SSNIPpets (4) zum Wochenende – heute: mit biblisch anmutenden Kämpfen

SSNIPpets (4) zum Wochenende – heute: mit biblisch anmutenden Kämpfen

Das Wochenende kommt. Und also haben wir wieder in den Nachrichten der letzten Zeit gestöbert, um unseren geneigten Leserinnen und Lesern den Übergang ins Wochenende zu erleichtern. Heute kommen die SSNIPpets von Rupprecht Podszun quasi mit der Steinschleuder, denn für den Wettbewerb einzutreten, ist ja immer auch ein bisschen David gegen Goliath. „Goliath“ war übrigens mal eine sehr hübsche Automarke aus dem Hause Borgward, das in manchen Kreisen als Opfer eines Kartells der Autobranche gilt. Heute aber mal sonst nichts weiter zu Autos. Hier sind unsere SSNIPpets – small, but significant news, information and pleasantries – our pet project.

David gegen Goliath

Kartellrechtler leben ja in ihrer recht eigenen Welt, in der wir von 101 bis 102 zählen können. Seit ich bei der GWB-Novelle involviert war, habe ich gelernt, dass außerhalb unseres kleinen, feinen Kreises nicht so dogmatisch über Kartellrecht nachgedacht wird – sondern Kartellrecht als Instrument der Wettbewerbspolitik (und manchmal auch der Industriepolitik) gesehen wird. Und dann kommt eine Sparkassen-Backoffice-Ausnahme in die Fusionskontrolle, oder man schafft außerhalb des GWB Regeln, die den Wettbewerb massiv beeinflussen – womit wir dann aber nichts zu tun haben. Denn das ist ja dann kein Kartellrecht. Wir sind damit fein raus und bleiben feine Leute. Die wirtschaftspolitische Realität hingegen spielt dann in einer anderen Welt. Besonders deutlich wird dies derzeit in der Regulierung der Internetmärkte. Wenn wir Kartellrechtler da nicht mitreden, setzen sich Leute durch, deren ordnungspolitischer Kompass in eine andere Richtung zeigt.

In diesem Zusammenhang flattert mir eine Website in den Briefkasten, die ich interessant finde. Irgendjemand Offizielles erzählte mir einmal, man habe in seiner Behörde noch nie so viel Post erhalten wie wegen dieses Falls: Bayer/Monsanto. In der Kartellrechtscommunity diskutieren wir das ja vor allem mit Blick auf die Einschätzung von Innovationswettbewerb oder mit Blick auf das Ausbalancieren einer Triple-Prüfung der Kommission angesichts der drei Groß-Fusionen im Chemie-Sektor.

Andere Menschen sorgen sich wegen anderer Aspekte dieses Falls. Die NGO www.goliathwatch.de hat mich auf eine Kampagne aufmerksam gemacht, die von 19 Organisationen geführt wird, welche sich angesichts der Fusionswelle im Agrarbereich um die globale Landwirtschaft sorgen. In einer Streitschrift gegen die Deals wird – für Insider natürlich unorthodox – die Paradoxie aufgespießt, dass Konzerne immer größer werden, Kartellbehörden aber immer seltener eingreifen. Konzernkontrolle stärken, das ist eine Forderung, unter anderem sollen die Kartellbehörden besser ausgestattet werden. Da haben BKartA und Kommission neue Freund*innen gefunden. Ich mache mir die Forderungen nicht alle zu Eigen, aber irgendwie schadet es nicht, einmal aus dieser Perspektive auf unsere Überlegungen zu schauen.

Das American Antitrust Institute hat zusammen mit Partnerorganisationen eine Stellungnahme zu Bayer/Monsanto geschrieben, die aus stärker wettbewerblicher Perspektive Probleme benennt. So, jetzt aber genug Zweifel gesät.

Vestager vs. Google

Schon gemerkt? Google ist jetzt ganz anders. Man versucht, die Kommissionsentscheidung zu befolgen, Trustees sind bestimmt, und die Suchergebnisse sehen total anders aus. Oder fast. Ein Bericht über die Umsetzung findet sich hier.

Wenn die Kartellbehörden mit Unternehmen dieser Größenordnung ringen, kann man schon mal auf das David-gegen-Goliath-Motiv verfallen. Andreas Mundt rückt in einem recht schönen Interview mit BusinessInsider das Bild von der Steinschleuder allerdings zurecht. Kurze Schockstarre in diesem Interview durch die Frage: „Wie sähe eine Welt ohne Bundeskartellamt aus?“ Eine alptraumhafte Vorstellung!

Jeder gegen jeden

Dit is Berlin, wa! Mit einigem Aufwand haben wir in der 9. GWB-Novelle Presse-Kooperationen erleichtert; ich selbst war hin- und hergerissen zwischen dem ordnungspolitischen Sündenfall einerseits und der Hoffnung, dass es der Printpresse vielleicht doch irgendwie nützen könnte.

