Telefon. Und das gleich dreimal. Am Apparat: Natürlich die alten Hasen Prof. Dr. Justus Haucap und Prof. Dr. Rupprecht Podszun, zu denen sich Prof. Dr. Christian Kersting in einer Live-Sonderfolge „Bei Anruf Wettbewerb“ gesellte. Moderatorin Anna Kronenberg (HHU Düsseldorf) versprach, es solle “spektakulär, spannend und sogar ein bisschen spicy” werden. Im Mittelpunkt standen die Fragen, welche die angereisten Doktoranden schon immer mal den Professoren stellen wollten. Diese wurden zu Beginn fleißig auf stylischen “Bei Anruf Wettbewerb”-Bierdeckeln dokumentiert. In einer guten Dreiviertelstunde erinnerten sich die Podcast-Protagonisten an Fall-Facepalms & eisenstangenbelastete Eisdielenkartelle, reflektierten Versäumnisse in der bisherigen Aufsichtspraxis (Wurstlücke) und wagten den ein oder anderen Blick in die Glaskugel – Stichwort: KI oder Rüstungsmärkte. Persönlich wurde es im Dilemma zwischen UberTaxiteller oder Austern mit Champagner und bei entlockten Offenbarungen über guilty pleasures. Am Ende holte das Trio die Doktoranden mit tiefenphilosophischen Bemerkungen (wie “das Leben ist eine Radtour”) und dem ermutigenden Appell, statt dem gepflasterten Pfad, den eigenen, ganz individuellen Weg einzuschlagen (“das wird dann schon!”), zurück in die Gegenwart. Wer in die Beantwortung dieser und vieler weiterer Fragen reinhören möchte, der sollte sich beeilen –denn der Podcast sei “jetzt noch kostenlos”. 

Doktorandengespräche Runde 1

Im Anschluss an das wettbewerbsrechtliche Amuse-Gueule folgte der Hauptgang – die Doktorandengespräche. In den Doktorandengesprächen umrissen einige Seminarteilnehmer ihre Forschungsprojekte und stellen sich den Fragen und Anregungen der Seminaristen. Auch dieses Jahr liefen die Gespräche parallel zueinander.

Im dritten Stock referierte Mauro Hartl (Universität Mannheim) zum Einwand staatlichen Handelns im Unionskartellrecht. Hierbei erörterte er die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer State-Action-Defense sowie die übergeordnete Frage, wann staatliches Verhalten zu einer einschränkenden Anwendung von Art. 101 f. AEUV gegenüber den Marktteilnehmern führt.

Eine Etage tiefer berichtete Noah Tetik  (Universität Marburg) vom Innovationswettbewerb in der EU und Deutschland.  Auch im Wege des Rechtsvergleichs geht er in seiner Arbeit der Frage nach, wie das deutsche Defizit bei der radikalen Innovation ausgebessert werden kann und ob hierbei das deutsche Recht dem Schutze dient oder Selbstsabotage bewirkt. 

Doktorandengespräche Runde 2

Nach drei Schlucken Kaffee und mit einer halben Brezel zwischen den Zähnen begann schon die zweite Runde. Karl Vincent Ebert (Universität Bayreuth) berichtete vom Unbundling im Sportkartellrecht. Mit viel Liebe zum Detail dröselte er die Feinheiten einer Entflechtung der regulativen und operativen Funktionen von Sportverbänden anhand zweier Modelle auf.

Derweil philosophierte Piotr Oliński (Universität Danzig) über die Bedeutung der Verankerung eines bestimmten Wirtschaftssystems im Verfassungsrecht. Dies diskutierte er am Beispiel der sozialen Marktwirtschaft als Bestandteil des polnischen Verfassungs- und europäischen Primärrechts.

Vortrag von Prof. Giorgio Monti

Wettbewerbsökonomische Verstärkung brachte Prof. Giorgio Monti. Er war offensichtlich ganz froh, in die jungen Kartellrechtsgesichter zu blicken (“it is nice to talk to the new generation who will replace us old farts”). Unter dem Titel “EU Competition Law – Challenge for the new Generation” erinnerte er an das scheinbare “golden age of competition” von 1999 bis 2009 unter der Vorherrschaft des International Competition Network (ICN). Mit zahlreichen Verweisen auf kartellrechtliche must reads warf er die Frage auf, inwieweit eine Vorprägung des Diskurses durch das ICN den Blick für die Unterschiede der (trans-)nationalen Systeme (Stichwort: varieties of capitalism) versperrte. Unerlässlich waren auch seine Tipps für das gute Schreiben einer Doktorarbeit, darunter: Good writing matters! Why am I (the reader) reading this?  Er sprach sich für mehr dogmatische Rechtsforschung aus und endete ermutigend: “Be Brave! Don’t hide the message!”.

Große Themen – kleine Runde

Unter dem Motto „große Themen – kleine Runde“ trafen sich die Nachwuchswissenschaftler in Kleingruppen zusammen. In frei wählbaren Gesprächskreisen wurde über das Digitalkartellrecht, Private Enforcement, die Grundlagen des Wettbewerbsrechts und interdisziplinäre Ansätze debattiert. Als bekannte Anlaufstelle für junge Doktoranden gab es auch wieder eine Selbsthilfegruppe Diskussionsrunde zur Themenfindung. Dieses Jahr hatten die Doktoranden auf der Suche besonders Glück, da Prof. Monti kurze, prägnante und ebenso hilfreiche Weisheiten mit den Teilnehmern teilte. 

