Conference Debriefing (3): Sanierung und Wettbewerb – zwei Züge, die aufeinander zurasen?

Conference Debriefing (3): Sanierung und Wettbewerb – zwei Züge, die aufeinander zurasen?

Schlechte Zeiten für Sanierer: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland sinkt, weil die Wirtschaft brummt. Immerhin haben Insolvenzrechtler dann aber einmal Zeit für Konferenzen und die wirklich grundlegenden Fragen, etwa die zu Sanierung und Wettbewerb. Sie trafen sich jetzt an der Uni Düsseldorf, Rupprecht Podszun hat vorbeigeschaut.

 

Konferenzname: „Sanierung und Wettbewerbsrecht“

Ort: Ein schöner, heller, moderner Hörsaal an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Gastgeber: Institut für Insolvenz- und Sanierungsrecht der HHU in Kooperation mit dem Institut für Kartellrecht und der Düsseldorfer Vereinigung für Insolvenz- und Sanierungsrecht, kurzum: Prof. Dr. Nicola Preuß

Teilnehmer: Vor allem Insolvenzrechtler und Sanierer, aber auch ein paar wackere Kartellrechtler

 

Ernsthaft? Aus dem traditionellen septemberlichen Tagungsreigen kriegen wir das Insolvenzrecht präsentiert?

Korrekt. Zur Wahl stand auch noch eine Fachtagung von Kommunikationswissenschaftlern in Salzburg, die über Sportkommunikation sprachen. Da wurde dann z.B. wissenschaftlich begutachtet, ob Politiker und Sportler bei Steuer- und Drogendelikten unterschiedlich wahrgenommen werden, wie sich die Fußballberichterstattung in der ARD-Sportschau langfristig entwickelt hat oder wie weibliche Fußballfans auf Tumblr ohne Männer über ihr „Fandom“ kommunizieren.

Das ist ja echt mal was anderes! Aber was macht ein Kartellrechtler dort?

Mir hatte man einen Keynote-Slot gegeben mit der Frage: Wie prägt das Wirtschaftsrecht die Sportberichterstattung? Das hatte ich leichtfertig zugesagt, und erst im Nachhinein wurde mir dann bedeutet, dass man gern eine Antwort auf die Frage hätte, warum das Bundeskartellamt, das doch der Verbraucherwohlfahrt verpflichtet ist, die No-Single-Buyer-Rule herausgehandelt hat. Sagen wir so: Wenn man bei Fachfremden Verständnis für die Rolle des Rechts wecken will, ist man mit dieser Entscheidung eher etwas in der Defensive, obwohl ja…

Nein, nein, dazu wollen wir nichts hören! Lass uns doch lieber über Insolvenzrecht sprechen.

Eine gute Idee, zumal ja auch Fußballclubs immer öfter die Insolvenz als Chance nutzen! Wobei das Wort „oft“ auch bei dieser Tagung gelegentlich mit Fragezeichen versehen wurde: Wie oft so etwas passiert wie im Fall Lufthansa/Air Berlin wurde nicht abschließend beantwortet. Die Veranstaltung begann nämlich mit einer Case Study, die ich leider sausen lassen musste, die aber offenbar sehr spannend war: Frank Kebekus, Peter Niggemann und Konrad Schott berichteten über die Rettungsversuche bei der Herzen-Airline als „Asset Deal im Spannungsfeld des Wettbewerbsrechts“. Zur Erinnerung: Air Berlin war mal die durchaus relevante Airline, die Großkanzleianwälte übers Wochenende schnellstmöglich von Düsseldorf nach Sylt beförderte. Das, was nach einigen turbulenten Jahren übrig blieb, ging an die Lufthansa und an easyjet – genehmigt von der Europäischen Kommission, im Fall easyjet recht easy, im Fall Lufthansa mit Bedingungen.

Wir erinnern uns, das war ja ein Drama damals, und es gab ja nicht einmal eine richtige Bundesregierung!

Ach, hat sich das geändert? Es gab ein engagiertes Team von Sanierern um Kebekus, und es gab eine engagierte Behörde in Brüssel, die nicht ihre erste Airline-Übernahme machte. Kebekus, der ja nicht täglich mit der Case Teams der DG COMP zu tun hat, sparte nicht mit Kritik: Man sei ihm bei den Besprechungen in Brüssel stets mit Misstrauen begegnet, und am Liebsten hätte man ihm vorgeschrieben, wer was kaufen soll – auch wenn dieser Käufer das aus seiner Sicht mieseste Angebot unterbreitet hatte. Das Fusionsprozedere kostete Zeit und machte die Übernahme der Vermögenswerte für die sich erbarmende Lufthansa nicht gerade einfacher. Merke: Insolvenzverwalter wollen möglichst viel Geld herausholen, damit die Gläubiger noch etwas kriegen.

Nun ja, aber Fusionskontrolle ist doch in Ordnung.

