Ministererlaubnis Miba/Zollern: Grüne Industriepolitik für den Mittelstand

Ministererlaubnis Miba/Zollern: Grüne Industriepolitik für den Mittelstand

Alea iacta est. Peter Altmaier hat entschieden: Miba und Zollern dürfen per Ministererlaubnis fusionieren. Aber: Nur unter Auflagen. Maximilian Konrad hat sich die gestern veröffentlichte Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers, seine erste Ministererlaubnis, näher angesehen und beantwortet die wichtigsten Fragen. 


Eine Ministererlaubnis für Mittelständler – was war da nochmal los?

Wir erinnern uns (D’Kart berichtete hier und hier): Die österreichische Miba AG und die baden-württembergische Zollern GmbH & Co. KG wollen ihre Geschäftsbereiche für Gleitlager mit einem kombinierten Jahresumsatz von 300 Millionen Euro unter Führung der Österreicher zusammenlegen. Beide Unternehmen sind Mittelständler. Miba macht mit allen Geschäftsbereichen 888 Mio. Euro Umsatz, Zollern, ebenfalls mit allen Geschäftsbereichen, 512 Mio. Euro – der betroffene Gleitlagerbereich ist bei beiden nur ein Teil des Geschäfts.

Das Bundeskartellamt hat die geplante Fusion im Januar 2019 untersagt, da es eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf den Märkten für hydrodynamische Gleitlager für Großmotoren bei Schiffen, Lokomotiven und Stromaggregaten bejahte. 

Miba und Zollern beantragten daraufhin eine Ministererlaubnis. Nach § 42 Abs. 1 GWB kann eine vom Bundeskartellamt untersagte Fusion ausnahmsweise vom Bundeswirtschaftsminister genehmigt werden, wenn andere Gemeinwohlvorteile die Beeinträchtigung des Wettbewerbs überwiegen. 

Als Gemeinwohlvorteile führten Miba und Zollern den Erhalt von technischem Know-how und Innovationspotential, die internationale Wettbewerbsfähigkeit, den Erhalt von Arbeitsplätzen, die Schaffung eines European Champions und verteidigungspolitische Interessen an. 

Die Monopolkommission ist in ihrem Sondergutachten (§ 42 Abs. 5 S. 1 GWB) zu dem Schluss gelangt, dass die von den Antragsstellern angeführten Gemeinwohlgründe nicht vorliegen. Die Ministererlaubnis sei daher zu versagen. 

Insbesondere der Schaffung von European Champions per Ministererlaubnis hat die Monopolkommission eine klare Absage erteilt. Gemeinwohlvorteile auf europäischer Ebene seien bei der Ministererlaubnis schon deshalb nicht anerkennungsfähig, da sich der Geltungsbereich des GWB und die Zuständigkeit des BMWi nur auf das Bundesgebiet erstreckten.

Jetzt hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier entgegen dem Votum der Monopolkommission die Ministererlaubnis unter Auflagen erteilt.


Spannend, die Monopolkommission ist dagegen, Peter Altmaier ist dafür – wer hat Recht?

Peter Altmaier © Bundesregierung/Kugler

Eines ist klar: Peter Altmaier hat die Macht und damit das letzte Wort. Wer hingegen Recht hat, ist nicht leicht zu beantworten.

Süffisant betont die Monopolkommission in ihrer Stellungnahme zu den beabsichtigten Nebenbestimmungen, dass die Monopolkommission und der Bundeswirtschaftsminister weitgehend darin übereinstimmen, dass die angeführten Gemeinwohlvorteile entweder schon nicht anerkennungsfähig sind (European Champions) oder nicht vorliegen (Arbeitsplätze, internationale Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigung).

Beispielsweise für das eigentlich in jedem Ministererlaubnisverfahren angeführte Arbeitsplatzargument gilt, dass nicht auf individuelle Arbeitsplätze abzustellen ist, sondern auf den Arbeitsmarkt als Ganzes, woran dieses Argument ebenso regelmäßig scheitert wie es angeführt wird – so auch hier.

Die Geister scheiden sich nun an dem Gemeinwohlgrund der „Erhaltung von Know-how und Innovationspotential“. Zunächst besteht noch Einigkeit darin, dass die Erhaltung von Know-how und Innovationspotential nur dann dem Gemeinwohl dienen kann, wenn dies nicht allein den beteiligten Unternehmen dient, sondern auf die Allgemeinheit ausstrahlt.


Aber…?

