Was Google jetzt zu tun hat – wir wissen (etwas) mehr

Was Google jetzt zu tun hat – wir wissen (etwas) mehr

Manchmal finden sich die besten Ergebnisse an den unwahrscheinlichsten Stellen. So wie sich bei genauer Untersuchung der Sofaritze Erstaunliches finden lässt, ist uns ein Zufallsfund in Sachen Google-Fall gelungen. Bitte kurz durchatmen – die Entscheidung ist noch nicht im Volltext auffindbar, Sie haben also nicht mehrere Monate geschlafen. Nein, die Quelle ist deutlich unscheinbarer: Die Kommission veröffentlichte kurz nach der Entscheidungsverkündung Ende Juni eine Ausschreibung, in der sie technische Unterstützung für einen „antitrust case in the IT sector“ sucht.

Technische Expertise dringend gesucht

In dieser Ausschreibung findet sich auch eine Beschreibung des zu betreuenden Cases – des Google-Falls, wie sich herausstellt. Hier erklärt die Kommission die Hintergründe des Falls, auf die wir bereits am Tag der Pressemitteilung und an anderer Stelle eingegangen sind. Auf Grundlage dieser Pressemitteilung haben die Professoren Haucap, Kersting und Podszun zeitnah Ersteinschätzungen abgegeben, bei der die Anforderungen an Google für eine rechtmäßige Umsetzung aber noch nicht bekannt waren. In ihrer Ausschreibung belässt es die Kommission nicht bei den Hintergrundinformationen, sondern ergänzt sie um konkrete Anforderungen, die Google zu erledigen hat. Schön übersichtlich strukturiert sie diese Anforderungen in vier Punkten. Bevor auf sie gleich einzugehen ist, bereits vorab die Erinnerung: Die Kommission hatte in der Pressemitteilung noch so getan, als bleibe es komplett Google überlassen, was zu tun sei. Zugleich hatte sie aber empfindliche Bußgelder bei Nichtumsetzung der Entscheidung angedroht. Rupprecht Podszun hatte der Verzicht auf konkrete remedies samt harter Umsetzungspflicht „stunned“ zurückgelassen.

Gesucht werden jetzt Tech-Experten (eine Bitte, die uns an die Forderung erinnert, die Kommission möge doch bitte einen Chief Technologist ernennen).  Sie sollen sich sehr genau die „processes and methods“ anschauen, inklusive Algorithmen, die Google nun einsetzt. Die Laufzeit des Mandats wird übrigens auch angegeben: Acht Jahre. Fünf Jahre lang muss Google an DG COMP berichten, drei weitere Jahre kalkuliert man bis zum Abschluss gerichtlicher Streitigkeiten ein. Wir sind dann im Jahr 2025.

Die Anforderungen im Google-Fall

Aber zurück zu den vier Anforderungen im Google-Fall.

Der erste Punkt ist wenig überraschend: Alle Maßnahmen, die Google in die Wege leitet, sind auf allen Geräten unabhängig vom Gerätetyp umzusetzen. Das liegt nahe, denn andernfalls würde die Entscheidung leicht umgangen werden können. Beispielsweise wenn Google zu dem Schluss kommt, die Suchergebnisse nur dann kartellrechtlich zulässig darzustellen, sofern sie auf einem Röhrenmonitor aus 1997 mit einer Auflösung von 640*480 Pixel angezeigt werden. Das kann nicht gewollt sein.

Auch in räumlicher Hinsicht gibt es keine Ausnahmen, denn alle Google-Nutzer der betroffenen 13 EWR-Länder sind zu schützen – unabhängig von der Domain, die sie nutzen. Das schließt explizit google.com mit ein.

Spannender sind die beiden folgenden Anforderungen: Google hat sicherzustellen, dass eigene und fremde Shoppingvergleichsportale gleich behandelt werden. Hier wird die Kommission ungewöhnlich konkret und präzisiert in gleich sechs Unterpunkten, welche Faktoren alle mindestens für die Gleichbehandlung zu berücksichtigen sind. Beispielsweise sollen hier die optische Aufmachung und die Möglichkeit, mit Nutzern zu kooperieren, genannt werden. Die genauen Maßnahmen legt die Kommission jedoch nicht fest.

Schlussendlich darf Google konkurrierende Shoppingvergleichsportale keine Gebühr oder dergleichen bezahlen lassen, die dieselbe oder eine vergleichbare Wirkung wie die untersagte Handlung hat. Unklar bleibt, was genau damit gemeint ist. Untersagt die Kommission damit jedwede Bevorzugung irgendeines Shoppingvergleichsportals gegen Geld? Darf also Google „in Zukunft niemanden gegen Bezahlung weiter oben in seinen Suchergebnissen führen“, wie die Wirtschaftswoche meint? Und wenn das so sein sollte – wieso eigentlich nicht, zumindest bei entsprechender Kennzeichnung? Ist das vielleicht das Ende des gesamten Geschäftsmodells? Wie Google mit seinen Leistungen noch Geld verdienen soll (und Geldverdienen als solches ist ja noch nicht missbräuchlich), bleibt unklar. Daran könnte einiges hängen, immerhin hat die Kommission Google Shopping als Präzedenzfall für andere Google-Dienste geführt.

Und nun?

Die technischen Experten, die sich die nächsten acht Jahre mit Google Suchergebnissen befassen möchten, müssen sich rasch entscheiden: bis zum 21.7.2017 sollen sie ihren request to participate abgeben.

Bereits aus der Pressemitteilung wissen wir: Die Umsetzungsfrist für den Suchmaschinenbetreiber beträgt 90 Tage. Allzu viel Zeit bleibt Google also nicht, um den Vestager-Katalog fristgerecht umzusetzen. Bei Nichtbeachtung drohen Google und Alphabet erhebliche Strafzahlungen: Jeder Tag, der die Frist überschreitet, kann mit bis zu 5% des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes von der Google-Mutter Alphabet bebußt werden. Bei längerer Verzögerung kann dann eine Summe zusammenkommen, die – wie der Microsoft-Fall von 2004 zeigt – die immense Geldbuße von 2,42 Mrd. US-Dollar sogar übertreffen kann. Eine fristgerechte Lösung scheint daher angeraten.

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