Promotionspreis

Nach der Inspiration ging es über zu einer besonderen Ehrung. Mit dem Promotionspreis der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, gestiftet von Herbert Smith Freehills Kramer, wurde Moritz Zwilling ausgezeichnet. In seiner Dissertationsschrift widmete sich der Preisträger der Frage nach der Unternehmensidentität beim Kartellverbot, das heißt, auf wen bei der Unternehmenshaftung primär abzustellen ist. Für Moritz Zwilling ganz klar: Die wirtschaftliche Einheit. Andere Ansicht: Doktorvater Prof. Kersting! Nicht ohne Stolz kommentierte dieser: ”Der guckt sich die Sachen an, die ich gemacht habe und sagt mir dann, warum das falsch ist”. Servicehinweis für alle Doktoranden an dieser Stelle: Beim Münchner Kartellrechtsforum gibt es derzeit auch einen Promotionspreis zu gewinnen – also schnell noch bis Ende Oktober bewerben!

Kamingespräch mit Dr. Antje Höning

Während sich der erste Tag dem Abend zuneigte, wurde es auch ohne Wollsocken kuschelig warm. Mit dem digitalen Kaminfeuer im Rücken begrüßten Prof. Kersting und Prof. Podszun die Leiterin der Wirtschaftsredaktion der Rheinischen Post, Dr. Antje Höning. Auf die promovierte Volkswirtin prasselte ein Fragenhagel der Doktoranden ein. So ging es von der alternden Gesellschaft, der Rheinischen Post in der Medienlandschaft (“Fressen oder gefressen werden”) hinüber zur Künstlichen Intelligenz, welche die Rolle des Journalismus herausfordere. Letztere sei oftmals (noch) “BI”, also “blöde Intelligenz”, denn es werde viel “rumgeschwatzt”. Nicht ohne Grund werden daher Journalisten (ebenso wie HHU-Jurastudierende) in Kompaktkursen im richtigen Umgang mit KI geschult. Ihre zwei Key Takeaways für die Seminaristen: “Stick to one argument and pursue it” und ”unverzagt bleiben; Freizeit nicht vergessen.” 

Zum Abschluss des ersten Abends empfing uns die Düsseldorfer Kanzlei Glade Michel Wirtz zum Abendessen. Dort konnten wir zwischen gläsernen Bürowänden und kanzleieigener Bibliothek den Abend ausklingen lassen.

Case Study

Am Dienstagmorgen – Tag zwei des Doktorandenseminars – sorgte nicht nur der frische Kaffeedampf für steigende Luftfeuchtigkeit. Gleich nach ein paar weiteren kurzen Elevator-Pitches begrüßte Prof. Dr. Thomas Lübbig (Freshfields) um neun Uhr morgens die Doktoranden “zum ernsthaften Teil der Veranstaltung”. Mit ihm im Lead wurde die Case Study von den Kartellrechtsexperten der Praxis veranstaltet – und brachte so manchen Doktoranden ins Schwitzen (Autoren eingeschlossen). Mit Non-Assert/Challenge-Abreden, Abwerbestopps, Ausschreibungsmauscheleien und abhanden gekommenen Rechtsgutachten war der Fall wieder pickepackevoll. Die vielen Hinweise, Argumente, aber auch Nebelkerzen mussten die Kandidaten in drei Szenarien auswerten, um anschließend gegeneinander in einer “juristischen Trockenübung” anzutreten. Teammitglieder, die nicht schnell genug wegschauten besondere Courage zeigten, debattierten bei der Vertretung der gegenläufigen Positionen – vor versammeltem Publikum. Die Juroren inszenierten mit ihrer langjährigen Verhandlungserfahrung und gewitztem Charme entweder selbstgefällige Finanzvorstände (“geringe Gewinne machen wir nicht”), nervöse Rechtsabteilungsleiter (“Füße stillhalten”), gewinnorientierte Prozessfinanzierer und kurzsichtige Regierungsfunktionäre (“maßgeblich sind nur die nächsten 3 Jahre”) – alles rein fiktiv, versteht sich. Im Angesicht dieser Herausforderungen wahrten die Kandidaten die Fassung und schlugen sich wacker.  

Abschluss

Erleichtert und geschafft begaben sich die Teilnehmer am Nachmittag zu den Räumen von CMS. Dort erleichterte sie der Sonnenschein auf der Dachterrasse und die aufheiternden Worte. Prof. Podszun erinnerte sich, dass die Zeit seiner Dissertation die schönste seines Lebens war und mit der Wahl des Kartellrechts bereits ein wichtiger Schritt getan sei. 

Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das spannende Seminar und hoffen, auch im nächsten Jahr wieder so anregende Gespräche erleben zu dürfen! Ein ganz herzliches Dankeschön gilt an dieser Stelle den Kanzleien Glade Michel Wirtz für die Bereitstellung eines großzügigen Abendessens, CMS für die Versorgung am Dienstagmittag und Linklaters für das Sponsoring der Kaffeepausen. Auch danken wir der Düsseldorfer Kartellrechtscommunity, die das Seminar durch ihre Teilnahme an der Case Study tatkräftig unterstützt hat, namentlich: Anja Balitzki (Hengeler Mueller), Dominic Divivier (Freshfields), Svenja Ehrmann (Freshfields), Carsten Grave (Grave Law), Harald Kahlenberg (CMS), Christian Karbaum (Glade Michel Wirtz), Ingo Klauß (Linklaters), Martin Raible (Gleiss Lutz), Ole Schley (Freshfields), Rainer Velte (Heuking), Johannes Weichbrodt (Mayer Brown).

Die Autoren Sefqan Bendes und Leon Wardelmann sind wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktoranden am Lehrstuhl von Prof. Dr. Rupprecht Podszun. Dort forschen sie zu digitalen Fernsperren und zu Innovationsbarrieren. 

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