Knackpunkt ist, dass die Monopolkommission eine solche Ausstrahlungswirkung des Know-hows und Innovationspotentials auf die Allgemeinheit verneint. Der Bundeswirtschaftsminister hingegen bejaht (Rn. 169ff., 180ff.) die Ausstrahlungswirkung des Know-hows und Innovationspotentials auf die Energiewende und damit den Klimaschutz. Erst durch die gemeinsame Gleitlagerforschung sollen bestimmte, für die Energiewende zentrale Fortschritte im Bereich von Gleitlagern, etwa für Windkraftanlagen, möglich sein.

In ihren tatsächlichen Annahmen widersprechen sich Monopolkommission und Bundeswirtschaftsminister nun vollkommen. Der Bundeswirtschaftsminister geht davon aus, dass erst durch die gemeinsame Forschung von Miba und Zollern entscheidende technologische Fortschritte bei Effizienzsteigerung und Lärmreduktion von Windkraftanlagen erzielt werden können. Konträr dazu bezweifelt die Monopolkommission sowohl die Möglichkeit dieser technologischen Fortschritte, ihre Ausstrahlungswirkung auf die Allgemeinheit und die Erforderlichkeit der Fusion hierfür, da beide Unternehmen „parallele Entwicklungskonzepte“ verfolgten.

Zu dieser grundsätzlichen Meinungsverschiedenheit über Tatsachen kommt hinzu, dass selbst der Bundeswirtschaftsminister nicht davon ausgeht, dass der „Erhalt von Know-How und Innovationspotential“ für sich genommen die Ministererlaubnis zu rechtfertigen vermag. Erst durch das Hinzutreten von Auflagen könne das Gewicht dieses Gemeinwohlvorteiles so erhöht werden, dass die Ministererlaubnis zu erteilen sei.

So werden Miba und Zollern per Auflage dazu verpflichtet, das Gemeinschaftsunternehmen für Gleitlager für mindestens fünf Jahre zu betreiben und – Achtung! – in diesem Zeitraum mindestens 50 Millionen Euro in Deutschland zu investieren.


Eine Investitionsauflage für Deutschland klingt außergewöhnlich.

In der Tat. Die Monopolkommission setzt noch eins drauf: Achim Wambach und seine Kolleginnen und Kollegen in der „Mopoko“ meinen, die Auflagen seien größtenteils rechtswidrig.

Zweifel an der Eignung der Auflagen bestehen, weil den beiden Unternehmen im Rahmen ihres „betriebswirtschaftlichen Ermessens“ größtenteils freie Hand gelassen wird, wie sie das Geld investieren. Neben Forschung und Entwicklung darf auch in Produktionsanlagen investiert werden.

Inwiefern dies die für die Energiewende erforderlichen Innovationen, und damit den Gemeinwohlvorteil, sicherstellt, erschließt sich nicht ganz. Hinzu kommt, dass die Auflagen in dieser Offenheit nach Meinung der Monopolkommission gegen das Bestimmtheitsgebot aus § 37 Abs. 1 VwVfG verstoßen. Durch die Beschränkung der Investitionen auf Deutschland erwecke die Auflage zudem den Eindruck, dass durch die Hintertür doch konkrete Arbeitsplätze in Niedersachsen geschützt werden sollen.

Ohnehin sei aber die Investitionsauflage als Auflage, die einer laufenden Verhaltenskontrolle bedürfe, gem. § 40 Abs. 3 S. 2 GWB eindeutig rechtswidrig, so die Monopolkommission. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob die Kartellbehörde selbst kontrolliere, oder ob dies – wie hier – an einen privaten „Überwachungstreuhänder“ outgesourct werde. Verboten sei beides gleichermaßen.

Erster Dienstsitz des BMWi in Berlin.

Dem hält der Bundeswirtschaftsminister entgegen, dass die Verhaltensauflage hier deshalb zulässig sei, da sie genauso geeignet und wirksam sei wie eine strukturelle Auflage und durch den „Überwachungstreuhänder“ noch dazu ihre effektive Kontrolle an Hand zukünftiger Detailinvestitionspläne sichergestellt sei.

Grund für das Verbot der laufenden Verhaltenskontrolle ist übrigens der kluge Gedanke, dass die Beeinträchtigung des Wettbewerbs einen marktstrukturellen Effekt hat, der so starke Verhaltensanreize setzt, dass er nur durch Nebenbestimmungen mit marktstruktureller Wirkung ausgeglichen werden kann – nicht jedoch durch schwer kontrollierbare Verhaltensauflagen.