So sehen wir das, aber es schadet ja auch nichts, das eigene Rechtsgebiet einmal mit anderer Brille zu betrachten. Insolvenzrechtler und Sanierer denken an Arbeitsplätze, die Gläubiger und die Gesamtstrategie. Kartellrechtler denken an Wettbewerb und an die Verhinderung marktbeherrschender Stellungen. Das passt nicht immer zusammen – da rasen zwei Züge aufeinander zu, wenn der Marktführer Lufthansa sich den stärksten Wettbewerber einverleiben will. Hans Jürgen Meyer-Lindemann brachte das als Moderator der Podiumsdiskussion wunderbar provokativ auf den Punkt: Wir haben eine freie Marktwirtschaft, und im Wettbewerb gibt es eben Gewinner und Verlierer – warum brauchen wir eigentlich Sanierer?

Der Exit als Selbstverständlichkeit. Aber die Arbeitsplätze…!

Bingo! „16tausend!!!“, rief Matthias Karl, das war die Hausnummer im Edeka/Tengelmann-Deal, wo auch immer mit der Insolvenz gedroht wurde – und zugleich mit dem Verlust von 16tausend!!! Arbeitsplätzen. Silke Hossenfelder, Leiterin der 9. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts, erklärte es noch einmal geduldig: Das GWB schaut nicht auf ein einzelnes Unternehmen, sondern auf den Markt, den Wettbewerb; und Marktbeherrschung ist eben etwas, was nicht entstehen darf. Andreas Möhlenkamp sekundierte aus dem Publikum heraus, dass es ja auch Wettbewerber gebe, Verbraucher, Zulieferer, Abnehmer und so weiter, die bei einem Zusammenschluss betroffen seien. Möhlenkamp warf auch die Frage auf, ob es nicht gegen Beihilferecht und jegliches Wettbewerbsprinzip verstößt, wenn Sanierungsgewinne steuerfrei gestellt werden – § 3a EStG sieht das neuerdings vor.

Die einen wollen mit Hilfe des Marktbeherrschers sanieren, die anderen wollen den Marktbeherrscher nicht noch stärker werden lassen.

Der Marktbeherrscher kann ja meist auch recht gut zahlen. Aber das ist nicht das einzige Problem an der Schnittstelle von Wettbewerb und Sanierung. Frau Hossenfelder sieht mit Unbehagen, dass sich im Gläubigerausschuss auch Vertreter von Wettbewerbern finden können. Angesichts der Rechte dieses Gremiums liegt da schon mal der Verdacht eines Informationsaustauschs nahe. Und dann noch das Thema Geldbußen und Insolvenz, die Wurstlücke und ihre Schließung – aber das wurde nur gestreift.

Wenn zwei Züge aufeinander zurasen, Verwertung des Vermögens einerseits – Verhinderung von Marktbeherrschung andererseits, dann wünscht man sich ja eine rettende Weichenstellung.

Das ist sehr schön gesagt. Matthias Karl stellte, gewohnt unterhaltsam, die Ministererlaubnis dar, aber so genüsslich er Edeka/Tengelmann noch einmal Revue passieren ließ, ist ihm natürlich auch klar, dass das nicht der Ausweg für Übernahmen ist, wenn die Wettbewerbsbehörden Bedenken haben – allein vom Zeitfaktor her. Einige Insolvenzrechtler wünschten sich eine Generalausnahme, die ganz große Sanierungsfusionslösung. Immerhin gebe es doch so etwas auch für die Presse (und am besten ohne Prüfung der alternativen Bewerber). Da fiel uns wieder die Ausnahmeritis auf die Füße: Wenn einer was kriegt, schreien sofort alle anderen auch nach einer Sonderausnahme im Gesetz. Zu vermuten ist: Gäbe es einen raschen Ritt durch die Fusionskontrolle mit Hilfe eines gesetzlich verankerten Instituts namens „Sanierungsfusion“, gäbe es wahrscheinlich bald in Deutschland sehr viele notleidende Unternehmen… Karl schlug eine umgekehrte Bagatellmarktklausel vor: Wenn ein Markt stirbt – sein Beispiel war das C-Netz, das in Wendezeiten das Telefonieren mit Hilfe von Telefonkoffern auch in Ostdeutschland ermöglichte –, dann sollen die Kartellbehörden Augen zudrücken: Die „dying market defence“.

Nächste GWB-Novelle also!

Nicht unbedingt, denn die Frage blieb offen, wie oft sich das Problem eigentlich stellt. Peter Niggemann fragte das. Meyer-Lindemann resümierte, sichtlich zur Erleichterung von Silke Hossenfelder, dass das System mit failing company defence, Effizienzeinrede, Schwellenwerten und so weiter funktioniert, es im System aber immer besser laufen kann. Vielleicht gilt bei Konsequenzen aus Fällen wie Lufthansa/Air Berlin und Edeka/Tengelmann einfach die alte Regel: Bad cases make bad law.

 

Kann man mal sagen: „Ich habe allergrößten Respekt vor Ihrer Tätigkeit.“ (Bundeskartellamtsmitarbeiterin zu Insolvenzverwalter, nicht umgekehrt)

Sollte man eher nicht sagen: “Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr.” (Alexander Dobrindt)

Next stop: Wir gewinnen langsam Spaß an Tagungen mit Fachfremden. Bis zum 2.10. läuft noch die „2. Straßenpredigerkonferenz“ in München!

 

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