Miba/Zollern: Ministererlaubnis revisited

Miba/Zollern: Ministererlaubnis revisited

Eigentlich gibt es ja keine gerichtlichen Streitigkeiten um die Ministererlaubnis mehr beim Oberlandesgericht Düsseldorf, seit das Beschwerderecht faktisch abgeschnitten wurde. Jetzt hatte das OLG aber doch den Fall Miba/Zollern auf dem Tisch. Philipp Offergeld berichtet von einer kurzweiligen mündlichen Verhandlung.

Der Rechtsstreit um die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens der Miba AG und der Zollern GmbH & Co. KG ging am Mittwoch, 19.8.2020, vor dem OLG Düsseldorf in die nächste Runde. Zur Erinnerung: Das Bundeskartellamt hatte das Vorhaben im Januar 2019 untersagt, da eine weitere Konzentration auf dem Markt für Gleitlager zu befürchten sei. Wir berichteten hier.

Die Fusionsparteien beantragten daraufhin bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier nach § 42 GWB eine Ministererlaubnis. Dieser erteilte die begehrte Ministererlaubnis vor knapp einem Jahr, jedoch verbunden mit einigen – rechtlich und wirtschaftlich umstrittenen – Nebenbestimmungen. Zugleich ist er damit von der Stellungnahme der Monopolkommission abgewichen, die keine überragenden Gemeinwohlgründe erkannt hatte. Die Parteien haben den Zusammenschluss nach Erteilung der Ministererlaubnis unter Beachtung der Nebenbestimmungen vollzogen. Der unvoreingenommene Leser mag sich deshalb nun möglicherweise die Frage stellen, wieso hier von einer Fortsetzung des Rechtsstreits die Rede ist. Für Dritte ist die Erteilung einer Ministererlaubnis nach der Änderung von § 63 Abs. 2 Satz 2 GWB ohnehin wohl nicht mehr anfechtbar. Fusionsparteien, die eine Ministererlaubnis erhalten, haben keinen Anlass zu klagen. Was also wollte Miba/Zollern beim OLG?

Die Fusionsparteien haben beim OLG Düsseldorf Beschwerde gegen die ursprüngliche Untersagungsverfügung des BKartA eingelegt – die durch die Ministererlaubnis ja eigentlich keine Rolle mehr spielt. Die mündliche Verhandlung am Mittwoch unter Vorsitz von Prof. Dr. Jürgen Kühnen drehte sich daher im Grunde ausschließlich um die Zulässigkeit der Beschwerdeanträge. Für die Fusionsparteien war Gleiss Lutz unter Leitung von Dr. Matthias Karl angetreten, für das Bundeskartellamt u.a. Chefjustitiar Jörg Nothdurft und Beschlussabteilungsleiterin Eva-Maria Schulze.

Ungewöhnliche Verhandlung

Die mündliche Verhandlung war in zweierlei Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen natürlich aufgrund der Corona-Pandemie, die für einen verkleinerten Zuschauerbereich und größere Abstände zwischen den Prozessbeteiligten gesorgt hat. Zum anderen fiel schon vor Betreten des Saals auf, dass die Anwälte für die Fusionsparteien mehrere Gleitlager mitgebracht hatten, die wohl einige Kilogramm Gewicht verbuchten. Diese wurden bei Einlass zunächst von zwei Personen in den Saal „geschleppt“. Obwohl sich die gesamte Verhandlung um die Zulässigkeit der Beschwerde und insbesondere um das Fortsetzungsfeststellungsinteresse drehte, wollte es sich Rechtsanwalt Karl nicht nehmen lassen, während der Verhandlung das gewichtige Stück Metall auf den Tisch zu hieven und die aus seiner Sicht fehlerhafte Marktabgrenzung seitens des BKartA zu rügen. Es sei falsch, dass Gleitlager von völlig unterschiedlicher Größe als ein Markt angesehen würden. Handfestes Kartellrecht, mal ohne digitalen Touch – das führte dazu, dass in einer kurzen Unterbrechung des Prozesses Fotos mit dem Riesen-Gleitlager gemacht wurden.

Warum seid ihr überhaupt hier?

Der Vorsitzende begann die Verhandlung mit der Aussage, dass nach vorläufiger Einschätzung des Senats (Kühnen wurde flankiert von Frau Poling-Fleuß und Frau Professorin Lohse) sowohl der Hauptantrag auf Aufhebung der Untersagungsverfügung als auch die hilfsweise gestellten Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde) unzulässig seien.

Die Aufhebung könne nicht begehrt werden, da aufgrund der mittlerweile erteilten Ministererlaubnis und des Vollzugs durch die Parteien auf dieser Basis keine Beschwer mehr durch die Untersagungsverfügung bestehe. Diese habe sich erledigt. Aufgrund des Vollzugs der Nebenbestimmungen sei der Vollzug in der Form, wie er vom BKartA untersagt wurde, auch gar nicht mehr möglich.

Feststellungsinteresse?

Für die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde ist nach allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse erforderlich, welches ebenfalls nicht vorläge. Diskutiert wurden im Wesentlichen die Fallgruppen der Vorbereitung eines staatshaftungsrechtlichen Prozesses und der Wiederholungsgefahr.