Ganz grundsätzlich darf man sich fragen, weshalb Miba und Zollern überhaupt per Auflage gezwungen werden müssen, die Zukunftsinvestitionen zu tätigen, die nach der Begründung der Ministererlaubnis essentiell für Energiewende und Klimaschutz sind. Müsste nicht der Innovationsvorsprung Anreiz genug sein?


Wow. Auflagen, die möglicherweise rechtswidrig sind… Was sagt das OLG Düsseldorf denn dazu?

Das OLG kennt sich mit Ministererlaubnis-Entscheidungen ja aus und ist bekanntlich noch nie vor einem Minister zurückgeschreckt. Beschwerde hat – soweit bekannt – (noch) niemand beim OLG eingelegt. In Frage käme vor allem der beigeladene japanische Konkurrent Daido. Allzu glücklich dürften, wenn man dem Bundeskartellamt folgt, aber auch die europäischen Kunden von Miba und Zollern nicht sein. Die Fusionsparteien haben hohe addierte Marktanteile. Zu befürchten steht, dass möglicherweise die Kunden in Europa zukünftig die Wettbewerbsfähigkeit des Gemeinschaftsunternehmens in Asien finanzieren dürfen.

Seit der 9. GWB Novelle ist aber sehr unklar, ob überhaupt noch jemand Beschwerde einlegen kann. Mit dem neu geschaffenen § 63 Abs. 2 S. 2 GWB scheint die Beschwerdebefugnis de facto abgeschafft worden zu sein, da nun eine Verletzung in eigenen Rechten erforderlich ist. Die Chancengleichheit im Wettbewerb vermittelt jedoch regelmäßig keine subjektiven Rechte.

Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Monopolkommission nicht nur die Zweckmäßigkeit der Ministererlaubnis bezweifelt, sondern rechtswidrige Auflagen sieht, ist es für den Rechtsstaat misslich, dass der Minister ohne gerichtliche Kontrolle entscheiden kann.

Wagt Daido den Gang vor Gericht, scheint es aber nicht völlig ausgeschlossen, dass das OLG Düsseldorf die Beschwerdebefugnis noch bejaht. Anderenfalls droht die Ministererlaubnis zum risikolosen Joker gegen die Fusionsuntersagung zu werden. Der Bundeswirtschaftsminister könnte so die Arbeit des Bundeskartellamtes durch Industriepolitik nach gusto maßgeblich entwerten.


Das klingt insgesamt wenig begeistert.

Alles in allem sind die vom Bundeswirtschaftsminister angeführten Gemeinwohlvorteile in Form von Know-how und Innovationspotential für die Energiewende mit Zweifeln behaftet. Dies gilt für die von der Monopolkommission sogar für rechtswidrig gehaltenen Auflagen umso mehr. Trotz der eigentlich bezweckten Stärkung der Monopolkommission durch § 42 Abs. 1 S. 4 GWB hat sich der Minister (wieder einmal) über das Votum der Monopolkommission hinweggesetzt.

In Anbetracht dessen, dass die Ministererlaubnis in der Vergangenheit vielfach vor allem auch der politischen Profilierung des Ministers gedient hat, drängt sich die Frage auf, ob Peter Altmaier mit dieser Entscheidung nicht vor allem sein grünes Gewissen (aka „den Söder machen“) und ein Herz für den Mittelstand demonstrieren wollte. Zollern (das wohlgemerkt nur mit 25,1 % am Joint Venture beteiligt wird) ist ja ein kleineres Unternehmen und kein Siemens.

Wer letzten Endes aus ökonomischer Perspektive Recht behält, wird die Zeit zeigen („…die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug“). In den Ministererlaubnisverfahren der Vergangenheit war dies in aller Regel die Monopolkommission. Bemerkenswert ist allerdings, dass das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Pressemitteilung schon angekündigt hat, sowohl die Schwellenwerte der Fusionskontrolle als auch die Ministererlaubnis reformieren zu wollen. Der Weg zum Minister als einfache Exit-Option nach einer Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts wird dann wohl wieder steiniger.

Dr. Maximilian Konrad, MSc (LSE) ist angestellter Rechtsanwalt in einer auf die zivilrechtliche Revision spezialisierten Kanzlei in Karlsruhe. Seine mehrfach ausgezeichnete Dissertation “Das Gemeinwohl, die öffentliche Meinung und die fusionsrechtliche Ministererlaubnis” ist letzte Woche bei Duncker & Humblot erschienen.

4 Gedanken zu „Ministererlaubnis Miba/Zollern: Grüne Industriepolitik für den Mittelstand

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