Ein Hauptanwendungsfall, der in den Diskussionen  immer genannt wurde, war der Berliner Zeitungsmarkt, der ja für Kartellrechtler sowas wie ein Zombie ist: Alle paar Jahre taucht er wieder im Kartellrecht auf. Dort kämpfen Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung und Tagesspiegel um die wenigen Menschen, die in Berlin noch des Lesens mächtig sind. Und klar war: Die drei Wettbewerber werden die ersten sein, die mit einem hammerharten Kartell die Grenzen der Ausnahme in § 30 Abs. 2b GWB austesten werden. Denkste. Kartelle und sowas können die nämlich nur beim Bau von Flughäfen schmieden, aber nicht, wenn es allgemein nützen soll. Der FAZ Blog berichtet, wie die drei einfach nicht zueinander finden. Eigentlich schon wieder schön.

Lit and Let

Die Kommission hat eine Geldbuße in Höhe von fast 28 Mio. Euro gegen Lithuanian Railway verhängt, weil die 19 km Schiene abgebaut haben, um die Verbindung eines Wettbewerbers ins Land zu kappen. Pablo Ibanez Colomo findet dafür den schönen Titel: „The most straightforward abuse case ever“. Wir empfehlen in seinem Blog die Kommentarspalte, wo es um die Frage geht, ob es vergleichbar klare Fälle gibt, was natürlich u.a. damit endet, dass der Fall vielleicht doch nicht so klar ist. Das war bei Juristen und Ökonomen nicht anders zu erwarten.

Der Fall ist aber super: Jeder, der noch seine Eisenbahn im Keller schätzt und der nur einmal die falsche Spurweite geschenkt bekommen hat von der Mutti oder von Mutti, versteht „Lithuanian Railway“ intuitiv. Dass der Fall aber einzigartig ist, scheint mir übertrieben. Er ist nur so sichtbar. Die Strategien in weniger landgreifenden Branchen, um Wettbewerber fernzuhalten, sind halt etwas kleiner dimensioniert, etwa wenn es sich um Schnittstellen handelt. Ein neues Betriebssystem und plötzlich funktioniert die App nicht mehr, weil eine Information geändert wurde – ist letztlich „Lithuanian Railway“ digital.

John gegen Goliath

Wenn Sie die oben zitierte Streitschrift der NGOs noch nicht überzeugt hat, dass Fusionskontrolle etwas zahnlos geworden ist, schafft das vielleicht John Oliver. Wenn Sie das noch nicht kennen, schauen Sie das an diesem Wochenende! Wirklich. Es sei denn, Sie lesen die jetzt veröffentlichte Kommissionsentscheidung in Sachen Dow/Dupont. Wir hatten ja behauptet, es seien 1000 Seiten, dabei sind es nur 915, und davon sind allein 17 Seiten Inhaltsverzeichnis des Hauptteils… Zur Smoking Gun, über die wir hier berichtet hatten, findet man übrigens nicht so viel – geschwärzt, siehe ab Randnummer 3054. Trotzdem scheint uns das eine wirklich spannende Lektüre zu werden! Aber jetzt erst mal das Video schauen, John gegen Goliath. Wenn Sie danach das dringende Bedürfnis verspüren, sich dem Rad der fortschreitenden Konzentration in die Speichen zu werfen, versuchen Sie es hier oder hier. Viel Erfolg!

3 Gedanken zu „SSNIPpets (4) zum Wochenende – heute: mit biblisch anmutenden Kämpfen

  1. Lieber Herr Podszun,

    vielen Dank für die stets launig, pointiert, informativ und schlichtweg gut geschriebenen SSNIPpets!

    Darf ich anregen, sich in einem der künftigen Beiträge (gleichwohl nicht im Rahmen der SSNIPpets – dafür ist die Sache zu bedeutend) der anstehenden Prüfung der Übernahme von großen Teilen der Air Berlin durch Lufthansa seitens der EU-KOM zu widmen?

    Am 12.10.17 hat die Lufthansa kurz nachdem die Tinte der Unterschriften unter dem Kaufvertrag trocken war (um 19:02 Uhr) über n-tv verlautbaren lassen, dass sie die Tickeltpreise erhöhen wird, um den Kauf zu finanzieren. Riecht nach wettbewerblich nicht hinreichend kontrollierten Verhaltensspielräumen…

    Das Ergebnis der Prüfung durch die EU-KOM steht meines Erachtens leider fest. Es wird spannend sein zu lesen, wie die KOM die Absegnung des drohenden Ungemachs begründen wird. Abgabe von Slots in Kassel-Calden? Erfordernis, die Lackierung der zu übernehmenden Flugzeuge in rot-weißer Farbe zu belassen? Verpflichtung, die süßen Air-Berlin-Herzchen für weitere drei Monate weiterhin beim Ausstieg feilzubieten? Oder nichts dergleichen, weil das gesamte Wettbewerbspotenzial angesichts offensichtlich fehlender Veräußerungsalternativen ohnehin der DLH zugefallen wäre? Oder unterschätze ich die Damen und Herren in Brüssel und es gibt eine knackige Untersagung?!?

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