Die ernsthafte Absicht der Parteien unterstellt, einen Amtshaftungsanspruch geltend zu machen, so begründe dies nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn ein solcher Anspruch offensichtlich nicht bestehe. Dies sei hier der Fall, da die erteilten Nebenbestimmungen durch den Minister nicht als kausaler Schaden angesehen werden könnten, wenn die Parteien sich darauf freiwillig einließen. Im Übrigen hätten sie die Untersagung erst anfechten und nach § 42 Abs. 2 S. 3 GWB erst danach die Ministererlaubnis beantragen können. Die Parteien könnten nicht zuerst die Ministererlaubnis einholen und dann trotzdem gegen die mittlerweile überholte Untersagungsverfügung vorgehen. Die Diskussion drehte sich viel um das Verhältnis von Untersagungsverfügung und Ministererlaubnis. Karl fragte, was denn sei, wenn die Fusionsparteien die Nebenbestimmungen nicht vollständig erfüllten und die Ministererlaubnis „platzen ließen“. Dann würde der Minister diese wohl aufheben und die ursprüngliche Untersagungsverfügung müsse wiederaufleben. Dies verärgerte den Vorsitzenden, welcher ein solches Verhalten als „mutwillig“ und völlig fernliegend bezeichnete. Der Senat werde keine „Rechtsgutachten“ für den völlig unwahrscheinlichen Fall der Entflechtung des Zusammenschlusses schreiben.

Wiederholungsgefahr wegen weiterer Fusionsvorhaben?

Auch eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich einer vergleichbaren Untersagungsverfügung sei nicht gegeben, da ein vergleichbares Vorhaben aufgrund des mittlerweile vollzogenen Zusammenschlusses zumindest hinsichtlich der Marktverhältnisse völlig anders zu beurteilen wäre. Zudem reiche dafür nicht die bloße Behauptung aus, sondern weitere Vorhaben müssten konkret dargelegt werden.

Zur sichtlichen und auch kommunizierten Verärgerung des Vorsitzenden erklärten die Fusionsparteien offenbar überraschend, dass durchaus weitere vergleichbare Fusionsvorhaben im Gespräch seien, die jedoch aus Gründen der Vertraulichkeit nicht in öffentlicher Verhandlung erörtert werden könnten. In den Schriftsätzen war dies bisher, so schien es, nicht thematisiert worden. Die Fusionsparteien beantragten folglich, innerhalb einer Frist von zwei Wochen entsprechenden Tatsachenvortrag nachreichen zu dürfen. Über den Antrag wurde an diesem Tag jedoch noch nicht entschieden. Der Vorsitzende unterbrach die Sitzung mit den Worten „Ich werd´ mich jetzt erstmal ein bisschen beruhigen“.

Ministererlaubnis reformbedürftig?

Das Verfahren zeigt einmal mehr, dass die Ministererlaubnis in ihrer jetzigen Form mit Unsicherheiten verbunden ist. Unklar ist, ob die Ministererlaubnis die kartellamtliche Entscheidung überholt, mithin ob diese durch die Ministerintervention rechtlich gegenstandslos wird. Gleichwohl soll der Minister an die Feststellungen des BKartA hinsichtlich Marktabgrenzung o.ä. gebunden sein. Ob dies zutrifft, ist fraglich, jedenfalls aber ist das Bestehen einer Untersagungsentscheidung Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung der Ministererlaubnis. Logisch erscheint der Weg, erst die Untersagungsverfügung anzufechten und bei Erfolglosigkeit den Minister um Hilfe zu bitten (eine Variante, die bei der Reform der Ministererlaubnis 2017 so und ähnlich auch diskutiert wurde). Dies beißt sich jedoch mit der Realität, dass Fusionen nicht jahrelang aufgeschoben werden können, bis OLG und womöglich BGH rechtskräftig über den Fall entschieden haben. Womöglich haben Miba und Zollern auch aus diesem Grund die Ministererlaubnis früher beantragt und in Anspruch genommen.

Effektiver Rechtsschutz?

Damit ergibt sich aber ein Problem hinsichtlich der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Die Klagemöglichkeit gegen die Untersagungsverfügung läuft leer, wenn sie faktisch nicht wahrgenommen werden kann, ohne damit die Fusion aufzugeben. Die Parteien werden in die Zwickmühle gebracht, entweder die Untersagung anzugreifen und den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, was häufig zum Scheitern der Fusion aus Zeitgründen führen wird, oder sich auf eine Ministererlaubnis einzulassen, die unter Umständen auf fehlerhaften Feststellungen zur Marktabgrenzung beruht und mit stark belastenden Nebenbestimmungen verbunden sein kann. Die Ministererlaubnis bedeutet daher faktisch einen Rechtsschutzverzicht. Entfaltet eine Untersagungsverfügung aber keine faktische Wirkung mehr, könnte dies verschmerzbar sein. Bei der nächsten Fusion dürfte angesichts der Dynamik in allen Branchen die Präzedenzkraft einer (zudem durch eine Ministererlaubnis überholten) Kartellamtsentscheidung gering sein. 

Der Gesetzgeber könnte das Verhältnis zwischen Untersagungsverfügung und Ministererlaubnis aus Gründen der Rechtssicherheit klarer regeln. Einfach wird das aber nicht: Stellt man klar,  dass trotz (vollzogener) Ministererlaubnis die Untersagungsverfügung angefochten werden kann und bei gerichtlicher Aufhebung auch die Ministererlaubnis gegenstandslos wird, bliebe die Rückabwicklung von Nebenbestimmungen als Riesenproblem. Die Ministererlaubnis bleibt ein Instrument, das Schwierigkeiten – und beim ein oder anderen – auch Ärger macht.

Philipp Offergeld ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Doktorand bei Prof. Dr. Rupprecht Podszun.

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